Doping für die Schweine?

BZ, 29. Oktober 1921

Keine Angst: es ging nicht um Anabolika und dergleichen, sondern um eine Futterbeigabe, die auch heute nicht in einer Doping-Liste erscheinen würden: Futterkalk.

Es macht die Sau nicht unbedingt fett, aber es hilft ihr bei Wachstum und Mästung, wenn sie ausgewogen ernährt wird. Eine der häufigen Mangelerscheinungen wollte Josef Heller mit seinem Futterkalk beseitigen, und geht man nach dem Bildchen, war das Schwein ganz versessen auf dieses Beifutter.

BZ, 11. Oktober 1922

BZ, 12. November 1922

Ein anderes Schwein leckte sich die Schnauze nach einer wohl ähnlichen Flüssigkeit, ein weiteres betätigte sich als Fahnenträger für das von ihm bzw. seinem Halter bevorzugte Produkt. Beide Produkte – wie auch andere, für die in der BZ geworben wurde – sollten Knochenweiche verhindern bzw. bekämpfen. Doch dauernde Überdosen Kalk fördern nicht die Knochenbildung, sondern beeinträchtigen sie, sofern nicht ausreichend verwertbarer Phosphor vorhanden ist, wie es in einem aktuellen Leitfaden Schweinehaltung heißt. Immerhin: zwei  Anbieter nannten „phosphorsauren Futterkalk“ als Bestandteil ihrer Mischung („Fresau“, z.B. BZ vom 4. August und „Brockmann’s Zwerg-Marke“, z.B. BZ vom 23. September 1922), und ähnlich wird es bei den anderen gewesen sein.

Dankenswerterweise inserierte der „Sowa“-Hersteller mit Preisen; je nach Gebindegröße kostete seine Futterbeigabe zwischen 1,75 und 16,50 Mark (BZ vom 12. Dezember 1920). Zwar wurde die Menge nicht genannt, doch offenkundig zielte er nicht auf professionelle Landwirte, sondern auf Menschen, die sich ein oder zwei Schweine zur Aufbesserung des Speisezettels hielten und nur kleine Mengen benötigten. Ein Jahr später war der Preis auf 3,- bis 28,- Mark gestiegen (BZ vom 24. Dezember 1921), doch dann schlug die Inflation richtig zu: im Oktober 1922 verlangte er 25,- bis 225,- Mark. Seine weiteren Anzeigen erschienen ohne Preisangabe …

Übrigens: der angeführte Leitfaden Schweinehaltung (S. 72) empfiehlt heute Monocalciumphosphat und mikrobielle Phytase (zur besseren Phosphorverwertung) als Zusatzstoffe, weist aber darauf hin, dass in ökologisch wirtschaftenden Betrieben der Zusatz von Phytase nicht zulässig ist. Also doch Doping?

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Von Fischen, Steinen und einer Elbkarte

Vordestein am Kirchwerder Elbdeich

Auf Hamburger Gebiet ist er wohl der letzte seiner Art: ein Vordestein, der die Grenze zwischen zwei Fischereirevieren in der Elbe markiert. Er steht am Kirchwerder Elbdeich, nahe der Deichkrone bei Haus Nr. 120, auf der Lüttenburg. Auf dem gegenüberliegenden Elbufer stehen noch zwei: in Stöckte am Beginn der Straße Am Stöckter Hafen und in Fliegenberg am Kreuzdeich. Die Steine signalisieren, dass die Fischereirechte vor Kirchwerder besonders verwickelt waren – weiter elbauf- wie -abwärts kam man auf Seiten Hamburgs wohl ohne derartige Zeichen aus.

Für die Winsener Elbseite ist belegt, dass die Steine 1775 gefertigt wurden (Otto Puffahrt, S. 283), und vermutlich wurden die Steine auf Hamburger Seite zur selben Zeit gesetzt, denn im sogenannten Winsener Vergleich von 1756 hatten die Städte Hamburg und Lübeck sich mit dem Herzogtum Braunschweig-Lüneburg über die sieben Fischerei-Vorden vor Kirchwerder verständigt. Die Grenzen und ihre Markierungen sind auch in einer Karte von 1780 verzeichnet, die sich im Archiv des Museums für Bergedorf und die Vierlande befindet.

