Geesthachts Lebensnerv: Die Pulverfabrik Düneberg

Bergedorfer Zeitung, 31. Januar 1916

Bergedorfer Zeitung, 31. Januar 1916

In der Tat, die Pulverfabrik Düneberg, Hauptproduktionsstätte der Vereinigten Köln-Rottweiler Pulverfabriken AG, war der Lebensnerv Geesthachts, vor allem seit Kriegsbeginn, als Arbeitgeber wie als Auftraggeber.
Die Zahl der in der Fabrik Beschäftigten war rapide gestiegen, von 950 im August 1914 auf 5.100 im August 1916 (Hierzu und zum Folgenden siehe vor allem Max Prüß, Geesthachter Heimatbuch (Online-Ausgabe) von 1929. Darauf aufbauend, aber mit Zeitzeugenberichten und zahlreichen Abbildungen Karl Gruber. Lesenswert auch die Seiten des Förderkreises Industriemuseum Geesthacht). Relativ wenige Arbeiter kamen aus Geesthacht oder den umliegenden Dörfern, und da nur eine kleine Anzahl in den seit 1886 werksseitig erbauten Arbeiterwohnhäusern (in Neu-Besenhorst) sowie in dem im Beitrag Boomtown Geesthacht? genannten „Ledigenheim“ Platz fand, war diese Unterkunft im Frühjahr 1916 schon um zwei Baracken erweitert worden, wie hier zu lesen ist. Die große Mehrheit der Arbeiter pendelte täglich per Bahn aus und nach Hamburg bzw. Bergedorf.
Viele Geesthachter Betriebe arbeiteten für die Pulverfabrik und auch für die Dynamitwerke, allen voran die Hartsteinwerke, die die Steine für immer neue Erweiterungsbauten lieferten, während des Krieges durchschnittlich 100 Beschäftigte in eigenen Wohnbaracken unterbrachten und sogar in der Berliner Volkszeitung Stellenangebote schalteten. Die Zahl der bei ihr eingesetzten Bauarbeiter lag nach Angaben der Pulverfabrik bei „etwa 2.500“. Die frühere Schiffswerft Schütt lieferte Drahtgitter-Einfriedigungen und Wellblechbuden, Dietzes Dampftischlerei fertigte Pulver-Versandkästen und -Trockenrähme, die Eisenbahn, Fuhrwerksbesitzer und Spediteure erhielten Transportaufträge, die Maschinenbauanstalt und Reparaturwerkstatt der Gebr. Mosel stellte Eisenkonstruktionen her. Und auch die (100 männlichen und 180 weiblichen) Korbmacher und Buddeltüner (Flaschenbeflechter) der im Krieg stillgelegten Glashütte konnten weiterarbeiten: sie produzierten nun Geschosskörbe fürs Militär.

„Nur wenige Gewerbe litten durch den Krieg“, schrieb Prüß im Geesthachter Heimatbuch, und auch: „Die hiesige Kriegsindustrie erzeugte in Geesthacht eine zeitweilige, treibhausartige wirtschaftliche Blüte.“ (S. 186, S. 185)

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Zu Kaisers Geburtstag: die Hindenburgspende

Spendensammlung, Festgottesdienste – auf den ersten Blick wurde der Geburtstag des Kaisers genauso gefeiert wie im Vorjahr (siehe den Beitrag Kaisersgeburtstagsspende und Reichswollwoche), aber beim zweiten Blick treten einige Unterschiede hervor. Der Kaiser selbst hatte in einem Erlass (siehe BZ vom 15. Januar 1916) dazu aufgerufen, keine „festlichen Veranstaltungen und glückwünschenden Kundgebungen“ durchzuführen, sondern „in stillem Gedenken“ und durch das Spenden von Liebesgaben diesen Tag zu würdigen. Die Umsetzung dieses Appells erfolgte in Bergedorf durch die von der Landherrenschaft angeordnete (!) „Hindenburgspende“ zugunsten der Ausstattung der Soldaten an der Ostfront mit Wollsachen. Vermutlich erwartete die Landherrenschaft von Namensgebung und Zweckbindung höhere Einnahmen: nicht der Kaiser war das Zugpferd, der strahlende Held, sondern der Oberbefehlshaber Ost, Generalfeldmarschall Paul von Beneckendorff und von Hindenburg, der Sieger der Schlacht bei Tannenberg (1914).

