Der Kaiser im Küchengarten

Bergedorfer Zeitung, 27. März 1888

Innerstädtischen Gemüsebau wollten Bergedorfs Stadtväter nicht betreiben, als sie für 3.000 Mark den Schlossküchengarten erwarben – sie hatten andere Pläne: dort sollten „Anlagen“ geschaffen werden, ein gestifteter Springbrunnen sollte den Bereich verschönern, der Verschönerungsverein (Vorsitzender: Bürgermeister Dr. Mantius) wollte „Schmucksachen und Zierath“ finanzieren, also Rasenflächen, Blumenrabatte und sogar eine Steingrotte (BZ vom 24. April 1888), die Gaswerke wollten per geschenkten Kandelabern (BZ vom 2. Juni 1888) die Beleuchtung ermöglichen.

 

Bergedorfer Zeitung, 14. Juni 1888

Für eine solche, gärtnerisch gestaltete Fläche passte der profane Name natürlich nicht mehr, und die Umbenennung lag für Bergedorfs Bürgertum auf der Hand: Kaiser Wilhelm I. war einige Wochen zuvor gestorben, nach ihm wurde der Platz benannt; auch sollte ihm dort ein Denkmal gesetzt werden.

Die erste Maßnahme der Bergedorfer war aber die Beseitigung der „Brettereinfriedigung, welche den sogen. Schloß-Küchengarten umgab, welche mit ihrem Teeranstrich einen keineswegs freundlichen Anblick gewährte“ (BZ vom 3. Mai 1888). Nun war der Platz also einsehbar, und die weiteren Arbeiten schritten schnell voran. Am 17. Juni sollte die offizielle Einweihung feierlich begangen werden – doch der Tod des 99-Tage-Kaisers Friedrich erzwang eine Verschiebung (BZ vom 16., 19. und 26. Juni 1888).

Das Ableben des zweiten deutschen Kaisers hatte Auswirkungen auf die Denkmalfrage: sollte auch ihm ein Denkmal gesetzt werden? Der Bergedorfer Bürgerverein war vehement dafür (BZ vom 23. Oktober 1888), der Verschönerungsverein lehnte ein Doppeldenkmal ab, weil er befürchtete, dass die einzuwerbenden Spenden dafür nicht ausreichen würden (BZ vom 13. November 1888). Schließlich machte sich der Verschönerungsverein allein an die Sammlung, die knapp 5.120,15 Mark erbrachte (BZ vom 28. März 1889, 30. April 1889, 30. Oktober und 16. Dezember 1890 sowie 5. April 1892) – das reichte nicht für ein Standbild, sondern nur für eine Büste auf steinernem Sockel, die am 22. März 1991 feierlich enthüllt wurde. Bei schönem Wetter, vor geladenen Gästen bzw. Spendern auf Sitzplätzen, den Militärvereinen und weiteren Besuchern auf dem Schlosswall nahm der Festakt seinen Verlauf: „Rathmann Meyer [bestieg] die Tribüne, um Namens der Stadt das Denkmal zu übernehmen und allen Denen zu danken, die an dem Zustandekommen des Denkmals mitgewirkt haben.“ (BZ vom 24. März 1891) – Darauf wird in einem weiteren Beitrag im zweiten Halbjahr 1922 zurückzukommen sein.

Die Bronze-Büste ist ein Werk des Bildhauers Reinhold Begas, wie Jan Petersen auf seiner Internetseite sh-kunst.de schreibt, die zahlreiche Skulpturen (auch) in Bergedorf mit Foto und Text vorstellt. Petersen hat auch weitere Güsse dieser Büste ausfindig gemacht, die in verschiedenen Städten aufgestellt wurden. Für ein Unikat hatten die Bergedorfer also nicht genug Geld zusammenbekommen.

Kaiser-Wilhelm-Denkmal (links hinten) mit Sievers-Brunnen (flüchtig kolorierte Ansichtskarte)

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