Der steigende Gaspreis und der Windfall-Profit

BZ, 30. November 1922

Das Gaswerk Bergedorf war rigoros: der Gasverbrauch wurde monatlich abgelesen, und wer nicht sofort den Ableser bezahlte, musste innerhalb von fünf Tagen den fälligen Betrag entrichten – sonst wurde der Gashahn zugedreht.

Zwar wussten die Gaskunden, wann bei ihnen abgelesen wurde, aber sie konnten nur ahnen, was sie würden bezahlen müssen: meist erst nach etwa zwei Dritteln der monatlichen Verbrauchsperiode gab das Gaswerk bekannt, welcher Preis für den laufenden Monat zu zahlen war, und kündigte eine Preiserhöhung für den folgenden Monat an (siehe z.B. vom 19. Juli, 12.August, 21. September, 23. Oktober, 24. November und 21. Dezember 1922).

Das Leucht- und Kochgas hatte im Dezember 1921 noch 2,65 Mark pro Kubikmeter gekostet – im Juli 1922 waren es 9,50 Mark, im November 1922 dann 75 Mark – für den Dezember wurde eine Warnung in die Zeitung gesetzt: für den Dezember sei „mehr als das Doppelte des Preissatzes für Monat November zu erwarten“ (BZ vom 12. Dezember 1922). Tatsächlich wurden es 160 Mark, also gut das Sechzigfache des Vorjahrespreises.

Über vorgenommene Absperrungen war in der BZ nichts zu finden, und auch Magistrat und Bürgervertretung rührten sich nicht: die Steigerungen wurden offenbar stillschweigend hingenommen, obwohl die Stromtarife nur auf das Fünfzigfache gestiegen waren (BZ vom 31. Dezember 1921 und 15. November 1922), und das hatte einen Grund.

BZ, 28. Oktober 1922 (Auszug: Sitzung von Magistrat und Bürgervertretung)

Zwischen der Stadt und dem privaten Gaswerksbetreiber war im Herbst ein Nachtrag zum Konzessionsvertrag abgeschlossen worden, sodass nun die Stadt 2,5 Prozent der Bruttoeinnahmen aus dem Gasverkauf erhielt, rückwirkend ab 1. April 1920 – auch 2,5 Prozent der Einnahmen aus dem Gasverkauf in Sande und Geesthacht kamen Bergedorf zugute. Für den Monat Oktober wurde mit einer Einnahme von einer Viertelmillion gerechnet (BZ vom 24. Oktober 1922), und wenn man die hochrechnet, so floss für Dezember mehr als eine Million Mark in die Stadtkasse, was man sicher als Windfall-Profit bezeichnen kann. Aber der Windfall wurde durch die Inflation wieder weggeweht.

 

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