Die Pferdeschweifdiebe

BZ, 20. Juli 1923

Bergedorfs Polizei fasste zwei Pferdeschweifdiebe, also Männer, die Pferden die Schwänze (bis zur Rübe) abschnitten, um das Pferdehaar zu verkaufen. Vermutlich wurden die beiden wegen Diebstahls angeklagt, weil ihnen die Pferde ja nicht gehörten. Aus heutiger Sicht hätten sie ebenso wegen Tierquälerei vor den Richter treten müssen, denn sie hatten die „Tiere ihres natürlichen Schutzes gegen die Fliegenplage beraubt“, wie die BZ am 2. Juni 1923 geschrieben hatte.

BZ, 24. Juli 1923

BZ, 25. Juli 1923

Diese Art von Diebstahl konnte durchaus einträglich sein: im Januar 1923 bot eine Altonaer Firma bis 9.600 Mark für ein Kilogramm Pferdehaare, im Juli waren es 160.000 Mark und im August 950.000 Mark (Anzeigen in der BZ vom 24. Januar, 25. Juli und 10. August 1923) – übrigens durchgängig mehr als für ausgekämmtes Frauenhaar. Die Preise dürften sich auf Schweifhaare bezogen haben, da für Krollhaare, d.h. kurze Pferdehaare von der Mähne oder vom Fell, sehr viel weniger geboten wurde. Verwendungsmöglichkeiten gab und gibt es viele – sie reichen von Violinbögen bis zu Matratzen und Polstermaterial, wie einem Schweizer Materialarchiv ansatzweise zu entnehmen ist.

So wundert es nicht, dass mehrfach über Pferdeschweifdiebe berichtet wurde, die in der Umgebung Bergedorfs aktiv waren. Wie viele Pferde ihr Opfer wurden, war der BZ nicht eindeutig zu entnehmen, aber allein in Curslack und Neuengamme waren elf Pferde betroffen (BZ vom 19. Mai und 11. Juni 1923) – die betroffenen Landwirte setzten eine Prämie für die Ermittlung der Täter in Höhe von bis zu 300.000 Mark aus (BZ vom 2. Juni 1923). Über den Erfolg fanden sich keine Meldungen.

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Einzigartiges (?) Bergedorf

Bergedorfer Zeitung, 21. Juli 1923

Die Leserinnen und Leser der Bergedorfer Zeitung werden sich nach Lektüre dieses Zeitungsartikels in Lokalstolz gesuhlt haben – laut Meyers Orts- und Verkehrslexikon des Deutschen Reiches hatte man nicht einen Allerweltsnamen wie „Neumühle“, das es in 347facher Ausfertigung gab, und da Bergedorf in diesem Bericht nicht als mehrfach vorhandener Ortsname genannt wurde, wird man sich als einzigartig angesehen haben.

 

 

Briefumschlag mit Ortsstempel „Bergedorf über Delmenhorst“

Damit allerdings lag man neben der rauen Wirklichkeit: es gab zwei weitere Orte mit dem Namen „Bergedorf“, beide im heutigen Niedersachsen: sogar einen eigenen Poststempel hatte eines von ihnen, das Bergedorf in der Gemeinde Ganderkesee (Landkreis Oldenburg). Dieses Bergedorf war allerdings nie eigenständig, sondern eine der Bauerschaften (heute: ein Ortsteil) der Gemeinde Ganderkesee, in der es nicht nur eine Bergedorfer Straße gibt, sondern auch die Feuerwehr Bergedorf als eine der Ortswehren der Gemeinde.

Etwas dichter an (Hamburg-)Bergedorf liegt der Worpsweder Ortsteil Bergedorf, um 1750 entstanden und bis 1936 eine eigenständige Gemeinde im Landkreis Osterholz. „Bergedorf“ taucht dort mehrfach als Bezeichnung auf, u.a. als „Bergedorfer Schiffgraben“, als „Bergedorfer Straße“, als „Bergedorfer Kirchdamm“ und als „Neu-Bergedorf“.

