Bergedorfs Amazonen

Bergedorfer Zeitung, 29. Juni 1923

Gab es im Revolutionsjahr 1848 wirklich ein Amazonenkorps in Bergedorf, über das die BZ 1923 schrieb? Die Quellenlage ist eher dürftig.

Die BZ berief sich auf Andreas Spierings Fest-Schrift zur Feier des 50-jährigen Bestehens der Bergedorfer Schützen-Gesellschaft am Dienstag, den 22. März 1898 im „Colosseum“, in der er die Vorgeschichte und Geschichte der Schützenvereinigungen und des „Papagoyenschießens“ darstellte: im März 1848 wurde nicht nur eine Bürgerwehr geschaffen: „Selbst die Mädchen wollten nicht zurückstehen und bildeten ein Amazonen-Corps, das regelmäßige turnerische und militärische Uebungen im Schloßgarten hielt.“ (S. 5) Möglicherweise war der 1842 geborene Spiering kindlicher Augenzeuge dieser Übungen, was aber nicht belegt ist.

Die einzige Bergedorfer Zeitung jener Jahre namens „Bergedorfer Wochenblatt und Eisenbahn-Zeitung“ war der Revolution durchaus nicht abgeneigt, aber in den nur unvollständig erhaltenen Ausgaben von 1848 war kaum etwas über die Revolution in Bergedorf zu finden: erst knapp vierzehn Tage nach dem ersten offiziellen Auftreten der Bürgerwehr schrieb die Zeitung: „Bergedorf. Unsere neue schmucke Bürgerwehr exerciert, bis auf Einzelnes, bereits recht brav, nur Lust und Liebe zur Sache konnten sie in kurzer Zeit dazu bringen.“ (Bergedorfer Wochenblatt und Eisenbahn-Zeitung, 17. August 1848, S. 2, Sp. 1) Über das Amazonenkorps war – wie auch über die Schülerkorps – rein gar nichts zu finden.

So bleiben Fragezeichen, denn die bekannten Sachdarstellungen zur Bergedorfer Geschichte schweigen sich zur Existenz des Amazonenkorps aus – ob Ida Boy-Ed (siehe den Beitrag Die von Bergedorf vereinnahmte Autorin) bei ihrer literarischen Verarbeitung des Themas andere Quellen als Spiering nutzte, ist nicht zu belegen. Vielleicht taucht eines Tages noch eine Familienchronik, ein Tagebuch, ein Brief auf, mit deren bzw. dessen Hilfe die Geschichte bestätigt (oder auch widerlegt) wird.

Übrigens: laut Spiering waren die 150 Gewehre der Bergedorfer Bürgerwehr zunächst „nur noch zum Einexerzieren tauglich“ (Spiering, a.a.O., S. 5). Der Exerziermeister Heinrich Recoschewitz, früher Trompeter bei der Kavallerie und nun Bahnhofswirt in Bergedorf, hatte noch schnell vierzehn Tage Infanterie-Unterricht genommen und unterwies auf dieser Basis die Mitglieder der Bürgerwehr, der Schüler- und des Mädchenkorps in den Grundzügen militärischen Verhaltens (ebd., S. 5f.). Zu irgendwelchen Einsätzen der Truppen kam es erfreulicherweise nicht.

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