Geldschein beschädigt – was nun?

BZ, 26. Oktober 1922

Es war ärgerlich, wenn ein Geldschein zerrissen oder sonstwie beschädigt wurde, aber kein Grund zur Panik: die Reichsbank tauschte solche Mängelexemplare um, wenn denn mehr als die Hälfte eines solchen Scheins vorhanden war, unabhängig davon, ob die Nummer des Scheins vorhanden war oder nicht. Das galt auch für Teilstücke, wenn sie denn zu ein- und demselben Schein gehörten und „gehörig geklebt“ waren.

BZ, 5. Juli 1922

Vor hundert Jahren waren die Geldscheine empfindlicher gegen alle Arten von Beschädigungen: die Detaillistenkammer Hamburg warnte vor allem vor dem Falten, da dies die Zerstörung besonders fördere – wenn man heute Banknoten aus den 1920er Jahren in die Hand bekommt, sieht man oftmals, an welchen Stellen sie gefaltet worden waren.

 

BZ, 1. August 1922

Richtig teuer konnte es werden, wenn der „Papierlappen“ als Notizzettel benutzt worden war: „Beschriebenes Papiergeld ist ungültig“, zumindest im Verkehr mit amtlichen Kassen, und auch die Reichsbank verweigerte in diesem Fall den Ersatz. Laut BZ betraf dies vor allem die 100-Mark-Scheine, die breite unbedruckte Ränder hatten – der im Juli 1922 in den Verkehr gekommene 500-Mark-Schein lud sogar noch mehr zu derartigem Missbrauch ein: er war nur einseitig bedruckt (siehe die Abbildungen bei Wikimedia, siehe auch BZ vom 17. August 1922).

Ein Beschreiben oder Bemalen wäre heute kein Problem – das steht zumindest auf einer Sparkassenseite: die heutige Bundesbank als Nachfolgeinstitution der Reichsbank würde so einen Euro-Schein und sogar auf „Deutsche Mark“ lautende Banknoten ersetzen, auch wenn weniger als die Hälfte eingeliefert wird – dann muss man allerdings belegen, dass die fehlenden Teile vernichtet wurden, wobei die Angabe „Hat die Katz gefressen“ wohl kaum ausreichen dürfte. Selbst für die Asche verbrannter Geldscheine wird Ersatz geliefert, wie es auf der Internetseite der Bundesbank heißt. Und die Volksbanken-Raiffeisenbanken schreiben ergänzend: „Auch stark verschmutztes Bargeld sichtet das Analysezentrum der Bundesbank, wäscht es und trocknet es in Wäschetrocknern.“

Vorsätzlich beschädigte Scheine wurden und werden allerdings nicht umgetauscht.

 

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Und wieder: die Flügel-Frage

BZ, 19. Oktober 1922

Endlich schien eine Lösung für das Flügel-Problem gefunden: für die Stadtschul-Aula (heute als Hasse-Aula bekannt) sollte ein neuer Konzertflügel gekauft werden, der „künstlerischen Anforderungen“ genügte und von den Konzertveranstaltern gemietet werden konnte; das alte Instrument sollte nach gründlicher Ausbesserung in der Schule am Birkenhain aufgestellt werden.

BZ, 25. Oktober 1922

Aber das war eine teure Angelegenheit: nach der Magistratsvorlage würde ein neuer Flügel 900.000 Mark kosten, und bei dem „rapiden“ Steigen der Flügelpreise war ein schneller Kauf  geboten. Auch bestand Aussicht, das Geld wieder der Stadtkasse zuzuführen: die Hasse-Gesellschaft hatte über die Landherrenschaft beim Staat den Kauf eines Flügels beantragt. Der Magistrat wollte also der weiteren Inflation zuvorkommen und das Geld „im Vorschußwege“ bereitstellen, wofür er natürlich die Zustimmung der Bürgervertretung brauchte.

BZ, 28. Oktober 1922

Bis zur Sitzung des Gremiums war laut Bürgermeister Wiesner der Kaufpreis weiter gestiegen, und so ruderte er ein Stück weit zurück: der alte Flügel sollte repariert und für die Stadtschulen „ein Piano“ erworben werden, Gesamtkosten 650.000 Mark.