Dass der Redakteur der Bergedorfer Zeitung diese „konkurrierenden“ Bergedorfs nicht kannte (sie waren und sind nun einmal viel kleiner), muss man ihm nicht verübeln – aber es zeigt, dass er den Text zu den Ortsnamen von irgendwoher übernommen hatte, ohne jemals das Orts- und Verkehrslexikon in der Hand gehabt zu haben. Hätte er ein wenig darin geblättert, so hätte er eine hübsche Geschichte nicht nur über Bergedorf, sondern z.B. auch über Wentorf, Fahrendorf und Lauenburg schreiben können.

Das Arbeitsprinzip der unreflektierten Übernahme praktiziert die BZ auch heute noch: am 20. Mai 2023 gab es einen aus dem Hamburger Abendblatt kopierten großen Bericht über ein Springpferd „aus Bergedorf, einem Dorf am Rande Ganderkesees westlich von Bremen“ …

Für hilfreiche und schnelle Auskünfte bedanke ich mich herzlich bei Frau Maike Saalfeld von der Gemeindeverwaltung Ganderkesee.

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Überwiegend ehrliches Bergedorf

Bergedorfer Zeitung. 17. Juli 1923

Der Beamte von Schalter 1 wird nicht gut geschlafen haben, denn er hatte einem Postkunden viel zu viel herausgegeben: 500.000 Mark statt 10.000 M.

 

Bergedorfer Zeitung, 18. Juli 1923

Seine Erleichterung wird aber am folgenden Tag riesengroß gewesen sein, denn der Empfänger des großen Scheins brachte diesen wieder zurück – Ähnliches hatte sich bereits im Februar ereignet: beim Umtausch von Silbergeld hatte sich der Beamte an Schalter 2 vertan, und auch er konnte sich freuen, dass der Empfänger der zu viel ausgezahlten 29.000 Mark das Geld am nächsten Tag zurückbrachte (BZ vom 15. und 17. Februar).

BZ, 20. Juli 1923

Allerdings: wohl nicht in jedem Fall siegte die Ehrlichkeit, denn eine Erfolgsmeldung zur Anzeige Geverts (laut Hamburger Adressbuch für 1923 Carl Gevert, Händler) gab es nicht. Und zu „kleineren“ Wechselfehlern hat es weder Anzeigen noch Zeitungsberichte gegeben – die Aussage der Titelzeile steht also auf sehr wackligen Beinen.

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Kaperer, Piraten und Strandräuber auf und an der Elbe

Bergedorfer Zeitung, 3. Januar 1923

Schleppzug auf der Elbe bei Geesthacht mit Raddampfer und (Oberländer) Schleppkähnen (undatierte Ansichtskarte)

Nach längerem Observieren griff die Polizei zu – sie verhaftete mehrere Einwohner Kirchwärders wegen „umfangreicher Kapereien“ auf der Elbe: sie hatten u.a. Getreide und Kunstdünger von den „Schleppzügen“ geholt. Da diese Kombinationen aus einem Raddampfer und mehreren per Trosse angehängten „Oberländer Kähnen“ nur sehr langsam fahren konnten und schlecht manövrierfähig waren, kann es gut sein, dass entschlossene „Elbpiraten“ solche Transporte überfielen.

Bergedorfer Zeitung, 13. Juli 1923

Aber wie sich dann ein halbes Jahr später im Gerichtsprozess herausstellte, ging es hier nicht um Kaperei und Überfälle, sondern um gesetzwidrige Kooperation zwischen den Schiffsbesatzungen, die Teile der ihnen nicht gehörenden Ladung verkauften, und eben einigen Vierländern, die auf ein gutes Geschäft gehofft hatten – die Hintermänner im Raum Bergedorf und auch die Schiffsbesatzungen gingen straflos aus dem Gerichtssaal, aber vier der zehn Angeklagten mussten ins Gefängnis.

Vergleichbare Vorkommnisse meldete die BZ aus Lauenburg, aus Geesthacht und Lüneburg (BZ vom 4. Januar, 19. Juli und 24. August 1923) – der einzige von der BZ 1922/1923 berichtete Fall echter Piraterie mit Schusswaffengebrauch und Kaperung des Schiffes ereignete sich auf der Unterelbe (BZ vom 26. Oktober 1922 und 17. März 1923). Die BZ sprach aber auch von Piraten, wenn die Räuber von Booten aus nachts an Land gingen, z.B. bei Geesthacht Schweine und in Altengamme Maiblumenkeime stahlen und mit ihrer Beute auf dem Wasserweg wieder das Weite suchten (BZ vom 18. Oktober und 13. November 1923).

