Die steuerfreie Hausangestellte

BZ, 25. Januar 1924

Dies war die große Ausnahme unter den Stellenanzeigen in der BZ, denn hier wurde der gebotene Lohn genannt: 30 Mark monatlich, brutto für netto, wollte ein Wentorfer, gleich hinter der Bergedorfer Stadtgrenze wohnend, einer Köchin zahlen, die auch Hausarbeit verrichten sollte.

 

Bergedorfer Zeitung, 2. Januar 1924

Bergedorfer Zeitung, 2. Januar 1924

Nicht jede Hausangestellte war von der Einkommensteuer frei, aber auf sehr viele dürfte dies zugetroffen haben, denn die Einkommen der „Mädchen“ waren ausgesprochen niedrig: das Finanzamt stufte sie mit „sonstigen gering bezahlten Arbeitskräften“ in die unterste Gruppe der Erwerbstätigen ein, die auch „Sachbezüge“ erhielten – im Falle von Dienstmädchen waren dies eine Kammer, Heizung, Licht und Verpflegung. Diese Bezüge wurden pauschal mit 20 Mark im Monat bewertet, ob das im Einzelfall angemessen war oder nicht, interessierte das Finanzamt nicht.

Bergedorfer Zeitung, 7. Januar 1924

Ein Gesamteinkommen von 50 Mark im Monat war laut einer Bekanntmachung von Ende 1923 steuerfrei; erst wenn ein Mädchen mehr als 30 Goldmark monatlich in Bargeld ausgezahlt erhielt, musste seine Dienstherrin Steuermarken in das Steuerbuch ihrer Angestellten kleben (Die Ausgaben für die Steuermarken wurden dem Mädchen gleich vom auszuzahlenden Lohn abgezogen). 30 Mark jedenfalls reichten nicht einmal aus, sich im Winterschlussverkauf mit der billigsten neuen Oberbekleidung (Mantel, Rock, Bluse) und Stiefeln zu versehen (Ausverkaufs-Anzeigen in der BZ vom 5. und 10. Januar 1924).

Am Monatsende, nach ca. 225 Arbeitsstunden (neun Stunden pro Tag und Sechstagewoche) gab es 30 Mark auf die Hand – das entsprach einem Stundenlohn von gut 13 Pfennigen. Wenn man die „Sachbezüge“ hinzurechnete, waren es gut 22 Pfennige. An Vergleichswerten waren im Januar 1924 nur die neuen Löhne für das Baugewerbe zu finden: ein Bauhilfsarbeiter z.B. erhielt mindestens 54 Pfennige pro Stunde (BZ vom 15. Januar 1924).

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