Ausschnitt der „CHARTE des Elb-Strohms, nämlich vom Zollenspeicher an bis Hamburg … die sogenannten sieben Fischer-Vohrden, deren Nahmen und Merkmale mit roth punktierten Linien … richtig angegeben …“ des Capitaines und Elb-Conducteurs Baxmann von 1784 (Original im Archiv des Museums für Bergedorf und die Vierlande, Fotografie Dr. Christel Oldenburg)

 

 

Fischfang wurde auf der Elbe natürlich auch vorher schon betrieben: die ältesten erhaltenen Urkunden der Herzöge von Sachsen-Lauenburg (Bergedorf-Möllner Linie) gewährten Fischern von Kirchwerder-Warwisch Fangrechte (1347), und 1362 erwarben elf Bewohner Altengammes „auf ewig“ vom Herzog das Fischereirecht; eine Urkunde von 1377 nennt den „Guldenvord“ (online Heinrich Reincke, S. 80): erst kamen also die Vorden, Jahrhunderte später die Steine. Doch weder die Grenzziehungen noch die Steinsetzungen konnten Auseinandersetzungen unter den Fischern und zwischen ihren Obrigkeiten verhindern – es gab schließlich Edelfische wie Lachs und Stör in der Elbe: im Rekordjahr 1775 zogen die Vierländer Fischer große Lachse im Gesamtgewicht von 14.000 Pfund aus dem Fluss, wie dem über Jahrhunderte geführten Bergedorfer Lachsregister zu entnehmen ist (Reincke, S. 74, siehe auch online Ernst Finder, Die Vierlande, Bd. 1, S. 181ff.).

Reincke schrieb in seinem vor bald neunzig Jahren publizierten Aufsatz, dass sich hier „Rechtszustände und Einrichtungen merkwürdigster Art länger als ein halbes Jahrtausend gehalten“ haben, und obwohl (oder weil?) der Fischfang in der Elbe immer weniger ertragreich wurde, wurden die Streitigkeiten bis in das 20. Jahrhundert fortgeführt, wie andeutungsweise dem Beitrag Die Plünderung der Oberelbe zu entnehmen. 1933 urteilte das Landgericht Hamburg, dass „seit unvordenklichen Zeiten“ im Hoopter- oder Kirchenvord die Hoopter Fischer auch im hamburgischen Wasser ihre Netze auswerfen durften (Eine ausführliche Schilderung der Historie findet man in einem Artikel des Bergedorfer Rechtsanwalts W. Kellinghusen in der (online) Bergedorfer Zeitung vom 15. Juli 1933, S. 9-10.) – über Jahrhunderte hatten die Hoopter dort auf ganzer Elbbreite das alleinige Fangrecht gehabt, die Fischer der Kirchwerder Seite konnten nur in der „kleinen Elbe“ direkt vor dem Deich tätig werden, die in dem Kartenausschnitt oben zu sehen ist.

Es war dies nicht der letzte große Fischereiprozess: die Nachfolger der 1362 privilegierten Altengammer Fischer führten Klage gegen die Freie und Hansestadt Hamburg, weil der Bau der Schleuse und der Staustufe bei Geesthacht die Fischerei beeinträchtigte, und unter Berufung auf die mittelalterliche Urkunde erhielten sie gerichtlich eine Schadenersatzzahlung zugesprochen – das Recht gilt fort, und wer vor Altengamme in der Elbe angeln will, muss eine Angelkarte erwerben, die der Kasse der seit Ende des 19. Jahrhunderts bestehenden Fischereigenossenschaft Altengamme zugutekommt (Hierzu auch (online) Harald Richert, S. 169-171).

Für vielfältige Hilfe, Auskünfte und Unterstützung bei der Recherche bedanke ich mich bei Dr. Christel Oldenburg (ehemals Museum für Bergedorf und die Vierlande), bei Ilona Johannsen, Heinz Heinecke und Dr. J. Klahn vom Museum im Marstall Winsen bzw. vom Trägerverein des Museums, bei Dr. Caroline Bergen und Christine Eberlein vom Kultur- und Geschichtskontor Bergedorf, bei Hans-Jürgen Herr vom Fährhaus Altengamme und bei Simone Vollstädt.