Bergedorfer Zeitung, 21. Januar 1916

Bergedorfer Zeitung, 21. Januar 1916

101 Personen und einen Verein standen hinter dem Bergedorfer Spendenaufruf, der fast eine halbe Zeitungsseite einnahm: Schulleiter, Pastoren, Politiker (auch die drei sozialdemokratischen Stadtvertreter), Wirtschaftsgrößen wie Friedr. Kufeke und Albert Dietrichs, Professoren der Sternwarte, Ehefrauen von Honoratioren – kaum ein Prominenter fehlte.

Eine präzise Abrechnung des Ertrags der Sammlung war der Zeitung nicht zu entnehmen; am 29. Januar meldete die BZ den Zwischenstand von 12.300 Mark – dramatisch weniger als im Vorjahr (siehe Kaisersgeburtstagsspende und Reichswollwoche) , und vielleicht ist das der Grund für die Nicht-Nennung des Endergebnisses, was wohl auch erkennen lässt, dass bei vielen Bergedorfern 1916 das Geld knapp geworden war.

Bergedorfer Zeitung, 20. Januar 1916

Bergedorfer Zeitung, 20. Januar 1916

Pikanterweise hatten sich die Bergedorfer Militärvereine (und die Kolonne vom Roten Kreuz) dieser Sammelaktion nicht angeschlossen, sondern ihre eigene „Wohltätigkeitsfeier zum Besten hilfsbedürftiger Bergedorfer Verwundeter“ organisiert und nicht freundlichst eingeladen, sondern fast schon ultimativ („Es wird erwartet …“) zur Teilnahme aufgefordert. Musik und Gedichte sollten den Hauptteil des Abends einrahmen, den Vortrag „Wird Deutschland unterliegen?“ Man darf getrost unterstellen, dass der Redner die Frage negativ beantwortete – aber man fragt sich, ob sie ein Jahr zuvor überhaupt hätte aufgeworfen werden dürfen, ohne den schärfsten Protest ebendieser Militärvereine hervorzurufen.

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Bergedorfs Stadtparlament: von Friedhofskapelle und verschwundenem Speck

Bergedorfer Zeitung, 15. Januar 1916

Bergedorfer Zeitung, 15. Januar 1916

Die Berichterstattung über die Januar-Sitzung des Bergedorfer Stadtparlaments war wirklich ausführlich und umfasste mehr als eine Zeitungsspalte, die hier aus technischen Gründen in zwei Abschnitten wiedergegeben wird, und wenn auch nicht jeder Punkt der Tagesordnung gewichtig war, so waren es doch mehrere, auf die es sich lohnt einzugehen.
Nach dem schadhaften Siel im Neuen Deich befasste sich die Stadtvertretung mit der Akustik der Kapelle auf dem neuen Friedhof und bewilligte 298 Mark für Maßnahmen, die „wenigstens teilweise eine bessere Schallwirkung“ erzielen sollten. Nahezu einhundert Jahre später, im September 2015, war die Akustik dieser Kapelle erneut Thema der Kommunalpolitiker: sie befürworteten den Einbau von Mikrofon- und Lautsprecheranlage sowie „schallschluckender Lärmabsorber“.

Der Grundstücksverkauf an die Kap-Asbest-Werke an der Kampchaussee (heute Kurt-A.-Körber-Chaussee), die Änderung der den städtischen Bediensteten gezahlten Kriegsteuerungszulage (zur Einführung derselben siehe einen früheren Beitrag zu Bergedorfs Stadtparlament), die Einsetzung einer Kommission zur Beratung eines Satzungsentwurfs für einen (paritätisch besetzten) Arbeitsnachweis und die reichlich späte Abrechnung der Stadtkasse für 1913 sowie die weiteren kleinen Punkte wie die Müll- und Schuttentsorgung im Schleusengraben hätten zweifelsohne eine nähere Betrachtung verdient, aber hier soll die Aufmerksamkeit auf 2.688 Pfund Speck gerichtet werden: die waren nämlich weg.

Bergedorfer Zeitung, 15. Januar 1916

Bergedorfer Zeitung, 15. Januar 1916

Nach dem großen Schweinemord im Frühjahr 1915 hatte die Stadt Bergedorf entsprechend der Bundesratsverordnung Dauerware in Form von Speck angekauft (siehe dazu auch den Beitrag zur Abfallwirtschaft) und brachte diese Ende August 1915 in den Verkauf. Die Ware fand offenbar guten Absatz, denn am 3. November meldete die Zeitung, dass der gesamte Speck nunmehr verkauft sei – allerdings ohne zu erwähnen, dass ein ganz beträchtlicher Anteil von mehr als 13 Prozent gestohlen worden war. Die Meldung über den Diebstahl erschien erst am 15. Januar 1916 – und sie erschien wohl nur deshalb, weil der Diebstahl durch die Beratung im Stadtparlament öffentlich geworden war.