Der bürgerliche Teil der Stadtvertretung wollte wegen „der Wichtigkeit der Erhaltung des blühenden musikalischen Lebens in Bergedorf“ am ursprünglichen Antrag festhalten – und wenn es kein Geld aus Hamburg gebe, könne man ja den neuen Flügel angesichts der Inflation „jederzeit nutzbringend wieder verkaufen“.

Das schien der linken Mehrheit der Stadtvertretung aber zu windig, weil für eine Kreditfinanzierung hohe Zinsen zu zahlen wären, und wie Ratmann Petersen (SPD) sagte: „Der vorliegende Nachtragsetat zeige, daß es notwendigere Dinge gebe als musikalische Genüsse.“

So blieb also alles weiter beim alten (Flügel). Die Hasse-Gesellschaft ersetzte ein geplantes Klavierkonzert durch Streichmusik (BZ vom 27. Oktober 1922).

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Denkmal und Gegendenkmal

BZ, 20. Oktober 1922

Man war sich einig: es sollte in Bergedorf eine Erinnerungsstätte an den Krieg geschaffen werden. Damit aber endete bereits die Gemeinsamkeit.

Das von der Stadt geplante Ehrenmal sollte schlicht die Inschrift „Den Opfern“ erhalten – das war Bergedorfs Militärvereinen nicht patriotisch und nicht heldisch genug, zumal sie auch den gewählten Standort auf dem Friedhof für ungeeignet hielten. So betrieben sie Pläne für ein eigenes Denkmal, das bei der Kirche errichtet werden sollte: nicht der Krieg und die Opfer sollten betrauert werden, sondern das Kriegsergebnis – die für ihr Denkmal vorgesehene „wuchtige Gestalt … eines Kriegers“ sollte die martialische Inschrift bekräftigen, der Aufstellungsort auf dem Kirchenvorplatz im Zentrum der Stadt sollte täglich möglichst vielen Menschen die Botschaft vor Augen führen.

Die Platzierung war ebenso Gegenstand von Diskussionen wie die des städtischen Ehrenmals, was bereits im Beitrag Streit um die Gefallenenehrung skizziert wurde: verschiedene Plätze im Park oder der Umgebung des Schlosses und im Gehölz wurden vom Architekten Hermann Distel vorgeschlagen, der Friedhofsverwalter Kühl präsentierte zwei Skizzen für den Friedhof. Die Entscheidung fiel dann für die Knickgärten (BZ vom 26. November 1920), wurde aber zugunsten des Rosenplatzes auf dem Friedhof revidiert (siehe den Beitrag zu den schwierigen Ehrenmalen und z.B. BZ vom 19. März sowie 25. Oktober 1921).

BZ, 19. Oktober 1922

Die Militärvereine hatten sich von vornherein für den Kirchenvorplatz ausgesprochen, anfänglich auch die Kirchengemeinde, doch die Baupflegekommission hatte aus Hamburg ihr Veto gegen Entwurf und Standort eingelegt (BZ vom 19. Oktober 1922). Nun sollte mit einem neuen Entwurf ein zweiter Versuch für den Platz an der Kirche unternommen werden, und für den Fall der Versagung der Genehmigung durch staatliche bzw. städtische Behörden wurde gleich der Klageweg angedroht.

Letztlich gab es aber kein Ehrenmal an der Kirche, der Entwurf von Richard Kuöhl und Christian Zauleck wurde nicht realisiert, doch mehr als ein Jahrzehnt später unter nationalsozialistischer Ägide am Schillerufer, im selben Geist und mit Hitler-Zitat auf der Sockel-Rückseite, ein Denkmal des Berliner Bildhauers Hans Dammann (BZ vom 14. und 17. Juni 1935), auf dem Sockel ein Krieger. Nach Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurde dieses wieder entfernt.

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Von Weiden, Wärdern und Buddeltünern

BZ, 11. Oktober 1922

Nicht um Viehweiden und Weidegras ging es hier, sondern um Korbweiden. Diese hatte der Korbflechter H. Ziehl aus Geesthacht gepachtet, und er wollte natürlich nicht, dass sich andere an seinen Weiden zu schaffen machten, also Schächte und Ruten abschnitten: das Recht hatte ja er erworben.