 

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Die Steingrotte am Schneckenberg

„Verlo“ in der Steingrotte

„Unten am Schneckenberge an der Wasserseite ist von großen Felsblöcken eine künstliche Grotte hergestellt, die sicherlich jeden Besucher anheimelt und zu einem Besuche einladet.“ So schrieb die BZ am 1. Oktober 1896 über die gerade neugestalteten Grünanlagen rund um das Bergedorfer Schloss.  Links der Grottenmitte steht quasi hochkant ein großer Findling (ca. 1,5 Meter hoch), dessen oberes Ende auf dem Foto im herabhängenden Blattwerk verschwindet. Um diesen mit Bohrlöchern (unbekannten Datums) versehenen Stein ranken sich Geschichten, Legenden, kleinere Findlinge und Fragezeichen.

Als der als „Verlo“ bezeichnete Stein im Frühjahr 1896 von Wentorfer Gebiet aus (mit Genehmigung der Bismarckischen Oberförsters Lange) „nach Bergedorf behufs Verwendung bei den Parkanlagen des Schlosses“ gebracht wurde, war den Transportbeteiligten die Bedeutung des Steins nicht bekannt, der bei der Bergung zudem in mehrere Stücke zerbrochen war.

So zitierte Hans Kellinghusen in seinem Aufsatz aus dem Jahre 1969 (Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte Bd. 55 (1969), S. 1-6) einen offiziellen Bericht, auch die Auskunft des Bauinspektors Wulff, dass man den „erratischen Felsblock“ von „dem nördlich von der Bergedorfer Grenze belegenen Teil des auf dem Wege nach Börnsen liegenden Gehölzes ‚Sandwiesen‘“ genommen habe. Kellinghusen aber kam nach gründlicher Analyse einer die Grenzen Wentorfs beschreibenden Urkunde von 1290 zu dem Schluss, dass der Stein vor seiner Translozierung an der Schulenbrooksbek an einer „sumpfigen Stelle unterhalb des Krankenhauses Bethesda“ gelegen haben muss und es sich um den in der Urkunde genannten Grenzstein „Verlo“ handelte – die Tatbeteiligten von 1896 mussten sich also in der Ortsangabe geirrt haben.

Gerd Hoffmann und Helmuth Schlingemann verorten „Verlo“ wiederum in den Sandwiesen: folgt man ihnen auf dem Natur- und Geschichtspfad Bergedorf-Börnsen von 2007 (mit Kartenausschnitt), so wurde der Stein an der mit Nummer 15 bezeichneten Stelle entnommen. Für diese Verortung spricht auch ein Leserbrief in der BZ vom 26. November 1897, in der ein nur mit „s.“ bezeichneter Leser das Verschwinden des Steins von seinem dort belegenen (prä)historischen Platz beklagte: dort war „eine heilige Stätte des Alterthums, denn Verlo war eine Gottheit unserer heidnischen Vorfahren“, was in einem weiteren Leserbrief von Wilhelm Andresen bestätigt (BZ vom 30. November 1897),  von Hoffmann/Schlingemann wieder aufgegriffen wurde und sich heute auch auf der kleinen Texttafel vor der Schlossparkgrotte wiederfindet. Kellinghusen wiederum bezeichnete die Opferstätten-These (Andresen: „heidnischer Opferstein der alten Germanen“) als „Spekulation“, mit der er sich nicht weiter beschäftigen wollte. Dieser abweisenden Einschätzung Kellinghusens kann man problemlos folgen – in der Standortfrage lag er wohl daneben.

Man kann heute auf der Bank vor der Grotte meditieren (oder spekulieren), woher „Verlo“ kam und welche Funktion(en) er einst hatte, ob die ihn umgebenden Steine ausgegrabene Funde aus dem „nordwestlichen Theile des Gartens“ (BZ vom 24. Februar 1896) sind, wenn sie nicht zu den Fundamentsteinen des alten Schlossturms, des Zwingers, (dazu Olaf Matthes) gehört haben. Die „Verlo“ umgebenden Findlinge sind jedenfalls laut Victoria Overlack (Neuer Schlosskalender Nr. 5 (2006), S. 16), aufgrund ihrer abweichenden Textur nicht als seine Bruchstücke anzusehen. Das wirft natürlich die Frage auf, wo diese Bruchstücke gelandet sind …

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Beziehungskisten in Kleinanzeigen

BZ, 28. 11. 1891

Schefes Salon war keine Kaschemme, sondern ein beliebtes Lokal für Tanz- und andere Veranstaltungen, in dem sogar der Bergedorfer Bürgerverein Versammlungen abhielt. Dass es beim Tanze nicht immer konfliktfrei zuging, belegt die Anzeige, mit der hier jemand seine Verlobung auflöste.

