Das Kleinkraftrad: ohne Kennzeichen und ohne Führerschein

BZ, 14. März 1924

Bergedorfer Zeitung, 10. Mai 1924

Das Gesetz nannte sie Kleinkrafträder, die Händler bevorzugten den Begriff „Leichtmotorrad“ für diese Variante                           des motorisierten Zweirads.

Bergedorfer Zeitung, 16. Mai 1924

Seit 1909 gab es das Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen, diese definiert als Wagen oder Fahrräder, „welche durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein.“ Kraftfahrzeugführer mussten eine behördliche Führerscheinprüfung ablegen, und ihr Fahrzeug musste mit einem Kennzeichen versehen sein. 1924 wurde durch eine neue Verordnung klargestellt, dass es für Kleinkrafträder weniger strikte Regeln geben sollte: man benötigte weder ein Nummernschild noch einen Führerschein, was den Verkauf sicher förderte.

1923 gab es nur eine Händler-Anzeige aus dem Raum Bergedorf (Otto Rudow aus Sande, BZ vom 6. Dezember 1923), 1924 inserierten zusätzlich drei Händler aus der Stadt Bergedorf (Riege, Richard Eggers, Heinrichs) und aus Neuengamme auch Hermann Heitmann – häufigster Inserent war Otto Wulff. Mit den Verkaufsaussichten stieg eben auch die Zahl der Anbieter.

Die relativ günstigen Preise dürften die Nachfrage befördert haben, und bei mehreren Veranstaltungen im Landgebiet war der 1. Preis ein Leichtmotorrad: bei einem Preiskegeln (über acht Sonntage) und bei einem „Preis-Billard-Spiel“ (über vier Sonnabende) (Anzeigen in der BZ vom 16. Mai und 19. Juni 1924).

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Das lange Warten aufs Warmbaden

Bergedorfer Zeitung, 17. Mai 1924

Es war in Sachen Warmbadeanstalt schon viel Billewasser durch Bergedorf geflossen, und es sollte noch Jahre weiterfließen, bis endlich die Einweihung erfolgen konnte. Immerhin gab es 1924 einen neuen Zwischenstand: mit knapper Mehrheit bewilligten Rat und Stadtvertretung die beachtliche Summe von 80.000 M, um die Errichtung „sofort in Angriff zu nehmen“. Der Bau einer neuen Flussbadeanstalt war weniger dringend, denn es gab ja schon die Einrichtung am Hundebaum (siehe die Nr. 33 auf der Karte 1904), die allerdings in die Jahre gekommen war. Die Forderung nach einem ganzjährigen „Volksbadehaus“ mit Wannenbädern war nach den bisherigen Recherchen erstmals im Programm der SPD Bergedorf zur Bürgervertreterwahl 1898 erhoben worden (BZ vom 22. April 1898, siehe auch BZ vom 15. Februar und 20. Dezember 1903).

Das Grundstück für das „Volksbad“ hatte die Stadt bereits 1914 gekauft, aber der Krieg und seine Folgen sorgten für fast ein Jahrzehnt Stillstand (siehe den Beitrag Von Kriegsnot und Warmbadeanstalt), bis Clementine Dernehl (DDP) durch ihren Antrag wieder für Bewegung sorgte. Sie begründete ihre Initiative mit „volkshygienischen Gründen“, die sehr leicht nachvollziehbar sind: häusliche Badezimmer waren vor hundert Jahren fast nur bei Wohlhabenden und fast nie in Arbeiterhaushalten vorhanden. Wer eine (eigene) Badewanne benutzen konnte, gehörte zu den hygienisch Privilegierten (was im Streit um Rektor Müllers Badewanne sicher auch eine Rolle gespielt hatte). In diesem Sinne bessergestellt waren auch die Bewohner der hochpreisigen Neubausiedlung am Grasweg (heute Grasredder/Heinrich-Heine-Weg): ihre Häuser waren klein, verfügten aber über „Badeeinrichtung [und] Wasserklosett“ (BZ vom 5. Juli 1921).

