Die beruflichen Perspektiven junger Frauen waren 1925 sehr begrenzt: die meisten mussten froh sein, als Arbeiterin, Verkäuferin, Schneiderin oder Hausmädchen eine Anstellung zu finden, vielleicht sogar als Stenotypistin in einem Kontor. Nun wurde ihnen die Chance geboten, in Bergedorf und Sande die ersten Schritte hin zu einer Karriere als Filmschauspielerin zu tun: in den beiden Kinos sollten durch die Leipziger Kibo-Film-Gesellschaft Probeaufnahmen gemacht werden.
Letztlich war es egal, ob das Auswahlkriterium Eignung oder Schönheit oder eine Kombination davon war, denn es entschieden die Kinobesucher, die sich die Filmaufnahmen der Bewerberinnen ansahen, auf ihre Eintrittskarte die Nummer der Auserwählten schrieben, die Karte abgaben und so die Siegerin bestimmten. Der Kinobetreiber ließ die Abstimmung über mehrere Tage laufen und hoffte dadurch auf zusätzliche Besucher und vielleicht sogar „Wiederholungstäter“, die eine bestimmte Person nach vorn bringen wollten. Auf jeden Fall brachte er seine Lichtspielhäuser wieder ins Gespräch.
(Mindestens) 32 Damen hatten teilgenommen und siebzehn von ihnen hatten einen Preis gewonnen. Die Erstplatzierte, „die Dame mit Nr. 19“, hatte die freie Auswahl unter den Preisen (BZ vom 14. August); die Siebzehnte musste dann den letzten verbliebenen Preis nehmen – ob das der merkwürdig anmutende „Ein Mann und zwei Flaschen Verlobungssekt“ war, wurde nicht berichtet.
Eine Filmdiva scheint aus dem Casting nicht hervorgegangen zu sein. Eine Kibo-Film-Gesellschaft war im Leipziger Adressbuch von 1925 nicht verzeichnet.