Verlobungen, also förmliche Eheversprechen, wurden oft per Kleinanzeige bekanntgemacht – in den Monaten September bis November 1921 schwankte die Zahl zwischen 29 und 40, und allein am 24. Dezember 1921 annoncierten 38 Paare die eingegangene Bindung. Ob dann wirklich in allen diesen Fällen die Eheschließung folgte, wäre nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand festzustellen.

BZ, 21. Dezember 1921

BZ, 15. Dezember 1921

Aber es gab Anzeigen, die eine Verlobung auflösten – in den letzten vier Monaten 1921 waren es vier, die das alle sehr viel schlichter  bekanntmachten, aber im Gegensatz zu dem Fall von 1891 mit voller Namensnennung. Manchmal gab es auch Streit, welcher der beiden Partner die Verlobung kündigte, und auch das fand man im Annoncenteil wieder.

Überhaupt war die Bergedorfer Zeitung ein gern genutztes Medium für Beziehungskisten. Der hier wiedergegebene Dialog per Kleinanzeige dürfte nicht zu einer dauerhaften Beziehung geführt haben: „F.“ traf offenbar nicht den richtigen Ton, sodass „Dora“ die Kommunikation abbrach. Aber vielleicht ging die Neckerei ja in anderer Form weiter.

BZ, 24. Dezember 1921

BZ, 28. Dezember 1921

Unschön waren die inserierten Ehekrisen: der Ehemann, in der Regel der einzige Einkommensbezieher der Familie, nutzte sein Bestimmungsrecht über Ehefrau und Finanzen, um die Frau unter Druck zu setzen – die Replik der Frau entsprach immer demselben Muster.

Eine Alleinstellung nimmt dabei ein Kleinanzeigen-Dialog von 1888 ein:

Damit war für Johann Albers die Ehewelt wieder in Ordnung, und seine Elsche war öffentlich erniedrigt.

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Von Stein zu Stein im Schlosspark

kannelierter Geländerträger mit Inschrift

Er ist nicht der größte Stein in dem Park, der das Bergedorfer Schloss umgibt, aber bestimmt ein rätselhafter: aufwändig gearbeitet, mit einer Inschrift und einer Jahresangabe versehen – doch warum steht er dort als Träger für das Geländer vor dem Schlossgraben? Wo stand er ursprünglich? Für welchen Zweck wurde er gearbeitet, in wessen Auftrag? All dies ist offen – in Hans-Walter Hedingers Kurzinventar der historischen Hamburger Grenzsteine ist er als Nr. 224 verzeichnet, mit dem Zusatz „Funktion und ursprüngl. Standort vorerst unbekannt“ (S. 29), und das „vorerst unbekannt“ gilt auch noch fünfzig Jahre später. In der offiziellen Denkmalliste Bergedorf ist er übrigens nicht explizit aufgeführt – vielleicht liegt das an der nebulösen Herkunft des Steins. Geschützt ist er jedenfalls, als Teil des Ensembles aus Bergedorfer Schloss, Schlossgraben und Schlossgarten – die zwei steinernen Kriegerskulpturen aus dem 18. Jahrhundert im Innenhof des Schlosses, die den Museumseingang flankieren, sind hingegen in dieser Liste separat ausgewiesen.

Wahrscheinlich kam dieser St.-Georg-Stein Ende des 19. Jahrhunderts an seinen heutigen Platz, denn beim neogotischen Umbau des Schlosses wurde auch die Umgebung des Gebäudes nach dem Geschmack der Zeit neu gestaltet – da passte so ein Stein.

Geht man weiter auf diesem Weg Richtung Eingangstor des Schlosses, so stößt man auf eine Skulptur neueren Datums: eine Löwin von Richard Schneller, und im weiteren Park auf das verpflanzte Bismarck-Denkmal, einen Gedenkstein für (Turnvater) Friedrich Ludwig Jahn und einen für Johannes Brahms von 2008 – nähere Angaben zu all diesen und weiteren Skulpturen im Raum Bergedorf findet man auf einer Internetseite von Jan Petersen. Nicht unerwähnt bleiben soll auch der Abguss des Grab- bzw. Gedenksteins für Dietrich Schreyge aus dem Jahr 1420, der aktuell im Innenhof des Schlosses steht und über den in Ludwig Uphoffs Bergedorf (S. 56-59) und einem neueren Aufsatz Bardo Metzgers im Neuen Schlosskalender Nr. 7 (S. 5-10) Genaueres zu erfahren ist. Der Stein Verlo soll in einem weiteren Beitrag behandelt werden.