Für die allermeisten Bergedorferinnen und Bergedorfer galt, dass ein warmes Bad in der Hamburger Steinstraße genommen werden musste: dort gab es seit 1855 eine Badeanstalt mit „Bädern für Männer und Frauen in zwei Klassen nebst einem ‚Regenbade‘“ (Bergedorfer Schlosskalender für 1931, S. 67).

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Schule mit Nackt-Gymnastik oder als Dressuranstalt preußisch-deutscher Kriegsuntertanen?

Bergedorfer Zeitung, 10. Mai 1924

Laut BZ sollten die Wahlen der Schul-Elternräte entscheiden, „welcher Geist in Zukunft in den Schulen herrschen und Kindesseele, Zukunft und Volk bestimmen soll“ (BZ vom 8. Mai 1924), denn der von den Schul-Elternräten gewählte Landes-Schulbeirat hatte das Recht, zum Entwurf des neuen Schulgesetzes Stellung zu nehmen: „So kommt den Elternratswahlen eine Bedeutung zu, die weit über den Interessenkreis der einzelnen Schulen hinausgeht.“

Folglich gab es 1924 ähnlich wie 1920 (siehe den Beitrag Der Wahlkampf um die Elternräte) eine heftige Auseinandersetzung mit Zeitungsanzeigen und Flugblättern, wobei die Beteiligten nach dem Motto agierten, dass auf einen groben Klotz ein grober Keil gehöre:

Bergedorfer Zeitung, 10. Mai 1924

Bergedorfer Zeitung, 10. Mai 1924 (hier verkleinert wiedergegeben)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die „Liste Behrmann“ an der Hansa-Schule wurde angeführt von der Ehefrau Pastor Behrmanns (die weiteren Namen auch der „unpolitischen“ Kandidaten an den Stadtschulen sind in einer weiteren Anzeige, BZ vom 10. Mai 1924, S. 8, aufgeführt); die Namen der Liste Schulfortschritt standen nicht in deren Anzeigen.

Die Wahlbeteiligung lag bei 50 bis 55 Prozent, immerhin deutlich mehr als zwei Jahre zuvor (40%); die Stärkeverhältnisse der Blöcke blieben im wesentlichen gleich: an allen Stadtschulen erreichte „Schulfortschritt“ die Mehrheit, musste aber an der Mädchenschule Brauerstraße einen Sitz abgeben. An der Hansa-Schule machten 90 Prozent der Eltern von ihrem Wahlrecht Gebrauch: acht der neun Sitze gingen an die „Liste Behrmann“, und erstmals wurde dort mit H. Reimer ein „Schulfortschritt“-Vertreter gewählt. An der Luisen- und der Hilfsschule hatte es jeweils nur eine Liste gegeben – die Namen aller Gewählten wurden am Tag nach der Wahl veröffentlicht (BZ vom 12. Mai 1924).

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Mooraufhöhung und Sandabbau

BZ, 7. Mai 1924

Die „Aufhöhungsarbeiten auf dem Horster Moor“ sollten beginnen – man kann zumindest nicht ausschließen, dass es genau die Flächen des Horster Moores waren, die man 1919/1920 zur Torfgewinnung abgegraben hatte. Das Versorgungsheim an der Rothenhauschaussee ist in einer Karte von ca. 1910 verzeichnet, östlich davon das Moor.

Die Arbeiten sollten von Erwerbslosen ausgeführt werden, von denen es Ende 1923 in Bergedorf rund 1.000 gegeben hatte (BZ vom 19. Dezember 1923). 90 Personen meldeten sich für diese Arbeit; da aber nur 40 beschäftigt werden konnten, wurde ein Zweischichtenbetrieb mit jeweils 40 Männern eingerichtet, die vier Tage in der Woche jeweils 4 Stunden schufen (BZ vom 12. März 1924).

