Von Haus-Gasometer und Telefonvermittlung

Bergedorfer Zeitung, 3. Januar 1920

Elf Tage war Bergedorf ohne Gas gewesen, siehe den Beitrag Sorgenvolle Weihnachten – nun konnte das Gaswerk seine Lieferungen wieder aufnehmen, wenn auch nur in dem sehr bescheidenen Umfang von vier Stunden am Tag. Das Kochen einer Mittagsmahlzeit auf dem Gasherd blieb unmöglich.

BZ, 5. Januar 1920

Bergedorfer Zeitung, 20. Februar 1920

Da wird mancher über Hartig Eggers‘ Angebot eines Haus-Gasometers nachgedacht haben, um sich von Sperrzeiten unabhängig zu machen. Aus der Abbildung eines solchen Geräts in einer späteren Anzeige kann man aber unschwer erkennen, dass es sich dabei nur um eine Art Camping-Kocher handelte: entweder man setzte den Kessel auf oder man schloss eine Gaslampe an, mehr war nicht möglich.

Bergedorfer Zeitung, 24. Januar 1920

Eine solche Vorrichtung war aber deutlich besser als die Petroleum- und Karbidlampen, die während der totalen Gassperre in der Telefonvermittlung des Bergedorfer Postamts zum Einsatz gekommen waren. Die Ausdünstungen hatten offenbar zu einer Reihe von Krankmeldungen des Personals und dies zur gänzlichen Einstellung des Fernsprechbetriebs geführt. Wenn die Oberpostdirektion jetzt erklärte, dass wieder „im vollen Umfange“ vermittelt wurde, wird das die Bergedorfer erfreut haben.

Bergedorfer Zeitung, 5. Januar 1920

Die Post war anscheinend in Sachen Gasbezug privilegiert: Einzelhandelsgeschäfte durften ihre Lampen nach 17 Uhr nicht mehr betreiben – wahrscheinlich, damit die produzierte Menge für die Privathaushalte ausreichte, die ab 17 Uhr ihre Gaslampen entzünden durften, ab dem 9. Januar sogar bis 21 Uhr und zudem eine Stunde zur Mittagszeit (BZ vom 8. Januar 1920).

 

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Gute Kunde zum Jahresende

Bergedorfer Zeitung, 31. Dezember 1919

Nach mehr als einem halben Jahr war endlich der nach den Sülzeunruhen über Hamburg verhängte Belagerungszustand  aufgehoben worden – bereits einige Wochen vorher waren die Drahtverhaue auf dem Hamburger Rathausmarkt so reduziert worden, „daß die Passage nach allen Richtungen hin frei ist“ (BZ vom 13. Dezember).

Bergedorfer Zeitung, 11. September 1919

Der Belagerungszustand hatte auch in Bergedorf gegolten, sich aber kaum bemerkbar gemacht. Die insgesamt 31 Verordnungen der Militärherrschaft über Waffenabgabe, Polizeistunde etc. kamen auch hier zur Anwendung, aber es gab nicht eine einzige Zeitungsmeldung über in Bergedorf stationierte Truppen – Geheimhaltungsvorschriften können dabei keine Rolle gespielt haben, wie die nebenstehende Anzeige belegt.

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Das Wandergericht

BZ, 31. Dezember 1919

Das Amtsgericht Bergedorf wollte auf Reisen gehen: 1920 sollten in Kirchwärder sechs, in Geesthacht sogar zwölf Gerichtstage abgehalten werden. Laut BZ war dies auch vor dem Krieg der Fall gewesen, und der Bürgerschaftsabgeordnete Käckenhoff aus Geesthacht hatte sich die Wiederaufnahme dieser Praxis zum Anliegen gemacht, einen entsprechenden Bürgerschaftsantrag gestellt und Verhandlungen mit dem Vorsitzenden des Amtsgerichts Bergedorf angekündigt (BZ vom 6. Oktober).