Nicht aus Stein, sondern aus Bronze ist ein Kunstwerk, das sich irgendwie an den Bergedorfer Schlossgraben verirrt hat. „Albis“ („Elbe“) von Götz Loepelmann wird von einer nichts erklärenden kleinen Tafel begleitet: „Plastik war ursprünglich für Elbe-Standort vorgesehen. … Freie und Hansestadt Hamburg“.

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Der Kampf um die sparsamen Küchenherde

Bergedorfer Zeitung, 4. April 1921

Energiesparen war vor einem Jahrhundert ein großes Thema, vor allem wegen der Energiepreise. Entsprechend gut besucht war der Vortrag eines Vertreters einer Charlottenburger Firma, wie die BZ am 6. April 1921 berichtete. Der Apparat „Küchenschatz“ oder „Kleine Hexe“ sollte demnach Frage 3 beantworten: mit „aufeinanderzustellenden Töpfen“ sollte man Fleisch schmoren, Kartoffeln und Gemüse oder Suppe kochen können – gleichzeitig, auf nur einer Flamme! Ob das wirklich funktionierte, lässt sich hier mangels geeigneter Töpfe nicht erkochen, aber Bergedorfs Ortskohlenstelle zeigte sich beeindruckt und empfahl per Anzeige den Besuch der Vorführungen, da die gezeigten Geräte „tatsächlich eine nennenswerte Ersparnis in den so kostbaren Brennstoffen“ gestatteten (BZ vom 6. April 1921).

Bergedorfer Zeitung, 5. Dezember 1921

„Sparsamsten Verbrauch“ versprach auch eine Firma aus Liebertwolkwitz bei Leipzig für ihren Grudeherd; der Bergedorfer Kohlenhändler Carl Harden versprach „sparsamstes Brennen“ für die von ihm vertriebenen „Sparkocher“ mit gusseisernem Rost, schmalen Stäben und schmalen Zwischenräumen, die mit Briketts zu befeuern waren (BZ vom 21. Januar 1921).

Bergedorfer Zeitung, 6. August 1913

 

 

Das Bergedorfer Gaswerk hielt dagegen: Gas sei „wirtschaftlicher als jedes andere Feuerungsmittel“. Die Gasapparate, Kocher in jeder Größe, Badeöfen, Heizöfen und Lampen konnte man 1921 in zwölf monatlichen Teilzahlungen abstottern (BZ vom 25. Mai 1921). Die hier gezeigte Annonce aus der Vorkriegszeit veranschaulicht einige der Vorteile der Verwendung von Gas gegenüber Grude, Holz, Torf, Braun- und Steinkohle, doch vielen potentiellen Kunden werden noch die Gassperren der Kriegszeit in schlechter Erinnerung gewesen sein.

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Der Kaiser im Küchengarten

Bergedorfer Zeitung, 27. März 1888

Innerstädtischen Gemüsebau wollten Bergedorfs Stadtväter nicht betreiben, als sie für 3.000 Mark den Schlossküchengarten erwarben – sie hatten andere Pläne: dort sollten „Anlagen“ geschaffen werden, ein gestifteter Springbrunnen sollte den Bereich verschönern, der Verschönerungsverein (Vorsitzender: Bürgermeister Dr. Mantius) wollte „Schmucksachen und Zierath“ finanzieren, also Rasenflächen, Blumenrabatte und sogar eine Steingrotte (BZ vom 24. April 1888), die Gaswerke wollten per geschenkten Kandelabern (BZ vom 2. Juni 1888) die Beleuchtung ermöglichen.

 

Bergedorfer Zeitung, 14. Juni 1888

Für eine solche, gärtnerisch gestaltete Fläche passte der profane Name natürlich nicht mehr, und die Umbenennung lag für Bergedorfs Bürgertum auf der Hand: Kaiser Wilhelm I. war einige Wochen zuvor gestorben, nach ihm wurde der Platz benannt; auch sollte ihm dort ein Denkmal gesetzt werden.

