Der politische Mord und Bergedorf

Bergedorfer Zeitung, 1. Juli 1922

Die einen trauerten und protestierten, die anderen nicht: nach der Ermordung von Außenminister Walther Rathenau vor einhundert Jahren hielt die DDP Bergedorf eine Kundgebung ab – aber unter den geistigen Wegbereitern des Mordes war auch ein Bergedorfer: Alfred Roth.

Alfred Roth war Hauptgeschäftsführer des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbunds, dessen antisemitische und antidemokratische Propagandaflugblätter in Millionenauflagen verbreitet wurden. Eine Hetzschrift Roths gegen Rathenau war im Jahr des Mordes erschienen – die Attentäter aus der rechtsextremistischen Organisation Consul verfügten über enge Kontakte zu diesem „Bund“.

Bergedorfer Zeitung, 5. Juli 1922

Der demokratische Staat war also weiterhin bedroht (siehe z. B. den Beitrag zum Mord an Matthias Erzberger). In Bergedorf und Sande forderten SPD, USPD und KPD und die freien Gewerkschaften auf gemeinsamen Demonstrationen sogar die Aufstellung von Arbeiterwehren, um einen Putsch von rechts verhindern zu können; die weiteren Forderungen waren eher von (nicht zu unterschätzender) symbolischer Bedeutung. Hierauf soll in weiteren Beiträgen eingegangen werden – zur Bildung von Arbeiterwehren kam es jedenfalls nicht: zwar beantragte der Magistrat von Bergedorf etwas verklausuliert, dass der Staat „eine Organisation zum Schutze der republikanischen Regierung … schaffen“ solle (BZ vom 20. Juli), und die Bürgervertretung beschloss dies mit der Mehrheit der SPD, USPD und einer DDP-Stimme, doch blieb das rechtliche Gewaltmonopol allein in staatlicher Hand.

BZ, 19. Juli 1922

Das Reich und Hamburg gingen mit gesetzgeberischen (Republikschutzgesetz) und administrativen Mitteln gegen umstürzlerische Vereinigungen und Publikationen vor – so wurde u.a. der Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund verboten (BZ vom 14. Juli). Bei Alfred Roth gab es eine Hausdurchsuchung wegen des Verdachts, er sammle Spenden für die flüchtigen Mörder Rathenaus (BZ vom 15. Juli), doch beweisen ließ sich das nicht (BZ vom 18. Juli und 2. November). Laut Wikipedia verließ er Bergedorf noch im selben Jahr; er trat aber mehrfach bei DNVP-Veranstaltungen als gefeierter Redner in Bergedorf und Hamburg auf (BZ vom 30. Juni, 11. Juli und 8. Dezember 1923).

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