Schon beim ersten Blick auf die Karten stutzt der Bergedorf-kundige Betrachter: wo ist der Turm? Nun, auf der Karte von 1875 fehlte er mit Recht: der alte Zwinger, ein mächtiger Geschützturm, war am 15. November 1816 eingestürzt, und ein neuer Turm wurde erst im Zuge umfassender Bauarbeiten in den Jahren 1897–1899 errichtet. Die Karte von 1904 gibt also einen Stand von vor 1900 wieder.
Hier kann nicht die gesamte Baugeschichte des Schlosses dargestellt werden – diese findet man reich illustriert bei Olaf Matthes 1. Matthes‘ Bewertung, dass sich im 19. Jahrhundert „das Schloss schrittweise zu einem heute weitgehend neogotischen Baukörper entwickelte“ (Ebd., S. 133), wird jeder teilen, der sich dem Schloss vom Norden her nähert:
Der dieses historische Foto dominierende neue Turm ist viel kleiner als sein Vorgänger, der 1512–1514 errichtet worden war und unten eine Mauerstärke von ca. 4,60 m aufwies. Übrigens war der alte Turm nicht viereckig, wie es in der Bergedorf-Chronik heißt – das belegen die 1899 freigelegten Fundamente (Vgl. die Abbildungen bei Matthes, a.a.O., S. 103 und 105).
Die Bauten des Schlosses entstanden über Jahrhunderte und entsprachen dem jeweiligen Zeitgeschmack, der auch bei Reparaturarbeiten wie Umbauten zum Tragen kam, wie die folgenden Abbildungen von 1848, 1879 und 1887 zeigen:
Nicht alle neogotischen Pläne wurden auch realisiert 2, doch der auf dem folgenden Bild dominierende Dachreiter vom Ende des 16. Jahrhunderts wurde 1897–1899 durch einen neogotischen ersetzt:
Schließlich wurde der Dachreiter im Frühjahr 1939 ersatzlos entfernt, weil er nicht in das Bild passte, das der nationalsozialistische Bürgermeister von einer Burg hatte (Vgl. Matthes, a.a.O., S. 132 und 159).
Dass der Innenhof 1960 teilweise de-neogotisiert wurde, kam der Raumwirkung des Hofes und der älteren Bebauung zweifellos zugute.
Im Schloss befindet sich heute das Museum für Bergedorf und die Vierlande, auch der „Verein der Freunde des Museums für Bergedorf und die Vierlande“ und die Bibliothek des „Arbeitskreises Bergedorf der Genealogischen Gesellschaft“ haben dort ihren Sitz. Im Museum ist das 1901 eingerichtete „Landherrenzimmer“ besonders sehenswert:
Quelle: Verein für Fremdenverkehr in Bergedorf (Hg.), Führer durch Bergedorf und Umgegend. Mit einem Stadtplan und einer Karte der Umgegend, 1904, S. 11.
Entspannt essen und trinken kann der Schlossbesucher im Café la note, das von der sehenswerten (Jugendstil-)Innenausstattung des abgerissenen „Kaffee Möller“ an der Alten Holstenstraße geprägt ist 3. Hier wird auch das legendäre „Bergedorf Beer“ vom Fass ausgeschenkt – zu dessen Geschichte siehe Bier für die Welt.
- Olaf Matthes, Zur Baugeschichte des Bergedorfer Schlosses, in: Victoria Overlack (Hg.), Das Bergedorfer Schloss. Een sloten Huß. Entstehung – Funktionen – Baugeschichte, Hamburg 2008, S. 93–163 [↩]
- Vgl. Olaf Matthes / Bardo Metzger, Umgestaltungspläne für den Bergedorfer Schloßhof, in: Freunde des Museums für Bergedorf und die Vierlande e.V. (Hg.), Neuer Schlosskalender, Jg. 4, Hamburg 2005, S. 13–18 und die Abbildungen auf den äußeren Umschlagseiten dort [↩]
- Vgl. Geerd Dahms, Bergedorf. Altes neu entdeckt, 2., überarb. Aufl., Hamburg 2004, S. 35–41. [↩]