Gerichtsverhandlungen „auf dem Lande“ hatte es schon früher gegeben, sogar sehr viel früher, wie Hans Kellinghusen (Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte, Bd. 43 (1956), S. 73-77) schreibt: es gab im Amt Bergedorf sechs Kirchspielsgerichte, die bis zum 16. Jahrhundert unter freiem Himmel auf dem jeweiligen Kirchhof tagten. Aber seit 1621 fanden die Gerichtstage nur noch in Bergedorf statt, in den Gasthöfen „Stadt Hamburg“ bzw. „Stadt Lübeck“ – die Dorfbewohner mussten also lange Wege auf sich nehmen.

Zivilsachen konnten aber (von 1849 bis 1899) vor den „Friedensgerichten“ in den Kirchspielen erledigt werden, nach lübischem Recht bzw. dem Sachsenspiegel, wie Hans Böhrnsen (Lichtwark Nr. 44 (1980), S. 31-36) berichtet.  Mit Einführung des BGB am 1. Januar 1900 entfielen auch diese. (Die Verordnung, die Einrichtung eines Raths- und Friedens-Gerichtes für das Städtchen Bergedorf betreffend kann online angesehen werden.)

In den Fallzahlen für Geesthacht und Kirchwärder spiegelte sich auch die Einwohnerzahl: nach der Dissertation Kellinghusens (Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte, Bd. 13 (1908), S. 181-373, hier S. 289-290) wurde in Geesthacht (wohl im 16. Jahrhundert) nur alle sechs Jahre ein Gerichtstag abgehalten. Für 1920 wurden elf Verhandlungstage in Grundbuch-, Vormundschafts- und Nachlasssachen angesetzt, in Kirchwärder nur sechs – Geesthacht war nun deutlich größer als Kirchwärder. In allen Straf- und anderen Zivilsachen blieb der Gerichts- und damit der Verhandlungsort das Bergedorfer Schloss, bis im Oktober 1927 der Umzug in das neu errichtete Amtsgerichtsgebäude an der Ernst-Mantius-Straße erfolgte.

Vorbehalt: der obige Text wurde nach bestem Wissen und Gewissen, aber von einem Nichtjuristen verfasst. Kellinghusens Dissertation beschränkt sich auf den Zeitraum bis 1620. Die Forschungen zur weiteren Bergedorfer Rechtsgeschichte sind durchaus ausbaufähig.

Bergedorfer Zeitung, 18. Dezember 1919

Auf Wanderschaft ging auch die Heimatsammlung des Bergedorfer Bürgervereins, die 1917 im Stadthaus erstmals ein festes Quartier erhalten hatte, das sie nun aber wieder räumen musste: das neue Finanzamt übernahm die Dachetage des Stadthauses.

 

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Sorgenvolle Weihnachten mit teuren Beleuchtungsmitteln und ohne

Bergedorfer Zeitung, 27. Dezember 1919

Wirkliche Weihnachtsfreude herrschte nicht in Bergedorf – es fehlte an vielem. Hunderttausende waren noch in Kriegsgefangenschaft, was die BZ erstaunlicherweise nur in den letzten zwei Sätzen ihres Weihnachts-Artikels aufgriff. „Spärlicher Lichterglanz“ war wohl das primäre Thema.

Der Lichterglanz wird angesichts der Kerzenpreise wirklich nicht üppig gewesen sein: Weihnachtskerzen wurden in der BZ zu 35 Pfennig pro Stück (12 cm lang) angeboten (BZ vom 22. Dezember). Die „sparsame Beleuchtung der Wohnräume“ hatte, soweit elektrisch, die rigiden Verbrauchsbeschränkungen als Ursache: in Privathaushalten durfte pro Raum nur eine Glühbirne brennen (BZ vom 27. November), an den Weihnachtstagen und zum Jahreswechsel immerhin bis 24 Uhr, während vor Weihnachten das Licht nur bis 22:30 Uhr hatte brennen dürfen (BZ vom 16. und 23. Dezember). Der daraus resultierende Mehrverbrauch an Kohlen für die Stromerzeugung wurde zunächst durch ein Verbot der Kraftstromnutzung durch Betriebe kompensiert, und ab Neujahr mussten auch die Haushalte einen weiteren Beitrag leisten: es durfte nur noch die Küche und ein weiteres Zimmer elektrisch beleuchtet werden (BZ vom 20. und 31. Dezember); die Nutzung elektrischer Koch- und Heizvorrichtungen war schon vorher untersagt worden (BZ vom 3. November).