Die erste Maßnahme der Bergedorfer war aber die Beseitigung der „Brettereinfriedigung, welche den sogen. Schloß-Küchengarten umgab, welche mit ihrem Teeranstrich einen keineswegs freundlichen Anblick gewährte“ (BZ vom 3. Mai 1888). Nun war der Platz also einsehbar, und die weiteren Arbeiten schritten schnell voran. Am 17. Juni sollte die offizielle Einweihung feierlich begangen werden – doch der Tod des 99-Tage-Kaisers Friedrich erzwang eine Verschiebung (BZ vom 16., 19. und 26. Juni 1888).

Das Ableben des zweiten deutschen Kaisers hatte Auswirkungen auf die Denkmalfrage: sollte auch ihm ein Denkmal gesetzt werden? Der Bergedorfer Bürgerverein war vehement dafür (BZ vom 23. Oktober 1888), der Verschönerungsverein lehnte ein Doppeldenkmal ab, weil er befürchtete, dass die einzuwerbenden Spenden dafür nicht ausreichen würden (BZ vom 13. November 1888). Schließlich machte sich der Verschönerungsverein allein an die Sammlung, die knapp 5.120,15 Mark erbrachte (BZ vom 28. März 1889, 30. April 1889, 30. Oktober und 16. Dezember 1890 sowie 5. April 1892) – das reichte nicht für ein Standbild, sondern nur für eine Büste auf steinernem Sockel, die am 22. März 1991 feierlich enthüllt wurde. Bei schönem Wetter, vor geladenen Gästen bzw. Spendern auf Sitzplätzen, den Militärvereinen und weiteren Besuchern auf dem Schlosswall nahm der Festakt seinen Verlauf: „Rathmann Meyer [bestieg] die Tribüne, um Namens der Stadt das Denkmal zu übernehmen und allen Denen zu danken, die an dem Zustandekommen des Denkmals mitgewirkt haben.“ (BZ vom 24. März 1891) – Darauf wird in einem weiteren Beitrag im zweiten Halbjahr 1922 zurückzukommen sein.

Die Bronze-Büste ist ein Werk des Bildhauers Reinhold Begas, wie Jan Petersen auf seiner Internetseite sh-kunst.de schreibt, die zahlreiche Skulpturen (auch) in Bergedorf mit Foto und Text vorstellt. Petersen hat auch weitere Güsse dieser Büste ausfindig gemacht, die in verschiedenen Städten aufgestellt wurden. Für ein Unikat hatten die Bergedorfer also nicht genug Geld zusammenbekommen.

Kaiser-Wilhelm-Denkmal (links hinten) mit Sievers-Brunnen (flüchtig kolorierte Ansichtskarte)

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Spuren der Hamburger Marschbahn

Altengamme-Borghorst, östlich Horster Damm

Auch wenn es nicht so aussieht: dieses Bauwerk aus Beton war einmal ein Tunnel. Er gestattete den Gärtnern am östlichen Ende des Altengammer Elbdeichs die Unterquerung des Damms, auf dem die Hamburger Marschbahn verkehrte. Man sieht: der Bahndamm ist heute vollständig abgetragen, die Bahn verkehrt nicht mehr (seit nunmehr siebzig Jahren), aber ihre Spuren sind noch sichtbar – weiter östlich als bis zum Tunnel aber nicht, obwohl die Strecke einmal bis Geesthacht führte.

Vom Horster Damm aus Richtung Westen blieb der Bahndamm aber erhalten, und große Teile der Strecke sind heute ein beliebter Radweg für gemütliche Touren durch das Landgebiet.

1920 hatte die Kleinbahn auf der Teilstrecke von Geesthacht bis Fünfhausen den Betrieb aufgenommen (siehe die Beiträge Die nicht gefeierte Eröffnung und Der Beginn des Personenverkehrs), und um diesen Streckenabschnitt soll es hier gehen.

Bahnhofsgebäude Borghorst

Die meisten Bahnhöfe an der Strecke sind erhalten und dienen meist Wohnzwecken; einige stehen unter Denkmalschutz (wie der hier gezeigte Bahnhof Borghorst in Altengamme), einige wurden umgebaut, viele tragen noch den Stationsnamen an der Fassade. Die größten Veränderungen hat der Bahnhof Fünfhausen erfahren – das dort aufgestellte Eisenbahnsignal ist eine Errungenschaft aus der Zeit nach der Streckenstilllegung. An vielen Haltepunkten sind übrigens auch noch die gut erhaltenen gemauerten Bahnsteigkanten zu sehen.

