Die Steingrotte am Schneckenberg

„Verlo“ in der Steingrotte

„Unten am Schneckenberge an der Wasserseite ist von großen Felsblöcken eine künstliche Grotte hergestellt, die sicherlich jeden Besucher anheimelt und zu einem Besuche einladet.“ So schrieb die BZ am 1. Oktober 1896 über die gerade neugestalteten Grünanlagen rund um das Bergedorfer Schloss.  Links der Grottenmitte steht quasi hochkant ein großer Findling (ca. 1,5 Meter hoch), dessen oberes Ende auf dem Foto im herabhängenden Blattwerk verschwindet. Um diesen mit Bohrlöchern (unbekannten Datums) versehenen Stein ranken sich Geschichten, Legenden, kleinere Findlinge und Fragezeichen.

Als der als „Verlo“ bezeichnete Stein im Frühjahr 1896 von Wentorfer Gebiet aus (mit Genehmigung der Bismarckischen Oberförsters Lange) „nach Bergedorf behufs Verwendung bei den Parkanlagen des Schlosses“ gebracht wurde, war den Transportbeteiligten die Bedeutung des Steins nicht bekannt, der bei der Bergung zudem in mehrere Stücke zerbrochen war.

So zitierte Hans Kellinghusen in seinem Aufsatz aus dem Jahre 1969 (Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte Bd. 55 (1969), S. 1-6) einen offiziellen Bericht, auch die Auskunft des Bauinspektors Wulff, dass man den „erratischen Felsblock“ von „dem nördlich von der Bergedorfer Grenze belegenen Teil des auf dem Wege nach Börnsen liegenden Gehölzes ‚Sandwiesen‘“ genommen habe. Kellinghusen aber kam nach gründlicher Analyse einer die Grenzen Wentorfs beschreibenden Urkunde von 1290 zu dem Schluss, dass der Stein vor seiner Translozierung an der Schulenbrooksbek an einer „sumpfigen Stelle unterhalb des Krankenhauses Bethesda“ gelegen haben muss und es sich um den in der Urkunde genannten Grenzstein „Verlo“ handelte – die Tatbeteiligten von 1896 mussten sich also in der Ortsangabe geirrt haben.

Gerd Hoffmann und Helmuth Schlingemann verorten „Verlo“ wiederum in den Sandwiesen: folgt man ihnen auf dem Natur- und Geschichtspfad Bergedorf-Börnsen von 2007 (mit Kartenausschnitt), so wurde der Stein an der mit Nummer 15 bezeichneten Stelle entnommen. Für diese Verortung spricht auch ein Leserbrief in der BZ vom 26. November 1897, in der ein nur mit „s.“ bezeichneter Leser das Verschwinden des Steins von seinem dort belegenen (prä)historischen Platz beklagte: dort war „eine heilige Stätte des Alterthums, denn Verlo war eine Gottheit unserer heidnischen Vorfahren“, was in einem weiteren Leserbrief von Wilhelm Andresen bestätigt (BZ vom 30. November 1897),  von Hoffmann/Schlingemann wieder aufgegriffen wurde und sich heute auch auf der kleinen Texttafel vor der Schlossparkgrotte wiederfindet. Kellinghusen wiederum bezeichnete die Opferstätten-These (Andresen: „heidnischer Opferstein der alten Germanen“) als „Spekulation“, mit der er sich nicht weiter beschäftigen wollte. Dieser abweisenden Einschätzung Kellinghusens kann man problemlos folgen – in der Standortfrage lag er wohl daneben.

Man kann heute auf der Bank vor der Grotte meditieren (oder spekulieren), woher „Verlo“ kam und welche Funktion(en) er einst hatte, ob die ihn umgebenden Steine ausgegrabene Funde aus dem „nordwestlichen Theile des Gartens“ (BZ vom 24. Februar 1896) sind, wenn sie nicht zu den Fundamentsteinen des alten Schlossturms, des Zwingers, (dazu Olaf Matthes) gehört haben. Die „Verlo“ umgebenden Findlinge sind jedenfalls laut Victoria Overlack (Neuer Schlosskalender Nr. 5 (2006), S. 16), aufgrund ihrer abweichenden Textur nicht als seine Bruchstücke anzusehen. Das wirft natürlich die Frage auf, wo diese Bruchstücke gelandet sind …

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