Bergedorfer Zeitung, 23. Dezember 1919

Aber wer elektrisches Licht hatte, war immer noch weit besser dran als die Menschen, die auf Gaslampen und Gasherd gesetzt hatten: rechtzeitig zu Weihnachten machte die Gasanstalt bekannt, dass es ab dem ersten Weihnachtsfeiertag „bis auf weiteres“ überhaupt kein Gas geben würde – deshalb fiel in Sande die Straßenbeleuchtung komplett aus, und wer mit Gas gekocht hatte, musste sich nun um eine andere Lösung kümmern. Der einzige Trost für die Gaskunden war, dass die erneut gestiegenen Preise (Oktober 1915: 14 Pfg/cbm, Oktober 1918: 26 Pfg/cbm, ab Dezember 1919: 65 Pfg/cbm; BZ vom 14. August 1915, 26. September 1918 und 31.Dezember 1919) die Haushaltskasse zum Jahresende nicht voll belasteten, weil man ja eine Woche lang nichts verbrauchen konnte.

Bergedorfer Zeitung, 31. Dezember 1919

Ob die Kunden des Elektrizitätswerks in preislicher Hinsicht besser daran waren, muss bezweifelt werden. Während der Kriegsjahre war der Preis vermutlich von der Stadt künstlich stabil gehalten worden, doch vom Juni 1919 bis Dezember 1919 gab es fast eine Verdopplung, von 76 Pfg/kwh auf 1,44 Mark/kwh für Lichtstrom (BZ vom 7. Juni und 15. Dezember).

 

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Die Krankenkost und die Milchversorgung

Bergedorfer Zeitung, 23. Dezember 1919

Neun Prozent der Bergedorfer bezogen „Krankenvollmilch“, d.h. einen viertel Liter Vollmilch täglich (siehe die Verordnung im Beitrag 55 Paragraphen zum Milchverbrauch), was ein weiteres Schlaglicht auf die miserable Versorgungslage wirft. In den Augen des Magistrats war das eine „überaus große Inanspruchnahme“, auf die nun mit „scharfer Prüfung“ von Anträgen reagiert werden sollte, denn Milch war Mangelware, wie auch zwei „Sprechsaal“-Beiträge zeigen:

Bergedorfer Zeitung, 22. November 1919

Bergedorfer Zeitung, 3. Dezember 1919

 

 

 

 

 

 

Die Milchproduktion war gegenüber der Vorkriegszeit gewaltig zurückgegangen: erhielten Hamburg und seine Nachbarstädte früher 300.000 Liter täglich, so waren es nun nur noch 40.000 Liter (BZ vom 20. Dezember). Als (einleuchtende) Gründe für den Rückgang der Erzeugung nannten die Bauern, dass den Kühen nur ein „minderwertiges, sogenanntes Ersatzkraftfuttermittel“, aber kein wirkliches Kraftfutter vorgesetzt wurde; auch sei die Menge an Raufutter (Heu und Gras) wegen nicht ausreichender Düngemittel stark zurückgegangen (BZ vom 31. März). Da waren die 20.000 kg Milch, die seit Oktober aus Dänemark importiert wurden (für ganz Deutschland, BZ vom 10. Oktober), eine geradezu lächerlich geringe Menge.

