Die Quäkerspeisung für Schülerinnen und Schüler

Bergedorfer Zeitung, 29. Mai 1920

Anfang des Jahres war eine fünfzehnköpfige Delegation aus Amerika in Berlin eingetroffen, um ein „Amerikanisches Hilfswerk für Deutschland“ aufzubauen: es sollten Nahrungsmittel und Bekleidung zur Verfügung gestellt werden, finanziert durch in den USA gesammelte Spendengelder (BZ vom 3. Januar 1920) – jetzt erreichte die Hilfe auch Bergedorf und Geesthacht sowie Sande: der Sander Lehrer Johann Brüdt verfasste hierzu das Gedicht „Habt Dank!“, das die BZ am 12. Juni veröffentlichte.

Getragen wurde die Aktion von den „Kinderhilfsmissionen der Religiösen Gesellschaft der Freunde (Quäker) von Amerika“, die sich auf die Speisung unterernährter Schulkinder konzentrierte. Das war ein hochwillkommener (und qualitativ besserer) Ersatz für die weggefallene Schulspeisung.

An allen Schulen, auch den privaten, gab es diese Mahlzeit, denn unterernährte Kinder gab es offenbar nicht nur an den Stadtschulen und an der Hansaschule. Insgesamt über 20 Prozent der Bergedorfer Schülerinnen und Schüler durften teilnehmen, ausgesucht von Schularzt und Klassenlehrer, doch eigentlich hätten mehr Kinder einbezogen werden müssen: nach vier Wochen Quäkerspeisung gab es eine ärztliche Untersuchung, und wenn bei einem Kind eine ausgeprägte Besserung des Ernährungszustands festgestellt wurde, schied es aus dem Programm aus und ein anderes trat an seine Stelle.

Wie begehrt die Teilnahme war, folgt aus dem Bericht über eine Versammlung der Elternräte der Stadtschulen: dort wurde Protest erhoben gegen die „nicht ganz einwandfreien“ Untersuchungen und die Teilnahme der höheren Mädchenschulen (BZ vom 16. September 1920) – letzteres sei eine Benachteiligung der minderbemittelten Kinder. Zu den Untersuchungen erklärte der Bergedorfer Stadtarzt Dr. Bohne in einer Elternversammlung, dass die Grundlage der Rohrer-Index sei (eine für Kinder und Jugendliche geeignete Variante des Body-Mass-Index) (BZ vom 24. August und 16. Oktober 1920).

Die Speisung sollte zunächst bis zu den „Hundstagsferien“, d.h. den Sommerferien, erfolgen, doch blieb sie über den Jahreswechsel hinaus bestehen – innerhalb weniger Monate wurden 78.928 Portionen ausgegeben (BZ vom 24. November).

Der Dank der BZ an die „hochherzigen Spender … für das Werk edelster Menschenliebe“ war zweifelsohne verdient und wurde mehrfach paraphrasiert wiederholt, wenn die Redaktion es auch zumindest einmal sich nicht verkneifen konnte, die Hilfe der Quäker in Kontrast zum „Wilsonschen Wortbruch“ (BZ vom 24. Juni) zu setzen.

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