Die Elbufer waren damals vielfach mit Weiden bestanden, die an den Ufern, auf Werdern (Inseln im Fluss) und Buhnen (in den Fluss hineinragende Leitdämme) als Uferbefestigung gepflanzt und eben auch zur Holzgewinnung genutzt wurden.

BZ, 4. November 1922

BZ, 29. Dezember 1922

Der Handel mit Korbweiden bzw. die Verpachtung von Weidenschnittrechten lässt sich anhand von Anzeigen in der Bergedorfer Zeitung nachvollziehen: Inserate gab es aus Bleckede, dem ca. 65 Kilometer entfernten Hitzacker und Brandstade gegenüber (Anzeigen in der BZ vom 14. Oktober, 4. und 6. November 1922); der Transport wird auf dem Wasserwege erfolgt sein.

Für die Weiden gab es viele Verwendungen: nicht nur Himptenkiepen (siehe Fotos) und Körbe aller Art wurden daraus geflochten, sondern auch Aalreusen. Ferner wurden sie in der Landwirtschaft zum Binden eingesetzt, und so wurden „Rhabarberweiden“ und „Maiblumenweiden“ zu einschlägigen Fachbegriffen (siehe z.B. die Anzeigen in der BZ vom 3. und 15. Februar 1921 und 9. Oktober 1922).

Was H. Ziehl aus seinen Weiden flechten wollte, ist unbekannt – es spricht vieles dafür, dass er früher für die Geesthachter Glasfabrik gearbeitet hatte, die bis 1914 „Demijohns“, also große Glasbehälter, herstellte, die durch ein Korbgeflecht geschützt wurden und den Korbmachern die Bezeichnung „Buddeltüner“ eintrug. Im Ersten Weltkrieg trat dann ein anderer Geschäftszweig in den Vordergrund: die Herstellung von Geschosskörben, aber auch das war längst vorbei. Besonders in Geesthacht, wo mehrere hundert Menschen in der Korbflechterei (und beim Bandreißen und Rutenweißen) Arbeit und Auskommen gehabt hatten, erhöhte dies die Zahl der Arbeitslosen beträchtlich (siehe hierzu Hansjörg Zimmermann, besonders S. 6-11).

Das Geesthachter Stadtwappen zeigt übrigens eine stilisierte Kopfweide wie sie wohl H. Ziehl gepachtet hatte.

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Verwettet?

BZ, 13. Oktober 1922

Bergedorfs Zocker konnten sich freuen: auf den Ausgang aller Pferderennen in Deutschland und Frankreich konnten sie nun bequem in der Bergedorfer Filiale des Buchmachers Johann Ganzel Geld setzen und am frühen Abend desselben Tages bereits die Resultate erfahren.

Wer Pferdewetten tätigen wollte, konnte sich aber nicht der Bergedorfer Zeitung bedienen, um hilfreiche Informationen über die Pferde, ihre bisherigen Erfolge, ihre aktuelle Form, ihre Jockeys und die jeweilige Renndistanz etc. zu erhalten: die BZ veröffentlichte fast nur die Ergebnisse des Galoppderbys auf der Horner Rennbahn. Vielleicht lagen ja Wettzeitungen im Wettbureau aus.

Der Kaufmann Julius Wittenhagen wettete auf den Erfolg dieser für Bergedorf neuen Einrichtung, sonst hätte er wohl nicht die Filialleitung übernommen, jedoch lag er mit dieser Einschätzung daneben: die Anzeige erschien nur noch zweimal, am folgenden Tag und eine Woche später, danach nicht wieder. Ob das wettfreudige Publikum ausblieb oder ob womöglich eine Genehmigung des Magistrats nicht erteilt wurde, ist nicht bekannt.

BZ, 11. Oktober 1922

Wittenhagen blieb aber in Bergedorf aktiv und wettete auf den (weiteren) Verfall der Mark: seit 1921 inserierte er immer wieder als Aufkäufer von Gold, Silber, Platin, auch Brillanten, und in diesem Bereich hatte er wohl das richtige Näschen: der offizielle Ankaufspreis der Reichsbank für ein 20-Mark-Stück aus Gold verzehnfachte sich in gut drei Monaten von 2.000 auf 20.000 Mark (BZ vom 31. Juli und 6. November 1922).

