Bergedorfs Magistrat rechnete nicht damit, dass es für den Winter ausreichend Kohle, Briketts oder Koks geben würde: er wollte die Bevölkerung stattdessen mit dem traditionellen Primärenergieträger Torf versorgen. Eine Million Soden mit einem achtzigprozentigem Brennstoffanteil sollten „bei günstiger Witterung“ aus dem Horster Moor (nordöstlich der Brookwetterung in Altengamme) gewonnen werden, was nur durch Torfstech-Maschinen und Zweischichtbetrieb zu erreichen war.
„Brenntorf“ war auch in den Vorjahren immer wieder per Annonce angeboten worden: nicht nur von einem Tischler, der in der Nähe des Moors am Horster Damm wohnte (Anzeige in der BZ vom 19. Mai 1918) und vielleicht selbst abbaute, sondern auch von mehreren Kohlenhändlern, z.B. der Firma Lohmeyer aus Bergedorf (u.a. BZ vom 2. Juli 1918), die ihren Torf u.a. aus Bremervörde bezogen. Die Zahl der Anzeigen stieg 1919 erheblich und wohl auch die Mengen, die von auswärts herangeschafft wurden: der Torfabbau hatte Hochkonjunktur.
Die Bergedorfer waren aber reichlich spät dran mit ihrem Torfabbau, der ja in einem regendurchtränkten Moor so gut wie unmöglich ist. Auch taugt nasser Torf nicht als Brennstoff, und da Torf viel Wasser speichert, musste er erst vor Ort gelagert werden, bis er „nur einigermaßen trocken“ war; erst dann konnte er abgegeben werden. Auch die weitere Trocknung wird Wochen, wenn nicht Monate, gedauert haben: nicht umsonst lieferten die Händler ihre Ware meist schon im Juni oder Juli aus.
Bergedorf begann mit dem Verkauf in der zweiten Septemberhälfte: nach und nach konnten die Inhaber von Bergedorfer Feuerungskarten 0,5 cbm zum Selbstkostenpreis für 25 Mark erwerben. Das war allerdings der Abholpreis, denn den Transport in die Stadt musste jeder selbst übernehmen (BZ vom 10. und 13. September 1919), was sicher ein Problem war: das hier abgebildete knochentrockene Torfbrikett hat bei einem Volumen von ca. 1,25 Liter ein Gewicht von 488 g – die „Ration“ wird also weit mehr als 200 kg gewogen haben, und die mussten mehrere Kilometer weit bewegt werden: alle Arten von Karren werden in jenen Wochen hochbegehrt gewesen sein.
Insgesamt waren 500 Kubikmeter gewonnen worden – wie sich herausstellen sollte, bei weitem nicht genug. Für 1920 plante der Magistrat einen früheren Beginn der Arbeiten und hoffte auf den zehnfachen Ertrag (BZ vom 3. Oktober 1919).
Übrigens: nicht nur das Horster Moor hatte unter einem solchen Eingriff zu leiden. Für die Torfgewinnung im Geesthachter Moor hatte die dortige Gemeinde schon 1918 Arbeitskräfte gesucht (BZ vom 6. Mai 1918), und ein Foto von 1930 in der Broschüre Bodenlehrpfad Boberg (S. 40) zeigt, dass auch im Boberger Weidemoor Torf gestochen wurde, was auch schon vorher der Fall gewesen sein dürfte.