Ungereimtheiten beim Rathausbau

Bergedorfer Zeitung, 13. August 1925

Nicht nur der Sieger des Wettbewerbs wurde disqualifiziert, sondern auch der Zweitplatzierte. Zum Sieger ernannt wurde ein Nicht-Teilnehmer, was aber erstaunlicherweise keine öffentliche Empörung auslöste.

Es ging immerhin um den Wettbewerb für den Bau des Bergedorfer Rathauses: die Durcharbeitung der zwei Siegerentwürfe durch das Bergedorfer Bauamt hatte ergeben, „daß sich keiner der beiden zur Ausführung eignet.“ Nun sollte ein neuer Entwurf zum Zuge kommen, erstellt vom Leiter des Bergedorfer Stadtbauamts, Wilhelm Krüger – hörte da niemand eine Nachtigall trapsen?

Welche Maßstäbe genau angelegt wurden, ist unklar, wie auch Olaf Matthes und Otto Steigleder (S. 23ff.) schreiben, und da die Entwürfe Schneider sowie Grell und Pruter offenbar nicht archiviert wurden, ist eine nachträgliche vergleichende Bewertung schlicht unmöglich – die Pläne der eigentlichen Sieger wurden wohl im wahrsten Sinne des Wortes verworfen.

Krüger schrieb später (in: Das neue Bergedorf 1931, S. 21), dass der Wettbewerb ergeben habe, „daß mit geringen Mitteln keine befriedigende Lösung erzielt werden konnte.“ Sieger Schneider hatte mit 240.000 Mark gerechnet, der zweite Sieger Grell und Pruter mit 260.000 Mark – da wundert es schon, dass Magistrat und Stadtvertretung beschlossen, den Entwurf Stadtbauamt-Krüger zu realisieren, für den Ausgaben von 400.000 Mark bewilligt wurden, obwohl lediglich 300.000 Mark sicher verfügbar waren (BZ vom 14., 15. und 19. August 1925), aber man hoffte ja auf Steuermehreinnahmen.

Bei der endgültigen Beschlussfassung in der Stadtvertretung herrschte weitgehend Einigkeit; am Ende lehnten nur die KPD-Vertreter ab, die lieber Wohnungs- statt Rathausbau gesehen hätten. Alle anderen Abgeordneten stimmten den Plänen zu, obwohl es in Einzelpunkten durchaus unterschiedliche Auffassungen gab: während Bürgervertreter Leonhardt den Erhalt „aller alten Räume“ forderte, hielt Bürgervertreter Rümcker „das Messtorffsche Gebäude mehr oder weniger für Kitsch“ (BZ vom 19. August 1925).

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Die Belästigungen auf der Bille

Die Bille zwischen Bergedorf und Reinbek

Geht man nach der Ansichtskarte, einem beliebten und vielfach variierten Fotomotiv, so war (und ist) die Bille zwischen Bergedorf und Reinbek in vielen Bereichen absolut idyllisch zu nennen.

Eher geräuschvoll ging es zu in der Umgebung der Gaststätten am Billeufer, und natürlich auch in den beiden kommunalen Badeanstalten Bergedorfs (am Hundebaum, Nr. 33 auf der Karte 1904) und Sandes (ein Stück billeaufwärts, siehe die Karte von 1928 bei Bergedorf-chronik.de).

Bergedorfer Zeitung, 18. August 1925

Für Ruderer, Paddler und Kanuten (vielleicht auch Punt-Fahrer, siehe den Beitrag Per Punt auf der Bille unterwegs) wäre der beschauliche Fluss ein ideales Revier gewesen, wenn es da nicht die „Billepiraten“ gegeben hätte: „Halbwüchsige, die in den angrenzenden Wiesen ihr Unwesen treiben“ und sich „unsittlich gezeigt haben“ (BZ vom 3. Juni 1925). In das selbe Horn tutete ein Leserbriefschreiber „-r.“, der ein Einschreiten, „energisch und sofort“, gegen die Belästigungen forderte: wer baden wolle, könne doch eine der Badeanstalten besuchen, und dort müssten die Badewärter für Ordnung sorgen. Doch genau das dürfte (neben dem zu zahlenden Eintrittsgeld) für die „Freibadenden“ der Grund gewesen sein, die unüberwachten Bereiche vorzuziehen.