Eigentlich wäre die Arbeitsleistung damit „ohne besondere Vergütung, also zur Abgeltung der … gezahlten Erwerbslosenunterstützung“ zu erbringen gewesen, hatte die BZ am 19. Dezember 1923 geschrieben, doch seien Prämien für höhere Arbeitsleistung möglich, und tatsächlich zahlte Bergedorf Prämien und stellte ein kostenloses Mittagessen (BZ vom 12. März 1924). Das empfand aber der Stadtvertreter Seß (KPD) als Lohndrückerei für Privatbetriebe (BZ vom 29. März 1924). Die SPD-Fraktion beantragte bei der darauffolgenden Sitzung der Stadtvertretung, dass den Arbeitern Tariflöhne gezahlt werden sollten – und alle, auch die Rechten, stimmten dem zu (BZ vom 2. Mai 1924).

Bergedorfer Zeitung, 7. Mai 1924

Der Rat der Stadt folgte dem und privatisierte nicht nur das bisher städtische Vorhaben per Ausschreibung (s.o.), sondern machte offenbar auch die Weiterbeschäftigung der bisherigen Arbeiter zur Bedingung. Die Maßnahme war ursprünglich mit 39.000 Mark veranschlagt worden. Die Vergabe erfolgte dann bei 53.960 Mark, weitere 14.000 Mark mussten nachbewilligt werden (BZ vom 26. April, 28. Mai und 30. Dezember 1924).

Die Gesamtkosten betrugen also knapp 70.000 Mark – dafür wurden über Monate Menschen zu Tariflöhnen bezahlt, was über 60.000 Mark ausgemacht haben dürfte. Die ca. 70.000 Kubikmeter Boden waren offenbar ein nur geringfügiger Kostenfaktor. Es ist zu vermuten, dass das Füllmaterial einfach vom städtischen Grund auf der Nordseite der Rothenhauschaussee genommen wurde: jedenfalls verläuft der Geesthang heute sehr viel weiter nördlich als in der Karte von 1910 eingezeichnet.

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Die Zeitung und der Postabbau

Bergedorfer Zeitung, 6. Mai 1924

Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern, hieß es früher, als die Zeitung noch (fast) das Monopol auf die Verbreitung aktueller Nachrichten hatte – und da die Bergedorfer Zeitung damals erst gegen Mittag Redaktionsschluss hatte und am selben Nachmittag in die Häuser der Abonnenten gelangte, war das für die Leserinnen und Leser sicher erfreulich.

Diese Aktualität erreichte die BZ allerdings nur im Stadtgebiet – in Vierlanden wurde erst am Folgetag durch den Postboten zugestellt, und da die Post die Sonntagszustellung auf dem Lande eingestellt hatte, mussten die Dorfbewohner auf ihre Sonnabend-Zeitung und Briefe bis zum Montag warten. Was hier ein frustrierter Leser am Beispiel des Seefelds, eines  Ortsteils des ländlichen Kirchwärder, schilderte, traf so oder ähnlich auf andere Dörfer zu: die vor dem Weltkrieg eingerichtete „Posthilfstelle“ (beim Gastwirt Timmann im westlichen Teil des Hausdeichs) war ebenso wie die Postagentur (bei der Kirchwärder Kirche) geschlossen worden, denn auch die Post war von der Personalabbauverordnung betroffen und strich allein im Postamt Bergedorf 22 Stellen (BZ vom 1. Februar und 3. April) – für Seefeld bedeutete dies alles, dass Zeitung und Briefe erst ein bzw. zwei Tage später eintrafen.

Und wenn eine Bewohnerin oder ein Bewohner Seefelds etwas „auf der Post“ zu erledigen hatte, dann war das nach Schließung der Seefelder Postfiliale sehr viel aufwändiger geworden: hatte man zur dortigen Posthilfstelle vielleicht einen Kilometer zurücklegen müssen und zur Postagentur bei der Kirche sechs bis sieben Kilometer, so waren es nun bis zum Zollenspieker eher neun oder zehn – der Weg zum Postamt Bergedorf dürfte kürzer gewesen sein.

Für die Zeitungszustellung am Sonntag ließ sich das Postamt Zollenspieker etwas einfallen: man suchte Einwohner, die „günstig gelegene Abholestellen für Sonntags eingehende Zeitungen“ einrichten wollten (BZ vom 13. August); ob es dazu kam, war nicht in der BZ zu lesen. In Ochsenwärder wählte man einen anderen Weg, die Gemeinde erreichte eine Einigung mit der Postbehörde in Hamburg: „Durch freiwillige Gaben werden jährlich 300 M aufgebracht und dafür erhalten ab nächsten Sonntag alle Einwohner wieder regelmäßig ihre sonntägliche Post.“ (BZ vom 4. Dezember)

Die genannten Ortsteile Kirchwärders sind auf einer Karte aus den 1920er Jahren verzeichnet; die Angaben zu den Posteinrichtungen sind verschiedenen Hamburger Adress- bzw. Fernsprechbüchern entnommen.

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Wieder ein übler Wahlkampf

Waren die „Völkischen“ bei der Bergedorfer Kommunalwahl Anfang März 1924 noch eine Randerscheinung gewesen, die nicht zur Wahl stand, so erschien der Völkisch-Soziale Block bei der Reichstagswahl einige Wochen danach erstmals auf dem Hamburger Stimmzettel (Die NSDAP war nach dem gescheiterten Hitler-Putsch verboten worden.) und machte entsprechend Wahlkampf.

Bergedorfer Zeitung, 26. April 1924 (hier verkleinert wiedergegeben)

Bergedorfer Zeitung, 30. April 1924

Ob der Vierlanden-Maler Hans Förster diese Völkischen meinte, als er von „runensüchtigen Schwarmgeistern“ sprach (BZ vom 14. März), ist nicht klar – aber es waren keine naiv-deutschtümelnden Schwärmer, sondern harte Rassenideologen und Demokratiefeinde, die „Personen jüdischer Abstammung“ den Zutritt zu ihrer Veranstaltung im Colosseum verwehrten. Am Antisemitismus des völkischen Redners störte sich der Berichterstatter der BZ nicht wegen des Inhalts, sondern wegen der „teilweise recht anstößigen Ausdrücke“.

Immerhin: eine kontroverse Diskussion mit Vertretern der politischen Linken fand statt. Die anderen Parteien waren offenbar ferngeblieben, und so werden die „heftigen Auseinandersetzungen am Eingang zum Saal“ sich ebenfalls zwischen Linken und Rechten abgespielt haben.

Bergedorfer Zeitung, 5. Mai 1924

In der Stadt Bergedorf konnte der Völkisch-Soziale Block 3,6% der Stimmen (374 von 10.386) erreichen, in den „bürgerlichen“ Wahllokalen Forsthaus mit 6,1% und Stadthaus mit 7,8% deutlich mehr. Sein bestes Resultat in der Landherrenschaft Bergedorf erzielte er in Curslack, wo mehrere völkische Aktivisten wohnten (siehe dazu auch den Beitrag Deutschvölkische Töne), mit 9,97%. Am wenigsten anfällig waren die Wählerinnen und Wähler in Altengamme: 0,8%.

Im Reich erhielt der Block 6,55% und bekam 32 Sitze im Reichstag (BZ vom 7. Mai).

 

 

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Der durchlöcherte Stimmzettel

Es war die erste Reichstagswahl, bei der ein „amtlicher Stimmzettel“ eingesetzt wurde. Erstmals waren auf dem Stimmzettel alle im jeweiligen Wahlkreis kandidierenden Parteien aufgeführt (bei den Wahlen 1919 und 1920 verteilten die einzelnen Parteien jeweils „ihren“ Stimmzettel, siehe den Beitrag Wie wähle ich?). Dementsprechend war der Aufklärungsbedarf groß, und die Bergedorfer Zeitung gab immer wieder Tipps zur Stimmabgabe – nicht alle waren richtig.

Bergedorfer Zeitung, 28. April 1924

Bergedorfer Zeitung, 28. April 1924

Entscheidende Neuerung war, dass auf dem Stimmzettel eine Eintragung gemacht werden musste. Folglich hieß es hier, „kreuze den Kreis der Partei an, die Du wählst!“ Aber auch ohne Schreibgerät war laut BZ die Stimmabgabe möglich: „Hast du den Bleistift vergessen, so durchlöchere den Kreis mit einem Finger. Auch dann ist der Wahlzettel gültig.“

Bergedorfer Zeitung, 30. April 1924

Genau diese Gültigkeit des gelochten Stimmzettels bestritt der Leiter des Hamburger Wahlamts.  Er warnte dringend in einem Schreiben vor dem Durchlöchern: das Loch könne zu groß geraten, weitere Felder einreißen und damit als ungültige Stimme gewertet werden, oder es könne als unzulässiger Vermerk angesehen werden und deshalb zur Ungültigkeit führen – so die persönliche Meinung Dr. Sköllins. In der Verordnung über Reichswahlen und -abstimmungen (Reichsstimmordnung) vom 14. März 1924, RgBl I 1924, S. 173ff. hieß es zur Frage der Gültigkeit einer Stimme nur: „Bei Reichstagswahlen kennzeichnet [der Wähler] auf dem Stimmzettel durch ein Kreuz oder Unterstreichen oder in sonst erkennbarer Weise, welchem Kreiswahlvorschlag er seine Stimme geben will.“ (§ 117, S. 190) Das lässt Interpretationsspielräume: ein hinreichend großes Loch ist sicher „erkennbar“ (nach § 123 also gültige Stimme), aber ist es zugleich ein unzulässiger „Vermerk“ (nach § 123 also ungültige Stimme)?

Bergedorfer Zeitung, 7. Mai 1924

Nach der Wahl meldete die BZ „eine verhältnismäßig geringe Zahl ungültiger Stimmen“ (BZ vom 7. Mai): laut amtlichem Endergebnis für Hamburg waren unter den 630.439 abgegebenen Stimmen nur 4.155 ungültig (BZ vom 9. Mai). Vielleicht hatte dazu auch beigetragen, dass die BZ am Tag vor der Wahl von der Loch-Empfehlung abgerückt war und klar zum Kreuz geraten hatte (BZ vom 3. Mai). Zu verhindern waren ungültige Stimmen nicht – dazu waren einige Wähler zu kreativ, wie der Bericht zeigt.

Zur Ehrenrettung der Bergedorfer Zeitung muss angemerkt werden, dass andere (und größere) Hamburger Zeitungen ebenfalls den Loch-Trick empfohlen hatten: der Hamburgische Correspondent und die Harburger Anzeigen und Nachrichten, beide am 29. April (Digitalisate im Portal Hamburger Zeitungen Digital). Nicht hereingefallen waren das Hamburger Fremdenblatt und das Hamburger Echo; das „Echo“ schrieb, dass die „von einem Korrespondenzbureau unentgeltlich“ verbreiteten Abbildungen nicht benutzt wurden, „weil die dort angegebenen Methoden falsch oder zum mindesten gefährlich sind.“ (Hamburger Echo vom 30. April)

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Die Deutsche Turnerschaft: auf Abgrenzung bedacht

Fußball raus aus den Turnvereinen – das war (salopp gesagt) 1923 das Ziel der Verbandsspitzen der Deutschen Turnerschaft (DT) gewesen: die Fußballabteilungen der Turnvereine sollten ausgegliedert werden und andere Namen erhalten als die Muttervereine (BZ vom 1. Juni 1923). In Bergedorf war vor allem die Bergedorfer Turnerschaft von 1860 betroffen. Ihr ging eine Reihe von Mitgliedern verloren, denen das Fußballspielen wichtiger war als das Turnen (BZ vom 23. September 1924): sie gründeten den „Bergedorfer Fußballklub von 1923“ (BZ vom 26. Oktober 1923), der sich aber nach kurzer Zeit wieder auflöste (BZ vom 12. Januar 1924), denn die Turnfunktionäre machten eine halbe Rolle rückwärts: sie etablierten den „Fußball in der Deutschen Turnerschaft“, also in eigener Verbands- und Funktionärshoheit, und grenzten sich damit vom Norddeutschen Fußball-Verband ab.