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Gestempelte Brieftauben

Bergedorfer Zeitung, 17. Januar 1916

Bergedorfer Zeitung, 17. Januar 1916

Was zunächst etwas komisch anmutet, hatte durchaus seinen Sinn, und das in mehrfacher Hinsicht: der Einsatz von Brieftauben war im Ersten Weltkrieg weit verbreitet: geschätzt 100.000 Brieftauben fanden Verwendung in der Übermittlung von Nachrichten, mit einer Erfolgsquote von ca. 95 Prozent (siehe Wikipedia). Zwar war dies sicher für die Tauben gefährlich, aber sie waren vor anderen Gefahren gesetzlich geschützt, nämlich vor der Bratpfanne und der „Zueignung“ durch andere Taubenhalter.
Vielleicht bewog dies eine Reihe von Mitgliedern des Bergedorfer Vereins „Courier“ dazu, ihre Tauben der Militärverwaltung zur Verfügung zu stellen, denn die Vögel wurden nun auf der Innenseite der Flügel mit dem vom Gesetz vorgesehenen kaiserlichen Stempel versehen, der sie vor der Verfolgung durch (hungrige und habgierige) Menschen bewahren sollte.

Ob die Bergedorfer Tauben wirklich zum militärischen Einsatz kamen, war der Bergedorfer Zeitung nicht zu entnehmen – ein solches Militärgeheimnis durfte sicher nicht in die Öffentlichkeit gelangen.

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Von Schiffs- und Zug- und anderen Hunden

Bergedorfer Zeitung, 15. Januar 1916

Bergedorfer Zeitung, 15. Januar 1916

Da waren die Schiffsführer doch fein ‘raus: für einen Schiffshund war keine Hundesteuer zu entrichten, wie Bürgermeister Walli für den Magistrat der Stadt Bergedorf bekanntmachen ließ. Überhaupt war die Höhe der (1915 heraufgesetzten) Hundesteuer damals in Hamburg wie in Bergedorf sehr viel differenzierter als heute: der Besitzer mehrerer Hunde hatte höhere Sätze zu zahlen, und große Hunde waren teurer als kleine. Es handelte sich also um eine Art Luxussteuer, doch für den Zughund (siehe die Bilder bei Wikipedia) war der Steuersatz niedrig, um das Gewerbe zu fördern, und so erfahren wir, dass vor hundert Jahren in Bergedorf Hundekarren offenbar noch in relevanter Zahl im Einsatz waren. Der Zughund durfte im Gegensatz zu seinem ebenfalls steuerbegünstigten Kollegen Phylax sogar in der Wohnung des Halters nächtigen.

Die Einnahmen Bergedorfs aus der Hundesteuer waren im Jahre 1913 mit 6.900,- Mark übrigens doppelt so hoch wie die aus der Hafenabgabe mit 3.400,- Mark (siehe BZ vom 15. Januar 1916).

Bergedorfer Zeitung, 11. Januar 1916

Bergedorfer Zeitung, 11. Januar 1916

In Kirchwärder war die Hundehaltung leicht anders kodifiziert, woraus abzulesen ist, dass vor hundert Jahren die Gemeinden in Hamburg Regelungsspielraum hatten, und Jagdhunde waren wahrscheinlich mit dem Hauptberuf Hofhund gemeldet, da dies steuerlich günstiger war. Warum den steuerbefreiten Schiffshunden jeglicher Landgang in Kirchwärder untersagt war, lässt sich wohl nur mit strenger Logik erklären: an Land ist ein Schiffshund ja kein Schiffshund mehr.