Die Knappheit der Milch spiegelte sich auch in den behördlich festgesetzten Höchstpreisen: ein Liter Vollmilch kostete 1916 (Jahresanfang) 28 Pfennig. Nach weiteren Erhöhungen (u.a. November 1917: 40 Pfennig) waren 1919 zunächst 52 Pfennig und schließlich 72 Pfennig zu zahlen (BZ vom 21. Mai und 3. September).

In der Nachbargemeinde Sande dürften ähnliche Preise gegolten haben, sodass die Gemeinde für Kranke, Schwangere und Kinder auf Antrag Zuschüsse gewährte – aber nur an Familien, die mindestens zwei Kinder hatten und „minderbemittelt“ waren. Die Einkommensgrenze für diese Familien stieg in wenigen Monaten von 1.800 Mark im Jahr auf 2.400 Mark (BZ vom 20. Januar und 28. Februar) – dabei blieb es bis Jahresende, obwohl die Preise weiter stiegen.

 

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Der Münzsammler Hermann Boothby

BZ, 15. Dezember 1919

An einer seltenen historischen Kupfermünze hätte Hermann Boothby vermutlich kaum Interesse gehabt. Sein Inserat für den Ankauf von Münzsammlungen zeigt, dass es ihm um Gold- und Silbermünzen ging, die er als Goldschmiedemeister einschmelzen konnte, um die Edelmetalle entweder zu Schmuck zu machen oder wieder zu verkaufen.

Seine Angabe, „Goldm. 6fache, Silbermünzen 3fache“ lässt auch erkennen, dass er vor allem auf bestimmte Sammlungen abzielte: auf Gold- und Silbermünzen des alten Kaiserreichs, die er zum Mehrfachen des Nominalwerts erwerben wollte – die Golddeckung der Mark war zu Kriegsbeginn abgeschafft worden, neues Geld wurde vor allem in Darlehenskassenscheinen ausgegeben, immer wieder wurde zum Umtausch der Edelmetallmünzen in Papiergeld aufgerufen (siehe z.B. den Beitrag Gold gab ich für Papiergeld), was eine patriotische Pflicht sei. Vorsichtige Menschen hielten aber an ihrem Goldgeld fest, dessen Wertbeständigkeit außer Frage stand (siehe z.B. den Beitrag Das Gold in Ochsenwerder) – der Ausgang des Krieges zeigt, wie recht sie hatten.

BZ, 19. September 1919

BZ 19. Dezember 1919

Boothbys erste Münzsammlungs-Anzeige mit Preisangabe war im September erschienen, mit geringeren Preisen – zwei Tage nach Erscheinen der oben wiedergegebenen Annonce erhöhte er den Preis erneut. Selbst wenn man die allgemeine Preissteigerungsrate berücksichtigt: in einem Vierteljahr wird die (Papier-) Mark nicht so sehr an Wert verloren haben, und Boothby wird auch am Jahresende noch Gewinn gemacht haben.

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Der Aufruf zum zivilen Ungehorsam

Bergedorfer Zeitung, 12. Dezember 1919, angeblich Zitat aus dem Bergedorf-Sander Volksblatt

Man muss dem Vorsitzende des Sander Bürgervereins, einem Herrn Elberding, zugleich Vorsitzender der DNVP in Sande (BZ vom 29. Januar), dankbar sein, dass er sich in einem „Sprechsaal“-Artikel erneute über das Bergedorf-Sander Volksblatt echauffierte und als Beleg für seine Kritik diesen ganzen Absatz aus der Volksblatt-Ausgabe vom 4. Dezember zitierte – kaum ein Exemplar dieser Zeitung ist erhalten geblieben, aber via BZ gibt es immerhin diesen Ausschnitt.