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Verfassungsfeier und Reichsgründungsfeier 1925

Bergedorfer Zeitung, 8. August 1925

Bergedorfer Zeitung, 8. August 1925

Der Rat der Stadt Bergedorf lud 1925 „die Bevölkerung“ zu einer kurzen Verfassungsfeier ein – ein „Festausschuss“ lud (einschränkend) die „verfassungstreue Bevölkerung von Bergedorf-Sande“ zu einer Feier am selben Abend ein. Die Redner kamen wie in den Vorjahren aus der Hamburger Landespolitik.

Die Abendveranstaltung mit dem Redner Theodor Haubach zog zweifellos mehr Besucher an, denn sie fand ja außerhalb der Arbeitszeit statt und hatte sehr viel mehr unterhaltende Elemente. Zum Abschluss gab es wie in den Vorjahren ein Kunstfeuerwerk, das 1924 die Gemeinde Sande bezahlt hatte. Der Fackelzug hatte eine ortstypische Beeinträchtigung zu erleiden: der Zug wurde durch die heruntergehenden und -gegangenen Bahnschranken für einige Minuten geteilt und aufgehalten (BZ vom 12. August 1924 und 12. August 1925).

Den Zeitungsberichten nach waren wieder zahlreiche Häuser mit schwarz-rot-goldenen Fahnen geschmückt (BZ vom 11. August 1925), dem Symbol der jungen Republik, und für Dr. Haubach war der „Kampf um die 1848er Freiheitsfarben Schwarz-rot-gold …  zur Machtfrage geworden. Wer Schwarz-weiß-rot wieder an die Stelle der jetzigen Reichsfarben zu setzen beabsichtige, wolle den Bürgerkrieg.“ (BZ vom 12. August 1925)

Bergedorfer Zeitung, 7. Januar 1925

Schwarz-weiß-rot, die Fahne des Kaiserreichs, hatte jedenfalls auch in Bergedorf und Sande weiterhin Anhänger in nicht geringer Zahl: als Bergedorfs Militärvereine den Jahrestag der Gründung des Kaiserreichs (18. Januar 1871) festlich feierten, war der Saal von Hitschers Gesellschaftshaus in diesen Farben dekoriert, und der Festredner, Generalmajor Freiherr von Ledebur, beklagte, „daß nicht nur der Parlamentarismus, sondern auch die Weimarer Verfassung einfach Bankerott gemacht haben (sic!)“ (BZ vom 12. Januar 1925).

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Per LKW zum Großmarkt

Bergedorfer Zeitung, 5. August 1925

Mit dem Auto ging es 1925 sicher schneller von Neuengamme und Curslack nach Hamburg als mit anderen Verkehrsmitteln, und gerade für Blumen war es wichtig, dass sie den Großmarkt am Deichtor in Hamburg schnell erreichten und dort wieder ins Wasser gestellt werden konnten – so dachte Richard Peters, der nun eine tägliche Lastwagenverbindung aufnahm, den vermutlich  ersten „Liniendienst“ dieser Art im Gebiet der Vierlande – eine Fotografie seines mit Blumenkörben hoch beladenen Wagens ist im Aufsatz von Hannah Rautmann über den Vierländer Ewer (in: Vierlande Band 2, S. 109) wiedergegeben.

An elf Stationen sollte der LKW Fracht aufnehmen, zunächst in östliche Richtung fahrend am Neuengammer Hausdeich bis zur Blauen Brücke. Dort überquerte er die Dove-Elbe und fuhr auf dem Curslacker Deich bis zur Schiefen Brücke zurück (siehe die Karte der Vierlande und Umgebung ca. 1930). Von dort ging es nach Bergedorf und Hamburg.

Peters‘ Fahrplan war genau auf die Bedürfnisse der Blumengärtner und auf die Öffnungszeiten des Großmarkts zugeschnitten – das konnten andere Verkehrsmittel nicht bieten: der Großmarkt hatte keinen Bahnanschluss, zudem musste in Bergedorf von der Vierländer Eisenbahn auf die Reichsbahn gewechselt werden, und im Bereich Curslack-Neuengamme hatte die Bahn nur einen Haltepunkt und nicht ein Dutzend.

