Die starke Stellung der Schreber in Bergedorf

BZ, 9. April 1921

Die Bekanntmachung klang bürokratisch und schuf ein quasi-Monopol – aber sie wird viele Bergedorfer erfreut haben: die Stadt übertrug ihre für Kleingärten geeigneten Flächen an den Bergedorfer Schrebergartenverein. Wer pachten wollte, musste sich also an den Verein wenden.

Schon in den Kriegsjahren hatte Bergedorf Flächen für Kleingärten verpachtet, wohl jeweils begrenzt auf ein Jahr, und konnte sich bestimmt nicht über einen Mangel an Nachfrage beklagen: Kleingärten waren vor hundert Jahren bei Stadtbewohnern noch beliebter als heute, denn mit dem Anbau von Kartoffeln und Gemüse und vielleicht auch Hühnerhaltung hofften sie, dem Mangel und den hohen Preisen begegnen zu können.

Bergedorfer Zeitung, 20. November 1920

Aus dieser Situation heraus kam die im Herbst 1920 erfolgte Gründung des Bergedorfer Schrebergartenvereins nicht überraschend, und durch die oben wiedergegebene Bekanntmachung erhielt dieser sogleich eine bedeutende Position: er konnte günstiger anbieten als ein gewinnorientierter privater Grundeigentümer und verpachtete auf Dauer.

BZ, 16. September 1919

BZ, 3. Dezember 1920

Genaue Angaben über die Flächen des Vereins vor hundert Jahren waren der BZ nicht zu entnehmen, aber mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit lagen diese am Curslacker Neuen Deich und am Pollhof in Curslack, wie sich aus zwei Anzeigen in der BZ ergibt: bereits im Herbst 1919 hatte der Magistrat ein Gebiet „hinter dem Klärwerk“ zur Verpachtung angeboten, und der Schrebergartenverein lud kurz nach seiner Gründung zu einer Hauptversammlung, in der es um die „Verpachtung Pollhof“ gehen sollte. Beide Gebiete werden auch 2021 kleingärtnerisch genutzt, allerdings von zwei Vereinen: die Gartenfreunde Pollhof e.V. (624) machten sich 1977 selbstständig. Der Bergedorfer Schrebergartenverein von 1920 e.V. (609) ist nach wie vor auf der Fläche am Curslacker Neuen Deich ansässig, doch droht ihm Ungemach: der Bezirk Bergedorf möchte hier ein Gewerbegebiet schaffen. Nach Auskunft des langjährigen Vereinsvorsitzenden der Bergedorfer, Wolfgang Schütz, besteht diese Absicht schon seit Jahrzehnten und es kann noch Jahre dauern, bis ein Umzug erfolgt – nach § 14 Bundeskleingartengesetz muss die Kommune Ersatzflächen bereitstellen.

Eine Chronik des bald 101 Jahre alten Bergedorfer Schrebergartenvereins von 1920 gibt es leider nicht, und die Namen der Gründungsväter tauchten nicht in der BZ auf. Bekannt ist nur das Vereinslokal jener Jahre (siehe die Anzeige oben).

Über die Entwicklung des Kleingartenwesens in Hamburg gibt es eine von Hartwig Stein verfasste Chronik, herausgegeben und herunterzuladen von der Internetseite des Landesbunds der Gartenfreunde Hamburg, in der Bergedorf nur einmal (S. 33) in Verbindung mit Dachverbandsfragen erwähnt wird. Ansonsten ist diese Schrift sehr lesenswert, weil sie viel Hintergrund zur Kleingarten- und Schreberbewegung enthält und sehr viel mehr ist als eine reine Verbandschronik.

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