Bergedorfer Zeitung, 26. Oktober 1923

BZ, 10. November 1923

 

 

 

 

 

1920 hatte noch der Sport im Vordergrund gestanden: da hatte es eine aus Turnern (vom MTV und von BT 80) und Sportlern (Spiel und Sport Bergedorf) gebildete Bergedorfer Stadtmannschaft gegeben, die zu einem „Städtespiel“ gegen Harburg antrat, das dann wegen Unbespielbarkeit des Platzes beim Stand von 2:1 für Harburg abgebrochen wurde (BZ vom 12. Januar 1920).

Bergedorfer Zeitung, 28. April 1924

Der Bericht über das „Gesellschaftsspiel“ der BT 60 bei Gut Heil Geesthacht wurde vermutlich von einem Turner-Fußballer verfasst, der das fußballerische Spielniveau lobte, doch in den Turnvereinen gab es weiterhin Gegner des Balltretens: sie propagierten Handball, das „in der D.T. eifrig gepflegte deutsche Turnspiel“, auch dieses im eigenen Verband unter dem Dach der Deutschen Turnerschaft (BZ vom 21. Juni 1924). Man schuf sich seinen eigenen Kosmos, denn ebenso wurden Volkstänze, Schwimmen (BZ vom 5. Juli 1924) und die herablassend benannten „volkstümlichen Übungen“ im eigenen Verband praktiziert (der Norddeutsche Fußball-Verband bezeichnete die „volkstümlichen Übungen“ übrigens als Leichtathletik).

Für die Verbands- und Vereinsspitzen der Turner schien die sportliche Betätigung vor allem der Charakterbildung und dem Vaterland dienen zu sollen: in einer Rede betonte der Vorsitzende der BT 60, Otte, dass die Seele der deutschen Turnerschaft „tätiger Gemeinsinn sei, die Willenskraft und Tatenfreude, Hingabe, Aufopferung und sittlichen Ernst zum Wohle des deutschen Volkes und Vaterlandes wecke und fördere.“ (BZ vom 23. September 1924) So grenzte man sich ab, stand aber sportlich im Abseits.

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Erfolgreiche Kleingärtner- und Bauernproteste

Bergedorfer Zeitung, 16. April 1924

Der (damals einzige) Schrebergartenverein für Bergedorf und Sande rief zum Protest auf: „die von den Behörden festgesetzten Pachthöchstpreise“ seien zu hoch. Nicht nur die Schrebergärtner waren davon betroffen, sondern auch die „Kleinpächter“, die auf weniger als fünf Hektar Land wirtschafteten und von den Erträgen ihren Lebensunterhalt ganz oder großenteils bestritten. Die Pachthöhe wurde wesentlich beeinflusst von der Höhe der Grundsteuer, die die Verpächter von Land an ihre Pächter „durchreichten“.

Bergedorfer Zeitung, 19. April 1924

Der Redner des Protestabends kam aus Hamburg, es war der Behördenmitarbeiter Gartenbauinspektor Rosenbaum, und er fand, dass der in Stormarn geforderte Pachtpreis zu hoch sei: Maßstab dürfe nicht die Lage des Grundstücks sein, sondern der (gärtnerische) Ertragswert. Erst wenn das Grundstück zu Bauland geworden sei, dürfe es höher bewertet und mit einer höheren Grundsteuer belegt werden. Damit orientierte sich Rosenbaum an den Vorstellungen der Bodenreformer, deren Ziel es war, durch Gewinnabschöpfung Bodenspekulation zu unterbinden, und in diesem Sinne wurde auch die Protestresolution beschlossen.

In Preußen wie in Hamburg ging es der Politik aber nicht um Bodenreform, sondern um Staatsfinanzen: deswegen war die Grundsteuer ja gerade erhöht worden. In Hamburg galten nun alle unbebauten Grundstücke als Bauland und wurden hoch besteuert (BZ vom 22. Januar), für Scheunen und Ställe galten dieselben Steuersätze wie für Wohngebäude, kurz: die Steuern für die Landwirte seien so hoch, „daß der Bauer bald den ganzen Gaul dem Finanzamt bringen und dann stempeln gehen könne“, wie es ein Bauernfunktionär in einer Versammlung des „Landrings“ formulierte (BZ vom 4. und 11. Februar).