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Die „Flagen“ des Curslacker Heerwegs

BZ, 3. Oktober 1922

Es war schon ein Kreuz mit diesem Curslacker Heerweg: alle Straßenbau-, Straßenunterhaltungs- und Sanierungsarbeiten waren administrativ aufwändig, ebenso die Finanzierung, denn alle Vierländer Gemeinden mussten sich daran beteiligen.

Die im 16. Jahrhundert auf Anordnung der beiderstädtischen Visitation gebaute Straße durchzog und durchzieht Curslack auf ca. 3,24 Kilometern Länge von Norden nach Süden, und da Curslack den Bau nicht allein tragen konnte, wurden Neuengamme, Kirchwärder und Altengamme von der Visitation verpflichtet, sich zu beteiligen. Auch die laufende Unterhaltung war geregelt: die großen Dörfer Neuengamme und Kirchwerder zu je einem Drittel, Curslack zu zwei Neunteln und Altengamme zu einem Neuntel, und entsprechend hatte jedes Dorf einen bestimmten Abschnitt, eine sogenannte Flage, in Schuss zu halten. Die jeweilige Zuständigkeit ließ sich leicht feststellen: der Curslacker Abschnitt wurde durch Lindenbäume gekennzeichnet, zwei Begrenzungssteine definierten die Abschnitte Kirchwärder/Altengamme sowie Altengamme/Curslack, jeweils mit einem Grenzkreuz in der Mitte (siehe hierzu Bergedorfer Schlosskalender für 1936 (12. Jg.), S. 66-68).

Während der ungenannte Autor der Schilderung im Schlosskalender schreibt, dass von diesen Steinen nur noch der mit „Wꓘ+ATg“ vorhanden ist, ist der Stein Altengamme/Curslack offenbar wieder aufgetaucht. Es muss allerdings bezweifelt werden, dass beide Markierungen noch am ursprünglichen Standort stehen: nach der heutigen Lage der Steine wäre der Altengammer Abschnitt nur ca. 100 Meter lang gewesen, was der „Flagen“-Einteilung von 360 Metern widerspricht.

Begrenzungsstein Altengamme/Kirchwärder, heutiger Standort am Rieckweg

Begrenzungsstein Altengamme/Curslack, heutiger Standort Curslacker Heerweg neben Haus-Nr. 11

Als der Heerweg 1922 saniert, d.h. neu gepflastert, werden sollte, hatte die Gemeinde Curslack offenbar die Bauleitung für die gesamte Strecke übernommen, doch gestiegene „Fracht-, Fuhr- und Arbeitslöhne“ hatten die Kalkulation zunichte gemacht, und so mussten alle vier Beteiligten Geld nachschießen – ob das dann ausreichte, um die Arbeiten auf ganzer Länge fertigzustellen, ist fraglich, zumal Neuengamme zunächst die Zahlung verweigerte (BZ vom 24. Oktober 1922), woraufhin Curslack die Landherrenschaft um Intervention bat. Gegenüber Kirchwärder, das die geringe Nutzung durch seine Gemeindeangehörigen anführte, zeigten sich sich die Curslacker dann überraschend großzügig und erließen Kirchwärder für die Zukunft einen Teil der laufenden Instandhaltungszahlungen (ebenfalls BZ vom 3. Oktober 1922).

Laut Bergedorfer Schlosskalender bestand die Gesamt-Vierländer Zuständigkeit bis 1935 – 1936 wurde Curslack alleinverantwortlich, was die anderen Gemeinden sicher erfreute. Sie waren ihre Flagen und die verbundenen Pflichten los.

 

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Bergedorfs erster gebührenpflichtiger Parkplatz

BZ, 7. Oktober 1922

Bergedorfs Stadtkasse war leer – nun sollten die Einnahmen aus einer Parkgebühr für Lastfuhrwerke ein bisschen Abhilfe bringen: der frühere Platz der „Gas-Anstalt“ in Bergedorf (zwischen Deich- und Sillemstraße, siehe die Karte von 1904) war offenbar zu einem Abstellplatz für Transportfahrzeuge geworden. Da die Gebühr erhöht wurde, muss sie bereits vorher eingeführt worden sein, aber dies ist die erste diesbezügliche Bekanntmachung, die in der BZ zu finden war.

