Das Wandergericht

BZ, 31. Dezember 1919

Das Amtsgericht Bergedorf wollte auf Reisen gehen: 1920 sollten in Kirchwärder sechs, in Geesthacht sogar zwölf Gerichtstage abgehalten werden. Laut BZ war dies auch vor dem Krieg der Fall gewesen, und der Bürgerschaftsabgeordnete Käckenhoff aus Geesthacht hatte sich die Wiederaufnahme dieser Praxis zum Anliegen gemacht, einen entsprechenden Bürgerschaftsantrag gestellt und Verhandlungen mit dem Vorsitzenden des Amtsgerichts Bergedorf angekündigt (BZ vom 6. Oktober).

Gerichtsverhandlungen „auf dem Lande“ hatte es schon früher gegeben, sogar sehr viel früher, wie Hans Kellinghusen (Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte, Bd. 43 (1956), S. 73-77) schreibt: es gab im Amt Bergedorf sechs Kirchspielsgerichte, die bis zum 16. Jahrhundert unter freiem Himmel auf dem jeweiligen Kirchhof tagten. Aber seit 1621 fanden die Gerichtstage nur noch in Bergedorf statt, in den Gasthöfen „Stadt Hamburg“ bzw. „Stadt Lübeck“ – die Dorfbewohner mussten also lange Wege auf sich nehmen.

Zivilsachen konnten aber (von 1849 bis 1899) vor den „Friedensgerichten“ in den Kirchspielen erledigt werden, nach lübischem Recht bzw. dem Sachsenspiegel, wie Hans Böhrnsen (Lichtwark Nr. 44 (1980), S. 31-36) berichtet.  Mit Einführung des BGB am 1. Januar 1900 entfielen auch diese. (Die Verordnung, die Einrichtung eines Raths- und Friedens-Gerichtes für das Städtchen Bergedorf betreffend kann online angesehen werden.)

In den Fallzahlen für Geesthacht und Kirchwärder spiegelte sich auch die Einwohnerzahl: nach der Dissertation Kellinghusens (Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte, Bd. 13 (1908), S. 181-373, hier S. 289-290) wurde in Geesthacht (wohl im 16. Jahrhundert) nur alle sechs Jahre ein Gerichtstag abgehalten. Für 1920 wurden elf Verhandlungstage in Grundbuch-, Vormundschafts- und Nachlasssachen angesetzt, in Kirchwärder nur sechs – Geesthacht war nun deutlich größer als Kirchwärder. In allen Straf- und anderen Zivilsachen blieb der Gerichts- und damit der Verhandlungsort das Bergedorfer Schloss, bis im Oktober 1927 der Umzug in das neu errichtete Amtsgerichtsgebäude an der Ernst-Mantius-Straße erfolgte.

Vorbehalt: der obige Text wurde nach bestem Wissen und Gewissen, aber von einem Nichtjuristen verfasst. Kellinghusens Dissertation beschränkt sich auf den Zeitraum bis 1620. Die Forschungen zur weiteren Bergedorfer Rechtsgeschichte sind durchaus ausbaufähig.

Bergedorfer Zeitung, 18. Dezember 1919

Auf Wanderschaft ging auch die Heimatsammlung des Bergedorfer Bürgervereins, die 1917 im Stadthaus erstmals ein festes Quartier erhalten hatte, das sie nun aber wieder räumen musste: das neue Finanzamt übernahm die Dachetage des Stadthauses.

 

Dieser Beitrag wurde unter Bergedorf 1919 veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert