Warum allein Motorrad fahren, wenn man es auch in einer Gruppe tun kann? Das dürfte vor hundert Jahren ein wesentliches Gründungsmotiv für die „Motorradfahrervereinigung von Vierlanden und Umgegend“ gewesen sein – die Deregulierung der Kleinkrafträder hatte ja zu stark steigenden Zahlen geführt, was organisierte Gemeinschaftsveranstaltungen für manche Freunde dieses Motorsports sicher attraktiv machte.
Doch was des einen Vergnügen, ist des anderen Leid, Belästigung, Gefährdung und sogar Schaden: in Sande erhob der Bürgerverein Protest gegen eine behördlich genehmigte „Motorrad-Zuverlässigkeitsfahrt“, bei der angeblich der Ort viel zu schnell durchquert wurde (BZ vom 18. August). Für ein Motorradrennen Schwarzenbek – Lauenburg – Bergedorf und zurück wurden laut BZ die Ortsdurchfahrten in Bergedorf und Geesthacht „neutralisiert“ (BZ vom 20. und 24. September). Bei dieser Wettfahrt belegte der Neuengammer Otto Wulff überraschend Platz 2 (BZ vom 7. Oktober).
Aber wie war Wulff an den Start gelangt? Die Landherrenschaft hatte das generelle Verbot des Befahrens der Deiche mit Motorfahrzeugen in den Vier- und Marschlanden ausdrücklich auf Kleinkrafträder ausgedehnt, da die Deiche für solchen Verkehr nicht geeignet waren (BZ vom 12. Juli) – Ausnahmen sollten allerdings möglich sein, und vielleicht war es Wulff ja gelungen, eine solche Genehmigung zu erhalten.
Die „Motorradfahrervereinigung“ kündigte „geeignete Schritte“ gegen das Fahrverbot bei der Behörde an (BZ vom 3. September), aber zumindest 1924 gab es keine Änderung der Vorschrift. Der Neuengammer Motorradhändler Hermann Stahlbuhk hatte zu diesem Zeitpunkt bereits resigniert und veranstaltete eine Art Schlussverkauf „zu jedem annehmbaren Preis“.
Ob die restriktive Regelung tatsächlich restriktiv gehandhabt wurde, kann man bezweifeln: die Gemeindevertretung von Curslack protestierte mehrfach gegen die großzügige Praxis der Landherrenschaft bei der Erteilung von Genehmigungen, allein 40 in Curslack (BZ vom 30. September und 13. Dezember).