Für motorisierte Lastwagen wurde wahrscheinlich keine Gebühr erhoben, weil deren Besitzer ihr Fahrzeuge nicht auf einem frei zugänglichen öffentlichen Platz abstellten: dafür waren sie einfach zu wertvoll, und so ging es hier eben um „Lastfuhrwerke“, die von Pferden gezogen wurden. Warum das Parken eines Möbelwagens das fünffache eines Rollwagens, d.h. Pritschenwagens, oder eines Blockwagens, d.h. eines Wagens mit herausnehmbaren Seiten- und Schlusswänden, kostete, war nicht festzustellen.

BZ, 12. Oktober 1922

BZ 11. August 1921

Spontanes Abstellen eines solchen Gefährts war aber nicht möglich: jeder Fuhrwerksbesitzer musste erst eine Genehmigung des Stadtbauamts einholen und wohl auch dafür eine Gebühr entrichten, wurde also gleich zweimal zur Kasse gebeten. Unabhängig davon hatte er schon für die Zulassung seines Fahrzeugs zum öffentlichen Verkehr drei Mark gezahlt und die amtliche Nummer in weiß auf grünem Grund auf die Seiten des Gefährts malen müssen.

So war jedenfalls die Feststellung von Parksündern möglich. Ob die Parkkontrollen so intensiv waren wie sie es hundert Jahre später sind, ließ sich nicht feststellen.

 

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Gut Ding will Weile haben – Geesthachts langes Warten auf die höhere Schule

Für begabte Kinder aus Geesthacht war es nicht einfach, einen höheren Schulabschluss zu erreichen, denn der Ort verfügte nur über Volksschulen, eine für Knaben und eine für Mädchen. Wer eine höhere Schule besuchen wollte (oder sollte), musste nach Bergedorf zur Hansa- bzw. Luisenschule – wenn die Eltern denn das Schulgeld und die Bahnfahrt mit der Bergedorf-Geesthachter Eisenbahn bezahlen konnten und wollten.

Dementsprechend niedrig waren die Zahlen: Die Liste der Absolventen der Hansa-Schule  weist von 1914 bis 1925 gerade einen Gymnasialschüler mit dem Wohnort Geesthacht aus, die Realschule schlossen von 1914 bis 1920 sechs Geesthachter Jungen ab; über Schülerinnen von Lyzeen war nichts in Erfahrung zu bringen.

BZ, 2. Oktober 1922

Geesthachts Lehrerschaft hatte schon bald nach Kriegsende die Diskussion über eine „neuzeitliche Schulreform“ begonnen (siehe z.B. BZ vom 29. Januar und 14. Februar 1919), und nun nahm die Debatte Fahrt auf: man strebte eine „Aufbauschule“ an, die nach vier Jahren Grundschule für alle in den folgenden vier Jahren der Mittelstufe mit Differenzierungen beginnen sollte, um danach letztlich das Ziel „Universitätsreife“ zu erreichen.

In einer Versammlung von Eltern und Lehrern aus Geesthacht und Besenhorst stieß dieser Plan ebenso auf Zustimmung wie bei den Gemeindevorständen, ein „Ausschuß zur Vorbereitung der höheren Schule in Geesthacht-Besenhorst“ wurde eingesetzt (BZ vom 9. Dezember 1922) und eine Denkschrift beschlossen, in der es hieß: „Die Bevölkerungszahl des Interessengebiets erscheint hoch genug, um eine genügende Schülerzahl zu erreichen.“ (BZ vom 21. Dezember)

Die Begeisterung übertrug sich aber offenbar nicht auf die Hamburger Oberschulbehörde, denn es dauerte noch ein wenig: das heutige Otto-Hahn-Gymnasium Geesthacht feierte zwar 2015 sein 75jähriges Bestehen, doch war es laut Wikipedia zunächst nur „Zubringerschule“ zur Hansaschule in Bergedorf.

 

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Die Bank-Krise in Kirchwärder

BZ, 16. September 1922

Die Menschen steckten ihr Geld lieber ins Kopfkissen oder unter die Matratze als es auf ein Bankkonto einzuzahlen. Für die Kirchwärder Spar- und Leihkasse war das ein Problem, und so schlugen Vorstand und Aufsichtsrat vor, die Genossenschaft aufzulösen: es gab fast keine neuen Spareinlagen mehr, die vorhandenen Mittel konnten die Betriebskosten nicht mehr decken, und wenn man die noch vorhandenen Reserven retten wollte, blieb nur dieser Weg und der Anschluss an eine Großbank (BZ vom 16. September 1922).

Ein wesentlicher Grund für das Ausbleiben von Einzahlungen war neben der Inflation die Aufhebung des Bankgeheimnisses im Rahmen der 1919 beschlossenen Steuerreformen und die Erhebung des Reichsnotopfers auf Vermögenswerte – wer sich diesem Vorläufer der Vermögensteuer entziehen wollte, durfte sein Geld eben nicht auf einem Bankkonto haben. Trotz der Diebstahlgefahr schien es im eigenen Hause „sicherer“.

BZ, 5. Oktober 1922

Die Kirchwärder Genossenschaftsmitglieder wollten aber „ihre“ Einrichtung behalten, um weiterhin lokale Mittelstandsförderung betreiben zu können, und lehnten folglich die Auflösung ab, wozu auch eine leichte Lockerung der staatlichen Fesseln beigetragen haben dürfte: die Einlagen stiegen wieder. Die Hoffnung auf Wiedereinführung des Bankgeheimnisses und Aufhebung des Depotzwangs dürften den Beschluss erleichtert haben.

Der Inflation wollte man sich anpassen: im November wurden die Geschäftsanteile auf das Zehnfache und die Haftungssumme auf das Eineinhalbfache erhöht (BZ vom 11. November 1922).

Ob daraufhin die Kopfkissen wieder dünner wurden ist unerforscht.

 

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Durchaus anspruchsvoll

In schlechten Zeiten muss man sich einschränken – aber das war 1922 für manche kein Grund, alle höheren Ansprüche aufzugeben.

BZ, 20. September 1920

Eingebildet war der gebildete junge Mann nicht, denn laut Anzeige war ihm jede Arbeit recht, aber seine ausgiebige Mittagspause war ihm heilig. Es kann natürlich sein, dass er in den anderen Tageszeiten einer weiteren Beschäftigung nachging und ihm mit der geäußerten Vermutung Unrecht geschieht. Jedenfalls meldete sich niemand sogleich auf sein Angebot, denn er wiederholte die Anzeige noch zweimal – entweder gab er dann auf oder er hatte seinen Traumjob erhalten.

BZ, 20. September 1920

Die inserierende Person hinter dieser Chiffre hatte ein gutes Klavier, aber wohl wenig Geld, und so wollte sie eine Nähhilfe mit Übungsstunden am Piano entlohnen. Möglicherweise wollte sie schlichtweg nichts mit solchen Frauen niederen Standes zu tun haben, die üblicherweise gegen Bezahlung solche Arbeiten verrichteten, und eine „gediegene Persönlichkeit“, die Klavier spielte, schloss sicher viele Näherinnen aus.

BZ, 20. September 1922

Kinderwagen, auch Markenfabrikate, wurden immer wieder zum Verkauf angeboten, andere suchten einen gebrauchten Babytransporter. Die Person hinter der Chiffre „H 854“ hatte vermutlich nicht genug Geld, um ein Neufahrzeug zu erwerben, aber er oder sie wollte sicher sein, dass nicht irgendein Arbeiterkind vorher darin gelegen hatte. Nicht ausschließen kann man, dass mit dem Kriterium „aus nur besserm Hause“ (sic!) die Hoffnung verbunden war, dass damit auf das eigene Kind etwas „abfärbte“.

BZ, 29. September 1922

Entweder entwickelte sich das Kinderwagen-Baby rasant, oder das sprachlich weniger nachlässige Inserat „H 898“ stammte von einer anderen Person mit gleichem Anspruch, oder es lebten mehrere Kleinkinder in dem Haushalt.

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