Es war wieder einmal nicht so sehr schnell gegangen in Bergedorf, doch nun sollte es losgehen: die Goldankaufstelle sollte am 1. September eröffnen, und mit dieser Anzeige warb eine Reihe Bergedorfer Honoratioren und Honoratiorinnen dafür, das im Privatbesitz befindliche Gold an das Vaterland zu verkaufen, denn das Reich brauchte dringend Edelmetall: der Goldbestand der Reichsbank war im Juli auf 2,5 Milliarden Mark geschrumpft, und offiziell wurde gesagt, dass die abzugebenden Goldmünzen (600 Millionen Mark waren noch im Umlauf) und Schmuckbestände (geschätzt 2 Milliarden Mark) „für den Friedensschluß und die dann eintretenden vielfachen Anforderungen“ benötigt würden (siehe BZ vom 25. Juli 1916) – tatsächlich wurde das Gold aber zur Kriegsfinanzierung gebraucht, und insofern war die Formulierung der Anzeige, dass man seinen Schmuck dem Vaterlande „opfern“ möge, durchaus zutreffend: ausgezahlt wurden die Einlieferer nämlich in Papiergeld, das immer schneller an Wert verlor.
Man konnte aber für eine Zuzahlung von 2,50 Mark eine eiserne Denkmünze oder Uhr- bzw. Damenkette erwerben (siehe BZ vom 9. Oktober 1916) – und wenn man diese sichtbar trug, wussten alle, dass man seiner patriotischen Pflicht (zumindest partiell) nachgekommen war. Eine entsprechende Aktion hatte es auch gut hundert Jahre vorher in den Befreiungskriegen gegeben, und
im Zweiten Weltkrieg folgte die nächste, wie bei Wikipedia unter Gold gab ich für Eisen nachzulesen ist.
Der Ausschuss, der es als Pflicht jedes Deutschen ansah, sich zu beteiligen, war relativ klein, aber gut besetzt: der Bürgermeister und einer seiner Ratmänner, Erna Martens, die Leiterin der Luisenschule, Frau Dr. Thomsen, Vorsitzende des Bergedorfer Frauenvereins, J. Werner Nath, Vorsteher der Depositenkasse der Deutschen Bank in Bergedorf, und der Geheime Sanitätsrat Dr. med. Hermann Tiedemann (siehe Bergedorfer Adressbuch 1915), alle wohnhaft in den besseren Gegenden der Stadt.
Präzises über den Erfolg der Aktion war der BZ nicht zu entnehmen. Zwar gab es eine Meldung zu den Vergütungssätzen, die je nach Goldgehalt in sieben Stufen bemessen waren: sie lagen zwischen 75 Pfg je Gramm achtkarätiges Gold und 2,70 Mark je Gramm Feingold, wobei die Vergütung des Einlieferers erst nach Ermittlung des Goldgehalts erfolgte (siehe BZ vom 19. Oktober 1916). Auch erfährt man, dass bis zum Ende der Aktion (in Bergedorf am 6. Oktober) 2.600 Gegenstände abgegeben worden waren (siehe BZ vom 7. Oktober 1916), aber weitere Angaben sucht man vergebens.
Zu einigen der benachbarten Gemeinden, die auch ihre Sammelstellen hatten, findet man andere Zahlen: für Schwarzenbek wurden 860,10 M für 565 Gramm und für Aumühle 1510,15 Mark für 852 Gramm genannt. In Sande, wo Rektor Brüdt die Sammelstelle betrieb, kamen 760 Mark zusammen. Dort wurden Ende November 37 Gedenkblätter, 22 Denkmünzen und 10 eiserne Herrenuhrketten ausgegeben (die Damenketten sollten folgen), und die Aktion wurde auch 1917 weitergeführt (siehe BZ vom 19. Oktober, 30. November, 5. und 28. Dezember 1916). Im ländlich-beschaulichen Ochsenwärder sollte sie sogar erst 1917 beginnen, siehe BZ vom 12. Februar 1917.