Bismarck mit Blumen und Farbe

Bergedorfer Zeitung, 8. Juli 1920

Wer genau hinter der Aktion steckte, ist unbekannt: eine Gruppe Bergedorfer Jugendlicher störte sich am „verwahrlosten Zustand“ des Bismarck-Denkmals am Reinbeker Weg und schritt zur Tat, da die Stadt „kein Geld mehr übrig“ zu haben schien. Mit Geld aus eigenen Sparbüchsen und Spenden kaufte man Pflanzen und legte Blumenbeete beim Denkmal an. Ob es die Jugendlichen selbst waren, die ihre Tat und Einstellung zu Bismarck und zur „ruhmreichen Vergangenheit“ Deutschlands der Zeitung meldeten, ist unbekannt – die BZ brachte die Meldung im redaktionellen Teil und versah den Artikel mit lobender Überschrift, was ihre politische Grundausrichtung durchaus widerspiegelt, aber distanzierte sich vorsichtig, indem sie den Text als Zuschrift kennzeichnete.

Bismarck-Denkmal, Ansichtskarte gestempelt 1923

Die Ansichtskarte zeigt das 1906 eingeweihte Bismarck-Denkmal am ursprünglichen Standort im Kreuzungsbereich Reinbeker Weg – Grasweg – Schulstraße (jetzt Reinbeker Weg, Grasredder, Gräpelweg), eine „wie ein angedeutetes Hünengrab erscheinende steinerne Memorabilie“, wie Andreas von Seggern im Lichtwarkheft Nr. 70 (2005), S. 4, schreibt. Die Fotografie oben zeigt keine Blumenbeete, sondern spärliches pflegeleichtes Dauergrün – heute gibt es weder die einen noch das andere, wie die aktuelle Aufnahme unten zeigt: das den Straßenverkehr störende Denkmal wurde in den Schlosspark transloziert und ruht auf einem soliden steinernen Podest. Ansonsten aber hat sich der Zustand deutlich verschlechtert.

Bismarck-Denkmal, März 2020

 

Bergedorfer Zeitung, 13. August 1920

Verunstaltung von Denkmälern ist aber kein Phänomen des 21. Jahrhunderts, wie eine Meldung aus Hamburg zeigt: dort wurde das Denkmal für den Dichter Heinrich Heine „über und über mit roter Mennigfarbe beschmiert“. Es wurde später vor nationalsozialistischer Zerstörung gerettet und in Südfrankreich wieder aufgestellt. Von den Nationalsozialisten vernichtet wurde eine im Hamburger Stadtpark aufgestellte Statue Heines – seit 1982 steht ein sehr nachdenklicher Heine auf dem Rathausmarkt. Nachdenken sollten auch andere.

UPDATE 11.07.2020: Zur Debatte über das Bismarck-Denkmal in Hamburg siehe aktuell eine Stellungnahme des Kultursenators Carsten Brosda im Monopol-Magazin. Die Debatte hat Bergedorf bisher nicht erreicht.

 

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