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Pappe statt Kupfer – das Schloss wird geplündert

AK Dachreiter KupferEine für heutige Bergedorferinnen und Bergedorfer ungewohnte Ansicht des Südostflügels des Bergedorfer Schlosses zeigt diese (1903 verschickte) Ansichtskarte: das Schloss hatte eine bauliche Krone in Gestalt eines achteckigen Dachreiters, der sich über dem Schlosseingang in der Hoffassade des Südostflügels erhob.
Der Dachreiter war bei dem großen Umbau des Bergedorfer Schlosses, seiner „Neogotisierung“ (siehe den Beitrag Das Schloss und der Einzug der Neogotik), 1898 als Nachfolger eines unvergleichlich grazileren aus der Renaissancezeit errichtet worden (siehe hierzu und zum folgenden: Olaf Matthes, in: Victoria Overlack (Hg.), Das Bergedorfer Schloss). Dieser erste Dachreiter, dessen Dach ursprünglich mit Holzschindeln gedeckt war, wurde bei Renovierungs- und Umbaumaßnahmen in den Jahren 1876/77 komplett mit Schiefer verkleidet, doch gut zwanzig Jahre später wurde er abgerissen und durch den massiveren Neubau ersetzt, dessen Schaft mit (auf der Ansichtskarte schemenhaft zu erkennenden) Kupferplatten verkleidet war.

Bergedorfer Zeitung, 8. Januar 1916

Bergedorfer Zeitung, 8. Januar 1916

Doch 1916 wurde das Schloss, genauer: sein Dachreiter, geplündert, wie die nebenstehende Meldung der Bergedorfer Zeitung zeigt: die Kupferbedachung wurde entfernt, „um sie dem Vaterlande zu opfern“, und stattdessen wurde Dachpappe aufgebracht. Kupfer war ein kriegswichtiges Metall, Haushalte hatten ihre kupfernen Gerätschaften und Behältnisse abzuliefern, da wollte (oder konnte) die Stadt nicht zurückstehen.
AK Dachreiter nach WK1Nach dem Ersten Weltkrieg wurde, wie diese (nur auf die Zwischenkriegszeit zeitlich eingrenzbare) Ansichtskarte zeigt, der Dachreiter mit einer dauerhafteren, aber wohl preisgünstigeren Außenhautverkleidung versehen, doch 1939 war’s auch damit vorbei, denn der Dachreiter wurde ersatzlos beseitigt. Einzig die aus massiven Hölzern bestehende Unterkonstruktion ist noch vorhanden: sie verbirgt sich unter dem Dach des Südostflügels und könnte bei dem von Matthes als „wichtige Aufgabe für die Zukunft“ bezeichneten Wiederaufbau eines (aber welchen?) Dachreiters genutzt werden.

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Karriere als Kaufmann

Bergedorfer Zeitung, 3. Januar 1916

Bergedorfer Zeitung, 3. Januar 1916

Per Inserat wurden hier „Damen und Herren aller Stände“ auf eine großartige Karrierechance aufmerksam gemacht: die Handelsschule „Hansa“ nahm ihren Lehrbetrieb in Bergedorf auf, wobei dem Direktor Schreiber eine Verwechslung mit der staatlichen Hansa-Schule (siehe den Beitrag Bergedorfs Schulen) sicher nicht unlieb war.

Unterricht in sage und schreibe vierzehn Fächern sollte angeboten werden, Damen wie Herren, auch Arbeitern und Handwerkern, die es auf „gutbezahlte und angenehme Bureauposten“ drängte, und es gab „volle Garantie für schnellen Erfolg“ und amtlich beglaubigte Referenzen erfolgreicher Absolventen. Die Karriereleiter stand also bereit, man brauchte sie nur zu besteigen …

Dass die Handelsschule dafür ein Honorar verlangte, kann kaum überraschen, aber dessen Höhe war nach Einschätzung der Schule nur „sehr mäßig“, selbst wenn vermutlich für jedes Fach eine Gebühr verlangt wurde. Dass keine Angaben über die Dauer der Kurse gemacht wurden, lag sicher am „streng individuellen“ Unterricht, der es auch Menschen „ohne jede Vorkenntnisse“ ermöglichen sollte, von diesem Angebot zu profitieren.

Bergedorfer Zeitung, 3. Januar 1916

Bergedorfer Zeitung, 3. Januar 1916

Pikanterweise druckte die Bergedorfer Zeitung am selben Tag einige Seiten weiter hinten den Leserbrief eines A. Zimmermann, der vor genau dieser Art kaufmännischer Ausbildung warnte: Schnellkurse könnten eine dreijährige Lehrzeit nicht ersetzen – die Karriereleiter, um das Bild von oben wieder aufzunehmen, hätte also keine Sprossen.

