Neun Prozent der Bergedorfer bezogen „Krankenvollmilch“, d.h. einen viertel Liter Vollmilch täglich (siehe die Verordnung im Beitrag 55 Paragraphen zum Milchverbrauch), was ein weiteres Schlaglicht auf die miserable Versorgungslage wirft. In den Augen des Magistrats war das eine „überaus große Inanspruchnahme“, auf die nun mit „scharfer Prüfung“ von Anträgen reagiert werden sollte, denn Milch war Mangelware, wie auch zwei „Sprechsaal“-Beiträge zeigen:
Die Milchproduktion war gegenüber der Vorkriegszeit gewaltig zurückgegangen: erhielten Hamburg und seine Nachbarstädte früher 300.000 Liter täglich, so waren es nun nur noch 40.000 Liter (BZ vom 20. Dezember). Als (einleuchtende) Gründe für den Rückgang der Erzeugung nannten die Bauern, dass den Kühen nur ein „minderwertiges, sogenanntes Ersatzkraftfuttermittel“, aber kein wirkliches Kraftfutter vorgesetzt wurde; auch sei die Menge an Raufutter (Heu und Gras) wegen nicht ausreichender Düngemittel stark zurückgegangen (BZ vom 31. März). Da waren die 20.000 kg Milch, die seit Oktober aus Dänemark importiert wurden (für ganz Deutschland, BZ vom 10. Oktober), eine geradezu lächerlich geringe Menge.
Die Knappheit der Milch spiegelte sich auch in den behördlich festgesetzten Höchstpreisen: ein Liter Vollmilch kostete 1916 (Jahresanfang) 28 Pfennig. Nach weiteren Erhöhungen (u.a. November 1917: 40 Pfennig) waren 1919 zunächst 52 Pfennig und schließlich 72 Pfennig zu zahlen (BZ vom 21. Mai und 3. September).
In der Nachbargemeinde Sande dürften ähnliche Preise gegolten haben, sodass die Gemeinde für Kranke, Schwangere und Kinder auf Antrag Zuschüsse gewährte – aber nur an Familien, die mindestens zwei Kinder hatten und „minderbemittelt“ waren. Die Einkommensgrenze für diese Familien stieg in wenigen Monaten von 1.800 Mark im Jahr auf 2.400 Mark (BZ vom 20. Januar und 28. Februar) – dabei blieb es bis Jahresende, obwohl die Preise weiter stiegen.