Das Thema waren die Gas-Sperrzeiten: die Entnahme war nur zu bestimmten Zeiten gestattet, morgens und mittags je eine Stunde, am Abend sechs Stunden – der Bekanntmachung nach (BZ vom 2. Dezember) galt dies für alle, ob Privathaushalt oder Betrieb; Ladengeschäfte mussten bereits zu den festgelegten Ladenschlusszeiten ihre Gaslampen löschen. Wahrscheinlich standen während der Sperrstunden am Tage die Leitungen weiter unter Druck; nachts jedenfalls wurde kein Gas produziert, und deshalb wurde davor gewarnt, die Gashähne über Nacht offen zu lassen: „wenn morgens der Gasdruck einsetzt, strömt durch die offenen Hähne Gas aus und wird für die Bewohner zur Gefahr.“ (BZ vom 16. Dezember)

Bergedorfer Zeitung, 2. Dezember 1919

Das Bergedorf-Sander Volksblatt forderte nun seine Leser auf, die Sperrzeiten zu ignorieren, weil die Gasanstalt ihrerseits das neue Blatt ignoriert hatte und die Bekanntmachung nur in der Bergedorfer Zeitung erfolgt war. Die Gasanstalt mit ihrem Direktor Worbs hatte angedroht, Verstöße gegen die Vorschrift mit Absperrung der Zufuhr zu ahnden, was das Volksblatt mit einer offenen, aber nicht spezifizierten Drohung beantwortete: „Sollte die Gasanstalt die Gasleitungen abschneiden, werden wir mit Gegenmaßnahmen antworten.“

Ob der Aufruf zum zivilen Ungehorsam Erfolg hatte, ob es zur Stilllegung von Anschlüssen kam, ob die Beschäftigung der SPD-Mitgliederversammlung mit dem Direktor und Vertrauensmann des Reichskommissars für die Kohlenverteilung Worbs irgendwelche Folgen hatte – darüber schrieb die BZ nichts. Am wahrscheinlichsten ist, dass die Gasanstalt von nun an auch im Volksblatt inserierte, und damit wäre zumindest zwei Ziele des Volksblatts erreicht gewesen, nämlich dass die Anzeigeneinnahmen stiegen und dass die Bevölkerung einen Grund weniger hatte, die BZ zu abonnieren.

 

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Der frühe Fischer fängt den Fisch

Bergedorfer Zeitung, 9. Dezember 1919

Wie später – sinngemäß und in einem anderen Zusammenhang – Michail Gorbatschow sagte: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“

 

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Autogas als Allzweck-Brennstoff

Bergedorfer Zeitung, 8. Dezember 1919 (verkleinerte Wiedergabe)

Einen neuen Brennstoff mit vielen Verwendungsmöglichkeiten bot Carl Harden hier an – angesichts der Rationierung von Petroleum und der ausgedehnten „Sperrstunden“, in denen weder Gas noch Strom ins Haus geliefert wurde, kann man davon ausgehen, dass die im Original halbseitige Anzeige aufmerksam gelesen wurde. Zusätzlich pries die BZ, die sich bestimmt über das große Inserat freute, das neue Produkt im redaktionellen Teil an (BZ vom 8. Dezember).

Autogas war 1919 übrigens etwas anderes als heute: Nach Meyers Lexikon, 7. Auflage (1924) war es mit Azetylen gesättigtes Azeton. Aktuell definiert Wikipedia Autogas als LPG, d.h. Liquefied Petroleum Gas, bestehend hauptsächlich aus Butan und Propan, für den Einsatz in Fahrzeug-Verbrennungsmotoren – Auto-Gas eben.

Bergedorfer Zeitung, 10. Dezember 1919

„Die Anschaffung der Autogaskocher, -Lampen, -Lötkolben, sowie die Anlagen ganzer Schaufenster- und Ladenbeleuchtungen, ebenso Koch- und Heizanlagen dürften sich für manchen Haushalt, Ladenbesitzer, Wirt, Mechaniker, Zahnarzt usw. sehr empfehlen“, schrieb die BZ in ihrem Begleittext zur Anzeige (BZ vom 8. Dezember). Sie machte damit indirekt auf einen Nachteil aufmerksam, denn die Unabhängigkeit vom Gas- und Stromnetz konnte man nur durch erhebliche Investitionen erreichen: man benötigte spezielle Lampen, Brenner und dergleichen, die Harden in Bergedorf und drumherum vorführte (und vermutlich auch verkaufte).