BZ, 11. April 1925

Zahlreiche Ladestationen gab es auch für den Transport auf dem Wasserweg. Dort hatte die Motorisierung sogar früher Einzug gehalten – schon 1907 berichtete Hermann Grube, dass die traditionellen Ewer von bestimmten Sammelpunkten an von Schleppdampfern nach Hamburg gezogen wurden, und 1910 bot eine Werft in Allermöhe den Einbau von Motoren und komplette Motorboote an (BZ vom 20. Februar 1910). Mit Motorkraft in Ewern und Barkassen ging es zwar schneller, aber nur bei ausreichend Wasser unter dem Schiffsboden, was trotz der Ausbaggerungen 1923 nicht immer der Fall war (siehe den Beitrag Die allseits begrüßten Elbvertiefungen).

BZ, 2. April 1925

Für ein anderes Problem hatte der Fahrradhändler Stahlbuhk eine Lösung: seine gefederten Fahrrad-Gepäckträger sollten die Blumen vor Erschütterungen auf dem Transport schützen – aber eine echte Alternative zu Schiff oder Lastwagen war das nicht.

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Das Kircheninnere und der Zeitgeschmack

Bergedorfer Zeitung, 31. Juli 1925

Banausen? Berserker? Bilderstürmer? Wer war um 1890 herum im Innenraum der Bergedorfer Kirche St. Petri und Pauli so zu Werke gegangen, hatte Grabgewölbe zugeschüttet und „eine Anzahl farbiger Bilder mit alt- und neutestamentlichen Darstellungen von den Emporen entfernt“, nur weil die Gemälde nicht zur neuen Ausmalung der Kirche passten, sodass sie wegen ihrer Wertlosigkeit entsorgt werden konnten?

Nun – die von der BZ angeführte Renovierung um 1890 ließ sich nicht nachweisen; sie wird auch in dem umfangreichen Sammelband Olaf Matthes (Hg.), Kirche zwischen Dorf und Stadt (2002) nicht genannt, aber vielleicht ist nur die Jahresangabe falsch.

Umfangreichere Arbeiten im Kircheninneren hatte es Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts gegeben; 1880, 1897, 1910 und nun auch 1925, und manches war eher Umgestaltung im Geschmack der Zeit als eine schlichte Auffrischung, insbesondere in der Ausmalung: laut Pastor Behrmann (1921) (S. 45ff.) wurde 1880 eine „große Anzahl alter biblischer Darstellungen entfernt“, die Emporen wurden „nach Zeichnungen des Malers [Gustaf] Dorén mit nichts weniger als ansprechender Schablonenmalerei versehen.“ Ein Stückchen dieser Malerei Doréns sieht man auf einem Foto Wilhelm Weimars von 1906 – es zeigt „Jugendstil- und ägyptisierende Muster“ oberhalb der Kanzel (wiedergegeben in: Matthes (Hg.), S. 23). Behrmann war hocherfreut, dass in seiner Amtszeit als Pastor (seit 1911) die „geschmacklose Ornamentik“ Doréns beseitigt wurde; ihr folgte (1925/26) das Konzept Guido Maschkes, das laut Behrmann (1929) einen „überaus anheimelnden Eindruck“ schuf. Doch was Behrmann als „fein abgetönte Farbengebung“ bezeichnete, bemäkelte Jürgen Rabe, einer seiner Amtsnachfolger: „Die durchgehende Farbe war ein graugrüner Ton, wie in vielen anderen Hamburger Kirchen auch.“ (in Matthes: (Hg.), S. 114). Rabe freute sich dann über die 1956 begonnenen Renovierungsarbeiten des Innenraums – wiederum mit neuem Farbkonzept.

Bergedorfer Zeitung, 18. Mai 1897

Laut Behrmann war eine Reihe der (farbigen) Emporen-Bilder aus dem 17. Jahrhundert bereits 1897 zurückgekehrt (so auch in der BZ am 18. Mai 1897 zu lesen), wenn auch in einer „willkürlichen Anordnung“. Bei ihrer Entfernung 1880 hatte man hinter ihnen zwölf Holztafelbilder aus dem 16. Jahrhundert entdeckt (laut BZ geschah dies 1897). Von diesen war der Geistliche wenig begeistert und nannte sie abwertend eine „Anzahl … grau in grau gemalter Bildnisse“, die von heutigen Sachverständigen wie Charlotte Klack-Eitzen als Grisaille-Malerei wertgeschätzt werden (in: Matthes (Hg.), S. 132 ff.). Diese zwölf sind in der Sammlung des Museums für Bergedorf und die Vierlande untergekommen – weggeworfen wurde also keins.