Bergedorfer Zeitung, 13. November 1923

Ob die Strandräuberei vor Altengamme (straf-)rechtliche Konsequenzen hatte, ist unbekannt.

 

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Immer mehr Kleingärtner

Bergedorfer Zeitung, 10. Juli 1923

Der Bergedorf-Sander Schrebergartenverein von 1920 verzeichnete weiter großen Zulauf: zu Jahresbeginn 1923 gab es 1.254 Mitglieder, zur Jahresmitte rund 1.600; die Gesamtfläche der Pachtungen betrug Anfang 1923 neunzehn Hektar (BZ vom 18. Januar 1923). Wenn man von einer Parzellengröße von 500 bis 700 Quadratmetern ausgeht, wie sie die Stadt Bergedorf einem Verpachtungsangebot zugrundelegte (siehe den Beitrag Die starke Stellung der Schreber), kann nur eine Minderheit der Mitglieder einen Kleingarten gehabt haben – die Mehrheit fand sich wohl auf einer Warteliste wieder.

Der starke Mitgliederzuwachs und die Vielzahl der Kolonien erforderten eine Strukturreform: durch die Einrichtung von Untervorständen für die einzelnen Kolonien sollte der Vereinsvorstand entlastet werden, der sich dann nicht mehr um die Details der Arbeit in den einzelnen Anlagen zu kümmern brauchte und sich auf die Anpachtung neuer Flächen etc. konzentrieren konnte.

Bergedorfer Zeitung, 16. Juli 1923

Für die Vereinsmitglieder organisierte der Vorstand in jenem Sommer einen fachlichen Besuch der staatlichen Versuchsfelder in Fünfhausen. „Alle Schrebergärtner werden in ihrem eigenen Interesse gebeten, an der Fahrt teilzunehmen“, hieß es im Zeitungsartikel, und wenn alle 1.600 Mitglieder dem Appell gefolgt wären, hätte der Zug längst nicht alle Interessenten aufnehmen können – der Bericht sprach nur von „zahlreichen Teilnehmern“ (BZ vom 16. Juli 1923), die auf den neuesten Stand der gartenbaulichen Erkenntnis gebracht wurden.

Man kann also vermuten, dass die Kapazität der Bahn ausreichte.

 

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Fisch per Post

Bergedorfer Zeitung, 10. Juli 1923

Das kam den Bedürfnissen potentieller Fischkäufer sicher entgegen: sie konnten in August Gehrhus‘ Ladengeschäft in der Bergedorfer Innenstadt morgens ihre Bestellungen aufgeben – den Fisch brachte dann der Postbote, und wenn Gehrhus sein Versprechen des „Postversand prompt“ einhielt, kam die Ware noch am selben Tag an ihr Ziel.

Bergedorfer Zeitung, 4. Oktober 1923

Vor hundert Jahren kam nämlich die Post zweimal am Tag, es gab eine Früh- und eine Nachmittagszustellung, letztere allerdings nur, wenn Flure und Treppen „genügend beleuchtet“ waren, was sicher nicht in allen Häusern gegeben war. Dann mussten die Heringe die Nacht wahrscheinlich ungekühlt im Bergedorfer Postamt verbringen.

 

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Bergedorfs Amazonen

Bergedorfer Zeitung, 29. Juni 1923

Gab es im Revolutionsjahr 1848 wirklich ein Amazonenkorps in Bergedorf, über das die BZ 1923 schrieb? Die Quellenlage ist eher dürftig.

Die BZ berief sich auf Andreas Spierings Fest-Schrift zur Feier des 50-jährigen Bestehens der Bergedorfer Schützen-Gesellschaft am Dienstag, den 22. März 1898 im „Colosseum“, in der er die Vorgeschichte und Geschichte der Schützenvereinigungen und des „Papagoyenschießens“ darstellte: im März 1848 wurde nicht nur eine Bürgerwehr geschaffen: „Selbst die Mädchen wollten nicht zurückstehen und bildeten ein Amazonen-Corps, das regelmäßige turnerische und militärische Uebungen im Schloßgarten hielt.“ (S. 5) Möglicherweise war der 1842 geborene Spiering kindlicher Augenzeuge dieser Übungen, was aber nicht belegt ist.