Interessant an diesem Leserbrief ist auch, dass der Verfasser über den Tag hinausblickte, nicht der Meinung war, dass der Sieg im Kriege alle Probleme lösen würde, sondern die schlechten Perspektiven für die Nachkriegszeit aufzeigte: die jetzt als Aushilfen eingestellten jungen Mädchen würden ihre Stellungen vielfach räumen müssen, entlassene Soldaten würden in ihre alten Firmen zurückkehren wollen, und „halbinvalide Krieger“ würden auch versuchen, als Handlungsgehilfen unterzukommen – schlechte Aussichten also für kaufmännische Berufe. Leider sollte der Mann recht haben.

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Die zweite Kriegsweihnacht

Bergedorfer Zeitung, 27. Dezember 1915

Bergedorfer Zeitung, 27. Dezember 1915

In „altgewohnter Weise“ wurde also 1915 in Bergedorf Weihnachten gefeiert, schrieb die Bergedorfer Zeitung. Ja, sicher, in vielen Familien fehlten die Männer, aber das tat angeblich der fröhlichen Stimmung keinen Abbruch, es war und blieb das Fest der Liebe und auch das schlechte Wetter hatte sein Gutes, denn der Regen hielt die (unvollständigen) Familien zusammen.
Wie an den meisten anderen Tagen des Jahres druckte die BZ auch an diesem Auszüge aus den amtlichen Verlustlisten: ein Curslacker „gefallen“, aus Kirchwärder einer „schwer verwundet“ und einer „bisher vermißt, in Gefangenschaft“ sowie zwei Bergedorfer „leicht verwundet“.

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Bescherung zwischen Spielzeug und Armut

Bergedorfer Zeitung, 18. Dezember 1915

Bergedorfer Zeitung, 18. Dezember 1915

Sogar Schach wird gelegentlich als ein Kriegsspiel bezeichnet, aber Soldaten und Gewehre sind wohl doch eine andere Art von Kriegsspielzeug. Ob die Kriegsbegeisterung der Mütter und Großeltern immer noch so groß war, dass sie den Söhnen bzw. Enkeln Soldaten und Gewehre kauften? Und warum warb Johannes M. Chr. Schütt nicht auch für Spielzeug-Gasmasken? Schließlich gehörten diese seit Beginn des Gaskriegs im Frühjahr 1915 ebenso zur Ausstattung der Soldaten wie Gewehre, und beim Einsatz von Giftgas waren die Deutschen ihren Gegnern überlegen, wie Herfried Münkler (S. 398) schreibt. Doch Gaskrieg taugte wohl nicht zum Kinderspiel.

Bergedorfer Zeitung, 18. Dezember 1915

Bergedorfer Zeitung, 18. Dezember 1915

Eine Realität ohne Spielzeug zeigte die Weihnachtsbitte der Frau Pastor Wendorff (sie war die Ehefrau des Pastors) aus Geesthacht: für den Vaterländischen Frauenverein sammelte sie Lebensmittel, Äpfel und Nüsse, um damit die Armen bescheren zu können. Welche anderen Geschenke die so bezeichneten großen Ausgaben hervorriefen, war der Zeitung nicht zu entnehmen; hoffentlich handelte es sich um warme Kleidung, denn der Winter hatte früh eingesetzt: schon im November hatte  Eisgang die Schifffahrt auf Gose- und Dove-Elbe behindert bzw. stillgelegt (BZ vom 29. November und 14. Dezember 1915), und auch an den Regentagen im Dezember (BZ vom 13. Dezember 1915) wäre passende Kleidung sicher willkommen gewesen.

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Der Kriegsgefangene als Mensch

Bergedorfer Zeitung, 14. Dezember 1915

Bergedorfer Zeitung, 14. Dezember 1915

Einmal, aber offenbar nur einmal, sollten sich die Kriegsgefangenen in Ochsenwärder als Mensch fühlen dürfen – als was sollten sie sich sonst fühlen? Waren in den Augen des Verfassers der Meldung Feinde, Kriegsgefangene keine Menschen? Wenn man diese Zeilen liest, zweifelt man an der Glaubwürdigkeit der nach dem Krieg erstellten Selbstdarstellung Ochsenwärders, nach der die Behandlung dieser Arbeitskräfte so gut wie unter den gegebenen Umständen möglich war.
Und wenn in einem Haushalt die Teilnahme der Kriegsgefangenen an der häuslichen Weihnachtsfeier kritisch gesehen wurde – nun, es war ja nur eine Anregung der Kriegshilfe, „soweit es für angebracht gehalten wird“, sich menschlich zu zeigen und den Feinden zu demonstrieren, wie Weihnachten richtig, d.h. deutsch, gefeiert wird. Ein christliches Fest scheint es nicht gewesen zu sein.

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