Von Linden, Eichen und Wappenbäumen

Bergedorfer Zeitung 12. Juni 1924

Einer der Lindenbäume auf dem Bergedorfer Markplatz war verdorrt – die BZ vermutete eine undichte Gasleitung als Ursache und erwartete eine Ersatzpflanzung im Herbst, um die Baumgruppe wieder zu komplettieren.

 

Bergedorfer Zeitung, 28. Mai 1924

Über das Verdorren der Linde hatte die BZ bereits blumig berichtet und dabei betont, dass die „drei ragenden Linden“ auf dem Markt „getreue Abbilder der Wappenbäume, als stolze Hüter geschichtlicher Tradition“ seien, was die Notwendigkeit einer Lückenschließung offensichtlich machte.

Allerdings sind Zweifel angebracht: einige Jahre zuvor waren es laut BZ vier Linden, die den Markplatz zierten bzw. zieren sollten, denn sie waren „nicht übermäßig stattlich“ (siehe den Beitrag Der nicht kriegsgemäße Marktplatz) – das Stadtwappen erfuhr zwar im Laufe der Jahrhunderte manche Veränderung, aber in allen Varianten zeigte und zeigt es drei Bäume auf drei angedeuteten Hügeln. Zur Zeit der Pflanzung der vier Bäume und auch noch 1917 dachte man also nicht daran, durch sie das Stadtwappen zu symbolisieren. Wann und weshalb zwischen 1917 und 1924 die Baumzahl auf drei reduziert wurde, war der BZ nicht zu entnehmen.

Generell scheint die Geschichte der Bergedorfer Stadtsiegel und des Stadtwappens nicht ausrecherchiert, denn man findet unterschiedliche Angaben dazu. Im Internet gibt es bei bergedorf-info.de und bei Wikipedia (am Ende der Seite) Abbildungen von Siegeln und Wappen, aber man hätte sich dort schon mehr Sorgfalt bei den Datierungen und Darstellungen gewünscht.

Auch muss die Frage gestellt werden, ob im Bergedorfer Wappen wirklich Lindenbäume zu sehen sind. Das älteste erhaltene Stadtsiegel zeigt zwar drei Bäume, aber die Art ist nicht zu erkennen; Harald Richert (S. 43) vermutet „eher drei Weidenbäume“.

Die Abbildung des Siegels von 1885 bei Wikipedia und bergedorf-info.de zeigt einen beeindruckenden Wappenschild, in dem das Bergedorfer Wappen (Mitte unten) von dem Lübecker, dem „Beiderstädtischen“ und dem Hamburger Wappen umgeben ist; das Bergedorfer Wappen zeigt auf dieser Abbildung drei Eichen, und an jedem der Stämme ist ein weiteres Wappen montiert, nämlich ein herzoglich Sachsen-Lauenburgisches, ein Hamburgisches und ein „Beiderstädtisches“, summa summarum sieben Wappen auf einem Schild. Wer sich dieses genauer ansehen möchte, hat dazu online Gelegenheit, denn dieser auf einem Bett von Eichenzweigen ruhende Wappenschild ziert die Titelseite der „Geschichte der Stadt Bergedorf“ von Georg Staunau – unterhalb des Bergedorf-Wappens findet man die Buchstaben „O. S.“, das Zeichen des Illustrators des Buches Oskar Schwindrazheim. Was Wikipedia und bergedorf-info.de zeigen, ist zeitgenössische Kunst mit unter anderem dem Bergedorfer Stadtwappen.

Siegelmarke „Magistrat der Stadt Bergedorf“, undatiert (vor 1924), Durchmesser 4 cm

Harald Richert (a.a.O.) meint, dass dieses Wappen von 1885 „nie offiziell genehmigt“ wurde, weil es für den Dienstgebrauch ungeeignet erschien – es gibt allerdings (siehe Abbildung rechts) Siegelmarken des Magistrats, die eine Prägevariante zeigen, und das „Eiserne Wappen“ von 1915 griff die Vorlage von 1885 wieder auf.

Wappenklarheit herrschte definitiv von 1927 bis 1938: der Bergedorfer Grafiker Max Lobusch erstellte im Auftrag der Stadt ein schlichtes Wappen mit drei Eichen, zu sehen bei bergedorf-info.de und Wikipedia. Mit dem Groß-Hamburg-Gesetz verlor Bergedorf 1938 seine Eigenständigkeit und das Wappen seinen offiziellen Charakter. Die Wappenbäume (Eichen) findet man heute auf der Ostseite des Mohnhofs; laut Hamburger Baumkataster war das Pflanzjahr 1985, der mittlere Baum wurde 1991 ersetzt.

(Die Bergedorfer Zeitung erschien übrigens ab dem 11. Mai 1913 jahrzehntelang mit Bergedorf-Wappen im Kopf, an den Baumstämmen die montierten „historischen“ Schilde – die Blätter der Bäume könnten auf Linden hindeuten.)

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