Abbildungen des Kircheninneren finden sich in den genannten Büchern und auf der Internetseite von St. Petri und Pauli.

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Das Mazeppa-Schwimmen in der Bille

Bergedorfer Zeitung, 27. Juli 1925

Was konnte (oder sollte) man unter „volkstümlichem Schwimmen“ verstehen? Sollte es im Gegensatz zu „Wettkampfschwimmen“ gesehen werden, also eher entspanntes Freizeitschwimmen oder Planschen in tiefem Wasser bezeichnen?

Beim Werbe-Schwimmfest des Verbandes Hamburger Schwimmvereine, das der Sander Schwimmverein in der Fluss-Badeanstalt der Gemeinde ausrichtete, war das „volkstümliche Schwimmen“ Programmbestandteil. In einer weiteren Anzeige tauchte der Begriff nicht auf, stattdessen wurden „humoristische Einlagen“ angekündigt (BZ vom 1. August).

(Eine Fotografie der Badeanstalt ist im Bildanhang des Führers durch die Gartenbau-Ausstellung Bergedorf 1925 zu sehen; im Vordergrund die hamburgische Uferseite.)

Bergedorfer Zeitung, 3. August 1925

Im Bericht über die Veranstaltung gingen die sportlichen Wettbewerbe dann fast komplett unter. Die volkstümlichen Übungen waren vermutlich mit den humoristischen Einlagen gleichzusetzen: unter Eier- und Blindekuh-Schwimmen kann man sich leicht etwas vorstellen, auch unter Schwimmen „mit gebundenen Händen und Füßen“ – aber wie kam dies so genannte Mazeppaschwimmen zu seinem ungewöhnlichen Namen?

1925 werden mehr Menschen als heute etwas mit dem Namen verbunden haben, denn zwei Rennpferde hießen Mazeppa, auch ein Weltrecordläufer nannte sich (Paul) Mazeppa (Hamburgischer Correspondent und Hamburgische Börsen-Halle vom 6. und 13. Juli, Hamburger Echo vom 19. Juli 1925), und vermutlich sollte auf den historischen Kosaken-Hetman Iwan Masepa angespielt werden, dessen Schicksal in vielfältiger Form literarisch (Puschkin, Hugo, zuletzt Bertolt Brecht in der Ballade vom Mazeppa) und musikalisch (Tschaikowsky, Liszt) verarbeitet worden war.

BZ, 27. Januar 1921

Eine Verfilmung war 1921 in Bergedorf auf die Leinwand gekommen (Bergedorfer Zeitung vom 26. Januar 1921); obwohl hier die Inhaltsangabe die Fesselung Mazeppas auf sein Pferd nicht nennt, kann man davon ausgehen, dass sie im Film gezeigt wurde.

Das Mazeppaschwimmen übrigens wurde schon 1904 von Wilhelm Fink unter „Die Schwimmkunst und ihre Arten“ beschrieben: er stufte diese Disziplin als „schwierig“ ein.

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Der Graphiker Max Lobusch

Bergedorfer Zeitung, 22. Juli 1925

Ansichtskarte von 1925, unten rechts signiert „Lobusch“

Vermutlich ging es dem Bergedorfer Max Lobusch nicht nur ums Honorar, sondern auch um seine Heimatstadt: er fertigte die Federzeichnungen für eine kleine Serie von Ansichtskarten mit Bergedorf-Motiven – verlegt in Bergedorf bei Max Kirchner, gedruckt bei Ed. Wagner im Hause der Bergedorfer Zeitung.