BZ, 20. Dezember 1919

Harden fand auf jeden Fall gewerbliche Abnehmer – vielleicht Ladeninhaber, denen schon seit Wochen die elektrische Schaufensterbeleuchtung und jede Außenbeleuchtung verboten worden war (BZ vom 3. November), bestimmt Wilhelm Kuntz, den Betreiber des Hansa-Kinos, der sich damit von der Stromsperre ab Mitte des Monats (für Kinos, Theater etc.: 21 Uhr, BZ vom 16. Dezember) unabhängig machte und sogar Spätvorstellungen ab 21:30 Uhr anbot; ein anderer war Otto Hitscher (Baumanns Gesellschaftshaus), der damit für Licht in seiner Gaststube sorgte.

Bergedorfer Zeitung, 23. Dezember 1919

Über die nebenstehende Aufklärungs-Anzeige Hardens wird Hitscher aber nicht sehr erfreut gewesen sein, weil sie seine Saalbeleuchtung als rußend bezeichnete, was ja eher abschreckend auf potentielle Gäste gewirkt haben muss. Es spricht einiges dafür, dass die Saalbeleuchtung mittels Karbidlampen erfolgte, die rußend und außerdem nicht geruchsfrei brannten. Aber Karbid unterlag eben keinen Sperrstunden und Rationierungen.

 

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Von Hotobran zu Hotobrau

Bergedorfer Zeitung, 29. November 1919

Torf zum Heizen hatten die Bergedorfer, auch Brennholz – nun sollte es spezielle Öfen geben, die daraus durch sparsamen Verbrauch das Beste machten. Der Monopolanbieter für Bergedorf und Umgegend war die Firma A. Lohmeyer, Am Schiffwasser, im Bergedorfer Adressbuch für 1915  als „Feuerungs-Handlung“ verzeichnet.

Natürlich verriet die Anzeige nicht, welche Konstruktion genau diese Hotobran-Öfen aufwiesen, die sie so geeignet machte für Holz- und Torfverbrennung. Die Öfen waren aber offenbar weniger geeignet für Braunkohle, die es gelegentlich gab, und wer stellt sich schon mehrere Öfen ins Zimmer?

Bergedorfer Zeitung, 17. Dezember 1919

Die Problemlösung kam schnell und hieß Hotobrau: dieser Zimmer-Heizofen lieferte neben Holz und Torf auch mit Braunkohle die „höchste Ausnutzung“. Der Anbieter war wiederum A. Lohmeyer.

Ob dem wirklich eine geänderte Konstruktion zugrunde lag oder lediglich der Name modifiziert wurde, ist nicht feststellbar. Jedenfalls war der Name keine Erfindung des Bergedorfer Händlers: nach der dänischen Registrerings-Tidende for Vare- og Faellesmaerker Nr. 50 (1919) war Hotobrau ein in Dänemark und Deutschland eingetragenes Warenzeichen eines Lübecker Herstellers.

Bergedorfer Zeitung, 2. Dezember 1919

In diesen Wochen wurde auch für ein anderes Produkt geworben, das speziell für die Küche erdacht worden war: mit dem Grude-Herd Hannovera konnte man durch die Siebplatten-Feuerung das Zweieinhalbfache an Leistung erreichen – wobei offen bleibt, womit genau verglichen wurde; immerhin wurden Grudeherde auch als Spar- oder Pfennigherde bezeichnet. Die Attraktivität des Angebots der Feuerungshandlung W. Riege und Sohn (Serrahnstraße) wurde sicher dadurch gesteigert, dass Riege „für die Lieferung von Grudekoks Gewähr leisten“ konnte. Grudekoks jedenfalls galt als „preiswerte Brennmaterial“, doch kann ein Preisvergleich mit anderen Brennstoffen hier nicht bereitgestellt werden.

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