Die einzige Bergedorfer Zeitung jener Jahre namens „Bergedorfer Wochenblatt und Eisenbahn-Zeitung“ war der Revolution durchaus nicht abgeneigt, aber in den nur unvollständig erhaltenen Ausgaben von 1848 war kaum etwas über die Revolution in Bergedorf zu finden: erst knapp vierzehn Tage nach dem ersten offiziellen Auftreten der Bürgerwehr schrieb die Zeitung: „Bergedorf. Unsere neue schmucke Bürgerwehr exerciert, bis auf Einzelnes, bereits recht brav, nur Lust und Liebe zur Sache konnten sie in kurzer Zeit dazu bringen.“ (Bergedorfer Wochenblatt und Eisenbahn-Zeitung, 17. August 1848, S. 2, Sp. 1) Über das Amazonenkorps war – wie auch über die Schülerkorps – rein gar nichts zu finden.

So bleiben Fragezeichen, denn die bekannten Sachdarstellungen zur Bergedorfer Geschichte schweigen sich zur Existenz des Amazonenkorps aus – ob Ida Boy-Ed (siehe den Beitrag Die von Bergedorf vereinnahmte Autorin) bei ihrer literarischen Verarbeitung des Themas andere Quellen als Spiering nutzte, ist nicht zu belegen. Vielleicht taucht eines Tages noch eine Familienchronik, ein Tagebuch, ein Brief auf, mit deren bzw. dessen Hilfe die Geschichte bestätigt (oder auch widerlegt) wird.

Übrigens: laut Spiering waren die 150 Gewehre der Bergedorfer Bürgerwehr zunächst „nur noch zum Einexerzieren tauglich“ (Spiering, a.a.O., S. 5). Der Exerziermeister Heinrich Recoschewitz, früher Trompeter bei der Kavallerie und nun Bahnhofswirt in Bergedorf, hatte noch schnell vierzehn Tage Infanterie-Unterricht genommen und unterwies auf dieser Basis die Mitglieder der Bürgerwehr, der Schüler- und des Mädchenkorps in den Grundzügen militärischen Verhaltens (ebd., S. 5f.). Zu irgendwelchen Einsätzen der Truppen kam es erfreulicherweise nicht.

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Sonnwendfeier mit Elfentanz und störenden Wandervögeln

Bergedorfer Zeitung, 27. Juni 1923

Nicht nur Hamburgs Studentenschaft feierte die Sommersonnenwende (siehe den ausführlichen Bericht über die „Akademische Bismarck-Sonnwendfeier“ in der BZ vom 22. Juni 1923), sondern auch eine „Deutschbruderschaft“, die mit dieser Annonce erstmals in der BZ in Erscheinung trat.

Während bei den Studierenden vor allem Reden auf dem Programm standen, war die Veranstaltung der Deutschbrüder eher unterhaltsamer Art, unter anderem mit Elfentanz und einem Sonnenwendspiel – aber wer oder was war die Deutschbruderschaft, welche Ziele verfolgte sie?

Bergedorfer Zeitung, 28. Juni 1923

Der Verein erhielt am nächsten Tag Gelegenheit zur Selbstdarstellung im redaktionellen Teil der BZ: man wollte „anstelle des Schlechten das Gute, anstelle des Guten das Bessere unaufhörlich erkämpfen helfen“, berief sich auf den Reichspräsidenten und die von ihm geforderte Einheit, wollte u.a. „völkisch“ und „gegenvölkisch“ zusammenführen – vieles klingt nach einem identitären Gedankengebäude, aber sicher zu belegen ist das nicht: eine Internetrecherche zur „Deutschbruderschaft“ ergab lediglich, dass der Verein mit dem anspruchsvollen Untertitel „Geistiger Kulturbund für universale Wahrheit, Freiheit und Gerechtigkeit e.V.“ zumindest 1931 im Vereinsregister des Amtsgerichts Potsdam eingetragen war und dass er 1934 eine Denkschrift über eine „Deutsche Gottgemeinschaft“ herausgab; beides wurde nicht eingesehen.