Altengamme

Weniger auffällig sind die letzten verbliebenen Zaunpfähle aus Eisenbeton – die Zäune sollten verhindern, dass das Vieh von den benachbarten Weiden den streckenweise kaum erhöhten Bahndamm betrat und damit sich und den Bahnverkehr gefährdete. Da die Zaunpfähle über weite Abschnitte von gleicher Art sind bzw. waren, werden sie vermutlich im Auftrag der BGE im Zuge des Bahnbaus gesetzt worden sein. Ob das eine oder andere eiserne Weidegatter ebenfalls „original“ ist, kann nicht gesagt werden. Eigentlich wäre das alles denkmalwürdig.

 

„Güterbahnhof“ Neuengamme

An einigen Stationen sind auch noch gut die alten gepflasterten Ladestraßen zu erkennen, so z.B. am Bahnhof Neuengamme-Elbdeich. Der danebenliegende Lagerschuppen scheint auch älteren Datums zu sein; ob er im Zusammenhang mit dem geplanten „Güterbahnhof am Elbdeich“ (BZ vom 17. Juni 1920) errichtet wurde, ist unbekannt.

Ob die Ladestraße am Bahnhof Teufelsort nach Fertigstellung der benachbarten Schule noch existieren wird, ist fraglich: gegenwärtig ist sie durch die Baustelleneinrichtung überdeckt.

Bahndamm zwischen Teufelsort und Gleisdreieck

Auf großen Teilen der Strecke ist die Krone des Bahndamms im Zuge der Umwidmung zum Radwanderweg asphaltiert worden und auch für den Anliegerverkehr per Auto nutzbar – andere Bereiche wiederum verfügen über zwei betonierte Streifen, die an die früheren Bahngleise erinnern, doch droht diesen das Aus durch Asphaltierung in voller Bahndammbreite, um eine Fahrradschnellstrecke in die Hamburger Innenstadt zu schaffen.

 

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Bergedorf postalisch 4: Weltstadt für 38 Tage

Bergedorfer Zeitung, 29. Dezember 1887

Bergedorfs (Reichs-)Post hatte Konkurrenz bekommen: wie in manchen Großstädten mit „weltstädtischem Verkehr“ hatte auch hier eine private Briefbeförderungsgesellschaft ihren Betrieb aufgenommen, die mit wahren Dumpingpreisen den örtlichen Postmarkt erobern wollte: bei ihr sollte der Ortsbrief zwei Pfennig kosten – bei der Reichspost waren es laut Wikipedia damals fünf Pfennige. Die BZ gab sich aber skeptisch, da „der Adressat in den meisten Fällen ebenso schnell zu erreichen ist wie der nächste Briefkasten“.

Diesen publizistischen Fehlstart hätte der Unternehmer A. Salvador jr. sicher vermeiden können, wenn er für sein Vorhaben in der BZ Anzeigen geschaltet hätte, aber er informierte Bergedorfs Haushalte durch ein „Zirkular“, also eine Art Flugblatt oder Hauswurfsendung. Das Übergehen der BZ strafte diese eben mit süffisant-mokanter Berichterstattung.

Bergedorfer Zeitung, 31. Dezember 1887

Und die Zeitung konnte noch eins draufsetzen, wie der in diesem Artikel geschilderte Vorfall zeigt: die zugesagte tägliche Leerung war über die Weihnachtstage unterblieben, folglich auch die Zustellung – der Bote hatte die Festtage in Hamburg verbracht (BZ vom 3. Januar 1888).

Die Marken des Herrn Salvador jr. waren übrigens recht groß und aufwändig-künstlerisch gestaltet. Falls allerdings die Dame auf der Zwei-Pfennig-Marke eine Vierländerin in Vierländer Tracht darstellen sollte, ging dies ziemlich an der Realität vorbei und kann nur mit Freiheit der Kunst erklärt werden.

 

 

 

 

 

BZ, 26. Januar 1888

Gegen Ende Januar 1888 gab die Briefbeförderungsgesellschaft auf, sogar mit Anzeige in der BZ. Wie viele Bergedorfer auf wie vielen Briefmarken sitzenblieben, ist unerforscht. Jedenfalls war es nun vorbei mit der Weltstadtherrlichkeit.

