Bergedorfs Eigenständigkeit im Staate Hamburg war nicht mehr haltbar – darin waren die politischen Kräfte einig gewesen in Bergedorf, vor dem Krieg und im Krieg. Hauptgründe dafür waren das Einspruchsrecht des Landherrn, der Bergedorfer Interessen den Hamburgischen unterordnete, die steuerliche Benachteiligung gegenüber den Hamburgern und die Stadtfinanzen mit beträchtlicher Verschuldung (BZ vom 16. März 1918).
Mit der Einigkeit in dieser Frage war es nach dem Krieg vorbei, denn Bergedorfs SPD (gefolgt von der DDP) sah die Lage nun anders, was auch Magistrat und Bürgervertretung beschäftigte:
Sowohl vor den SPD-Mitgliedern als auch in der Stadtvertretung sprach sich Ratmann Friedrich Frank dafür aus, die Eingemeindung noch einmal zu überdenken: die Verhältnisse hätten sich ja geändert, die Rechte des Landherrn würden eingeschränkt werden, die Groß-Hamburg-Frage sei immer noch offen und „für Bergedorf als selbständiges Gemeinwesen von Bedeutung“.
Die Mitgliederversammlung der SPD stimmte dem zu und forderte eine „einmalige größere finanzielle Beihilfe Hamburgs, um die Selbstverwaltung aufrechterhalten zu können“, was ein düsteres Bild auf Bergedorfs Finanzen wirft.
Von Interesse ist hierbei auch das SPD-Votum für eine „baldmöglichste“ Bürgermeisterwahl, was doch überrascht: ein eingemeindetes Bergedorf hätte weder Bürgermeister noch Magistrat und Bürgervertretung gehabt. So muss die „Offenhaltung“ der Eingemeindungsfrage als vorgeschoben interpretiert werden, denn es macht ja keinen Sinn, einen Bürgermeister nur für einige Wochen oder Monate zu wählen: nach dem Ausscheiden von Bürgermeister Walli (siehe den Beitrag Walli macht Karriere) sah die SPD nun die Chance, das Amt mit dem sozialdemokratischen Ratmann Wiesner zu besetzen, und diese Chance wollte man sich nicht entgehen lassen.
Die Sitzung der Stadtoberen verlief erst harmonisch: die zurückgetretenen Ratmänner Bauer (Bürgerliche), Cohn (DDP) und die Sozialdemokraten Frank, Otto und Storbeck wurden einstimmig wiedergewählt – doch dann wurde es kontrovers: der USPD-Vertreter Seß vermutete „persönliche Interessenpolitik“ hinter dem Sinneswandel der SPD, Kellinghusen als Vertreter der Bürgerlichen warnte gerade angesichts der in seinen Augen zerrütteten Finanzen vor einer Änderung der 1918 beschlossenen Position, „nachdem man bis jetzt förmlich nach der Eingemeindung geschrien habe.“
In der Sache wurde an diesem Abend nicht entschieden, aber einmütig „zur weiteren Bearbeitung der Angelegenheit ein Ausschuß … eingesetzt“.
Fortsetzung folgt.