BZ, 4. Juli 1923

BZ, 5. Juli 1923

Die Bergedorfer Feier der Deutschbrüder verlief nicht ungestört – ob es „einige auswärtige gewerkschaftlich organisierte Wandervögel“ waren, die den Ablauf und die Spendensammlung störten, oder die Verhaftung dieser Wandervögel, wie es in der Anzeige heißt, sei dahingestellt – jedenfalls sah sich die Deutschbruderschaft veranlasst, in einer weiteren Anzeige zu erklären, dass sie nichts „mit umstürzlerischen Machenschaften“ zu tun habe.

Übrigens: Sonnwendfeiern waren vor hundert Jahren durchaus verbreitet und nicht an eine bestimmte ideologische Richtung gebunden: 1921 gab der Arbeiterjugendbund Groß-Hamburg ein von Hermann Claudius für die Wintersonnenwende 1920 verfasstes Stück „Sonnenwende: Licht; Ein Sonnenwendspiel“ heraus, das mit zwei „mächtigen roten Fahnen“ und dem Gesang von „Wann wir schreiten Seit an Seit“ endete.

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Die kommunalen Ziegenböcke

Bergedorfer Zeitung, 25. Juni 1923

Der Hamburger Senat sorgte sich um die Ziegen: einerseits freute er sich über deren wachsende Zahl, andererseits sah er einen Rückgang der Leistungsfähigkeit der „Kuh des kleinen Mannes“. Also musste (preußischem Vorbild folgend) ein Gesetz her, das alle Probleme lösen sollte. Die Bürgerschaft stimmte dem Gesetzentwurf umgehend zu (BZ vom 30. Juni 1923).

Nun musste jede Gemeinde, in der mindestens 100 „lammfähige Ziegen“ gehalten wurden, selbst zum Ziegenhalter werden und mindestens einen Bock halten (allerdings konnte die Bockhaltung per Vertrag „zuverlässigen Personen“ übertragen werden, was von der Landherrenschaft im Einzelfall zu genehmigen war); kleinere Gemeinden konnten sich zu einem „Bockhaltungsverband“ zusammenschließen.

Die Böcke mussten natürlich „zuchttauglich“ sein, was durch die Körung nachzuweisen war (siehe den Beitrag Die trockenstehende und andere Ziegen) – aber musste das alles wirklich gesetzlich geregelt werden? Landesregierung und Gesetzgeber sahen es so, denn angeblich fanden die Ziegenzuchtvereine keine Bockhalter mehr – die Gemeindevertretungen von Curslack und Altengamme wiesen dies zurück (BZ vom 24. Juli und 16. Oktober 1923): dort funktionierten die entsprechenden Vereine offenbar.

Welchen Erfolg das Gesetz hatte und wann es abgeschafft wurde, ist nicht recherchiert.

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Regierungsamtliche Ernährungsberatung 1923

Bergedorfer Zeitung, 20. Juni 1923

Nicht allen Ernährungstipps von 1923 sollte man aus heutiger Sicht folgen: die Ernährungswissenschaft hat sich in diesem Zeitraum deutlich weiterentwickelt.

Adolf Juckenack, der das hier von der BZ rezensierte Buch über die häusliche Ernährung mit dem Segen des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft verfasst hatte, warnte vor dem „Vegetarismus“: der Mensch sei nun einmal von Natur aus Raubtier und könne „auf das Fleisch unter keinen Umständen verzichten“ – die „Umstände“ werden aber viele Menschen zu genau diesem Verzicht gezwungen haben. Und dass ein Fleisch-Verzicht möglich ist – zumindest Vegetarier und Veganer sind davon überzeugt.

Immerhin: mehrfach wurde die Wichtigkeit von Vitaminen betont, die in Obst und Gemüse enthalten seien, und der Verdammung von „Ersatzmitteln“ (viele von ihnen im Krieg eingeführt) kann man auch hundert Jahre später noch zustimmen.

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