Doch als die Schreber in Sande protestierten, zeichnete sich in Preußen und Hamburg bereits eine Entspannung durch Steuersenkung ab, und das dürfte auch die geringe Teilnehmerzahl im Holsteinischen Hof erklären. In Hamburg verhandelte eine Kommission aus den Landgemeinden (u.a. mit Kirchwärders Gemeindevorsitzendem Heinrich Grube) mit dem Staat und zeigte sich anschließend zufrieden: Es „findet durchweg eine sehr erhebliche Ermäßigung der Grundsteuer statt, die von den mitwirkenden Vertretern des Landgebietes auch als tragbar angesehen wurde. Sämtlichen Grundbesitzern wird eine berichtigte Grundsteuerrechnung in nächster Zeit zugehen.“ (BZ vom 22. April)

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Die Wettervorhersage und die Motorfräse

Bergedorfer Zeitung, 8. April 1924

Im Frühjahr 1924 führte die BZ eine Neuerung ein: bis dahin hatte es nur eine knappe Wettervoraussage für den nächsten Tag gegeben – nun (ab dem 27. März) wurde dem Wetter regelmäßig mehr Platz eingeräumt: die Leser und Leserinnen konnten von da an mittels der Wetterkarte der Deutschen Seewarte auf das Wetter in z.B. Island und Ancona zurückschauen oder sich aus der textlichen „Übersicht“ zeitnäher über Vergangenes informieren. Die zweimalige Nennung Islands hier dürfte eher Verwirrung gestiftet haben, aber laut Wetterkarte war am 7. April in Island Schnee gefallen, und am 8. April waren „kalte Luftmassen … südostwärts vorgestoßen“. Das stand also fest. Für den 9. April (soweit lesbar) wurden im Verbreitungsgebiet der BZ „vereinzelte leichte Niederschläge“ erwartet; die Voraussage für den 10. April lautete u.a. „einzelne meist leichtere Regenfälle“ bei kühlen Temperaturen (BZ vom 9. April).

„April! April! Der weiß nicht, was er will.“ So charakterisierte der mecklenburgische Dichter Heinrich Seidel (1842 – 1906) die Kapriolen des Wetters in jenem Monat: mal Sonne, mal Regen, und: „Oh weh! Oh weh! Nun kommt er gar mit Schnee!“

Schlagzeile des Lokalteils der Bergedorfer Zeitung, 10. April 1924

Bergedorfer Zeitung, 10. April 1924

Das prognostizierte klein bisschen Regen wandelte sich zu einem „äußerst heftigen Schneetreiben“, der nasse Schnee blieb so dick auf den Strom- und Telefonleitungen liegen, dass die Drähte rissen und Masten sich umlegten: Bergedorfs Stromverbraucher, darunter das Eisenwerk und die Bergedorfer Zeitung, waren lahmgelegt, doch am nächsten Tag konnten die Maschinen wieder laufen und die BZ wurde nachgeliefert.

Bergedorfer Zeitung, 22. April 1924

Eine andere Maschine, angetrieben von einem Benzinmotor, konnte in jenen Tagen auch nicht wie geplant eingesetzt werden: die Vorführungen einer Gartenfräse, die u.a. für den 10. April geplant waren, mussten (wohl wegen des schneebedeckten oder aufgeweichten Bodens) um fast zwei Wochen verschoben werden. Berichte über den Erfolg des arbeitssparenden Geräts waren der BZ nicht zu entnehmen, doch es gibt online ausführliche Informationen zur Geschichte der Siemens-Bodenfräsen und Abbildungen dazu; man kann allerdings vermuten, dass es nur für leichtere Böden im Gemüsebau geeignet war – aber die Mechanisierung der Landwirtschaft schritt weiter voran.

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