Ob Herr Salvador wirklich in einen Briefzustellungswettbewerb mit der Reichpost treten wollte, ist fraglich. Christoph Ozdoba vermutet, dass der Betreiber „eher philatelistisch als postalisch“ unterwegs war, denn von den am 25. Dezember auf den Markt gebrachten fünf Marken (mit Tierbildern, siehe unten) von zwei bis fünfzehn Pfennig stellte er gezähnte wie auch ungezähnte Exemplare her, zudem ca. einhundert verschiedene Probedrucke – so hatten die Sammler etwas zu tun und Herr S. hatte Einnahmen auch ohne Briefaustragen – das erinnert sehr an Monsieur Moens und seine Drucke der „echten“ Bergedorf-Marken, siehe den Beitrag zu den Originalen, Nachdrucken und Fälschungen.

 

 

 

 

 

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Vom größten Kaufhaus zum größten Leerstand

Bergedorfer Zeitung, 18. Dezember 1908, Ausschnitt aus einer Anzeige

Als es gebaut wurde, war es das größte Haus am Platze – und bis zur Ansiedlung von Einkaufszentren Jahrzehnte später blieb es das auch. Heute herrscht Leerstand in der (Nachfolge-)Immobilie – Strukturwandel.

In den Jahren 1905 und 1906 hatte Johann Biebler in Bergedorfs bester Lage sein Warenhaus errichten lassen. Der Bau sollte Aufsehen erregen, und mit seiner großflächig verglasten Jugendstilfassade tat er das auch. Zusammen mit dem Nachbarhaus summierte sich die Verkaufsfläche auf etwa 3.000 Quadratmeter (BZ vom 22. September 1906), und der „Personenfahrstuhl durch alle Etagen“ war vermutlich der erste seiner Art in ganz Bergedorf.

 

Bergedorfer Zeitung, 18. April 1906

Zum Sortiment gehörten „Leinen- und Baumwollwaren, Div. Bedarfs- und Wirtschaftsartikel, Trikotagen, Wäsche, Kurzwaren und Tapisserien, Papier- und Galanteriewaren, Glas, Porzellan, Luxusartikel“ (BZ vom 22. September 1906), Oberbekleidung für alle Altersgruppen beider Geschlechter (auch maßgearbeitet), Kinderwagen; wer wollte, konnte dort – mit Ausnahme von Öfen und Herden –  alles für die Einrichtung seines Hausstands erwerben, wie die (im Original mehr als eine Dreiviertelseite einnehmende) Anzeige zur Eröffnung in Bergedorf zeigt.

Johann Biebler (1847-1922) hatte sein erstes Geschäft für „Manufacturwaren“ 1878 im benachbarten Sande eröffnet, auch dort in der Großen Straße, „nahe beim Bahnhof“. 1905 belegte er die Häuser Nr. 6, 8 und 10 (Eingang nur Nr. 10), verfügte dort über zehn große Schaufenster auf über 40 Meter Straßenfront, wie es in seinen Anzeigen hieß (BZ vom 18. April und 7. November 1905) – die Häuser 8 und 10 (heute Alte Holstenstraße 45 und 47) stehen noch. Neben Sande hatte er ein weiteres Geschäft an der Lauenburger Chaussee in Schwarzenbek (BZ vom 20. Mai 1905).

Schließlich wurden die Standorte Sande und Schwarzenbek aufgegeben, in Bergedorf wurde 1950 das Kaufhaus von der Firma Hertie übernommen, mehrfach umgebaut und erweitert. Als der Biebler-Bau im Jahre 1958 abbrannte, war die Jugendstilfassade längst dem Zeitgeschmack gewichen, der Neubau erhielt eine „moderne“ Fassade. 1996 übernahm der Karstadt-Konzern, der mit seiner „Kepa“-Filiale am Markt bereits in Bergedorf vertreten war. Ende 2020 war Ende: beide Häuser wurden geschlossen. Zukunft ungewiss, Leerstand vorläufig gesichert.

Zur Entwicklung des Einzelhandels siehe Bardo Metzgers Buch über Handel und Wandel im Sachsentor. Auf seine Ausführungen zum Kaufhaus Biebler (S. 106-114) wurde hier mehrfach Bezug genommen.

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