Der junge Zeichner und Gebrauchsgrafiker (geb. 1902), der in Hamburg und Berlin studiert hatte, arbeitete u.a. für die Reichsdruckerei, entwarf Briefmarken und Briefköpfe des Reichspräsidenten (siehe Bergedorfer Personenlexikon). Laut BZ war er erstmals 1920 in einer (Weihnachts-)Ausstellung in einem Pavillon beim Bergedorfer Bahnhof mit eigenen Arbeiten vertreten (BZ vom 3. Dezember 1920), dann wieder 1924 bei einer Sammelausstellung in der Aula der Hansa-Schule (BZ vom 26. September 1924). Anfang 1925 hatte er für das Künstler- und Maskenfest „Schwarz-Weiss-Redoute“ der Bergedorfer Liedertafel die „künstlerische Ausschmückung“ des Saals in Hitschers Gesellschaftshaus übernommen (BZ vom 9. Januar 1925). Für seine bei der Bergedorfer Gartenbauausstellung präsentierten Grafiken erhielt er einen „Ratsehrenpreis“ (BZ vom 29. und 31. August 1925), und im Bergedorfer Schlosskalender für 1926 fand man „zur bildhaften Ergänzung spaßiger Vierländer Geschichten treffliche Zeichnungen des jungen, talentvollen Bergedorfer Graphikers Max Lobusch“ (BZ vom 24. September 1925). Sein für Bergedorf wichtigstes Werk sollte aber die Neugestaltung des Stadtwappens werden.

Zwar lobte die BZ die Ansichtskarten in den höchsten Tönen, aber der verwendete Karton war eher von der preisgünstigen Sorte, und wäre die Herstellung wirklich „mit großer Sorgfalt“ erfolgt, so hätte man eine Zentrierung der einzelnen Bilder sicher erreichen können. Ob die Karten „beim Publikum gute Aufnahme“ fanden oder ob eher weiche und romantisierende Darstellungen Bergedorfs wie etwa die von Anna Ollerich oder Anna Wagner (die Links führen zu Abbildungen) damals beliebter waren, weiß man nicht.

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Das Casting für die Filmdiva aus Bergedorf-Sande

Bergedorfer Zeitung, 24. Juli 1925

Bergedorfer Zeitung, 25. Juli 1925

Die beruflichen Perspektiven junger Frauen waren 1925 sehr begrenzt: die meisten mussten froh sein, als Arbeiterin, Verkäuferin, Schneiderin oder Hausmädchen eine Anstellung zu finden, vielleicht sogar als Stenotypistin in einem Kontor. Nun wurde ihnen die Chance geboten, in Bergedorf und Sande die ersten Schritte hin zu einer Karriere als Filmschauspielerin zu tun: in den beiden Kinos sollten durch die Leipziger Kibo-Film-Gesellschaft Probeaufnahmen gemacht werden.

Bergedorfer Zeitung, 4. August 1925

Letztlich war es egal, ob das Auswahlkriterium Eignung oder Schönheit oder eine Kombination davon war, denn es entschieden die Kinobesucher, die sich die Filmaufnahmen der Bewerberinnen ansahen, auf ihre Eintrittskarte die Nummer der Auserwählten schrieben, die Karte abgaben und so die Siegerin bestimmten. Der Kinobetreiber ließ die Abstimmung über mehrere Tage laufen und hoffte dadurch auf zusätzliche Besucher und vielleicht sogar „Wiederholungstäter“, die eine bestimmte Person nach vorn bringen wollten. Auf jeden Fall brachte er seine Lichtspielhäuser wieder ins Gespräch.

(Mindestens) 32 Damen hatten teilgenommen und siebzehn von ihnen hatten einen Preis gewonnen. Die Erstplatzierte, „die Dame mit Nr. 19“, hatte die freie Auswahl unter den Preisen (BZ vom 14. August); die Siebzehnte musste dann den letzten verbliebenen Preis nehmen – ob das der merkwürdig anmutende „Ein Mann und zwei Flaschen Verlobungssekt“ war, wurde nicht berichtet.

Eine Filmdiva scheint aus dem Casting nicht hervorgegangen zu sein. Eine Kibo-Film-Gesellschaft war im Leipziger Adressbuch von 1925 nicht verzeichnet.

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Der Bergedorfer Hauptbahnhof

Bergedorfer Zeitung, 18. Juli 1925

Die Bezeichnung „Hauptbahnhof Bergedorf“ war schon euphemistisch – aber wenn ein Bahnhof der wichtigste von mehreren ist, dann kann man ihn so nennen, meinte offenbar die BZ. Amtlich hieß dieser Bahnhalt 1925 „Bergedorf Reichsbahnhof“, und dort fuhren die Züge Richtung Hamburg bzw. Berlin. Direkt neben den Gleisen dieser Bahnstrecke lagen die Gleise der Bergedorf-Geesthachter Eisenbahn (BGE) mit der Endstation „Bergedorf-Nord“; von dort fuhr man über „Bergedorf-Süd“ mit der BGE Richtung Geesthacht bzw. auf der Strecke der Vierländer Eisenbahn nach Zollenspieker.

Mit dem angeblichen Hauptbahnhof war man in Bergedorf und Sande unzufrieden: an den oft und lange geschlossenen Schranken an der Holstenstraße staute sich der Verkehr, und Bahnkunden beklagten das Fehlen eines Ausgangs nach Sande. Die wiederholten Eingaben der Wirtschaftlichen Vereinigung Bergedorf zeigten nun offenbar Wirkung: nach einem Ortstermin „hochgestellter Beamten“ sagte die Reichsbahngesellschaft zu, bereits im kommenden Jahr den Ausgang nach Sande zu schaffen – über den Bau einer Unter- bzw. Überführung im Bereich Holstenstraße „informierten sich die Herren“ der Reichsbahn: dazu gab es also weder eine Finanzierungs- noch eine Realisierungszusage.

Auch das erleichterte Ein- und Aussteigen durch Höherlegung der Bahnsteige wurde vertagt, aber immerhin war „das schmutzig-graue Aeußere des Hauptgebäudes“ übertüncht worden.

Abbildungen der Bahnhofssituation(en) findet man u.a. bei Rolf Wobbe.

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Kegelpreise als Spiegel der Verhältnisse

BZ, 15. Juli 1925

Die bei diesem Preiskegeln ausgesetzten Gewinne waren beachtlich, wie die Auflistung rechts zeigt – so wollte man einen möglichst großen Teilnehmerkreis anlocken. Natürlich hatten die Teilnehmer für ihr Kegelrecht zu bezahlen: „1 Satz“ kostete 1925 auf dem Hitscherberg (Kirchwärder-Nordseite) eine Mark, und dafür durfte man vier Würfe tätigen, deren Ergebnisse dann (vermutlich) aufaddiert wurden. Vielleicht genügte das, um Tagessieger zu werden und zehn Pfund Fleisch zu gewinnen – sonst musste man weitere „Sätze“ kaufen, besser kegeln und wochenlang auf einen der großen Preise hoffen, denn üblicherweise und auch in diesem Falle nahm die Veranstaltung mehrere Sonntage in Anspruch. Man konnte natürlich auch bis zum letzten Turniertag wiederkommen und in noch mehr „Sätze“ investieren.

(Nebenbei bemerkt: die Kegel mussten von Hand aufgestellt werden – ein Vergnügen war das für die Aufstelljungs sicher nicht, aber immerhin wurden sie bezahlt.)

BZ, 18. Juli 1919

Die Preise änderten sich mit den Jahren und den wirtschaftlichen Verhältnissen. Im Inflationsjahr 1923 kostete in Boberg ein Satz 2.500 Mark – dem stand ein erster Preis von 100.000 Mark gegenüber. Ansonsten waren die Geldpreise, die vor allem 1919 und 1920 ausgelobt wurden, nominal bescheidener. 1919 waren meist Geflügel und Eier zu gewinnen, was die Versorgungsprobleme widerspiegelt.

Als sich die Lage besserte, traten andere Dinge in den Vordergrund: 1920 bestand der Hauptpreis bei einer Veranstaltung in Neuengamme in zwei Fahrradmänteln, der 2. Preis war eine Fleischhackmaschine, der 3. Preis eine Brotschneidemaschine. Leider tauchte in mehreren Anzeigen nur die pauschale Angabe „wertvolle Gewinne“ auf, die eventuelle Änderungen nicht erkennen lässt: in Neuengamme hatte 1922 der 1. Preis einen Wert von 1.400 Mark, der Tagespreis betrug 50 Mark. 1924 und 1925 konnte man nicht nur komplette Fahrräder, sondern gleich bei mehreren Turnieren je ein Motorrad erkegeln – 1924 war in Ochsenwärder der 1. Preis „ein Pferd“, das Fahrrad rangierte auf Platz 2.

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