Spendensammlung, Festgottesdienste – auf den ersten Blick wurde der Geburtstag des Kaisers genauso gefeiert wie im Vorjahr (siehe den Beitrag Kaisersgeburtstagsspende und Reichswollwoche), aber beim zweiten Blick treten einige Unterschiede hervor. Der Kaiser selbst hatte in einem Erlass (siehe BZ vom 15. Januar 1916) dazu aufgerufen, keine „festlichen Veranstaltungen und glückwünschenden Kundgebungen“ durchzuführen, sondern „in stillem Gedenken“ und durch das Spenden von Liebesgaben diesen Tag zu würdigen. Die Umsetzung dieses Appells erfolgte in Bergedorf durch die von der Landherrenschaft angeordnete (!) „Hindenburgspende“ zugunsten der Ausstattung der Soldaten an der Ostfront mit Wollsachen. Vermutlich erwartete die Landherrenschaft von Namensgebung und Zweckbindung höhere Einnahmen: nicht der Kaiser war das Zugpferd, der strahlende Held, sondern der Oberbefehlshaber Ost, Generalfeldmarschall Paul von Beneckendorff und von Hindenburg, der Sieger der Schlacht bei Tannenberg (1914).
101 Personen und einen Verein standen hinter dem Bergedorfer Spendenaufruf, der fast eine halbe Zeitungsseite einnahm: Schulleiter, Pastoren, Politiker (auch die drei sozialdemokratischen Stadtvertreter), Wirtschaftsgrößen wie Friedr. Kufeke und Albert Dietrichs, Professoren der Sternwarte, Ehefrauen von Honoratioren – kaum ein Prominenter fehlte.
Eine präzise Abrechnung des Ertrags der Sammlung war der Zeitung nicht zu entnehmen; am 29. Januar meldete die BZ den Zwischenstand von 12.300 Mark – dramatisch weniger als im Vorjahr (siehe Kaisersgeburtstagsspende und Reichswollwoche) , und vielleicht ist das der Grund für die Nicht-Nennung des Endergebnisses, was wohl auch erkennen lässt, dass bei vielen Bergedorfern 1916 das Geld knapp geworden war.
Pikanterweise hatten sich die Bergedorfer Militärvereine (und die Kolonne vom Roten Kreuz) dieser Sammelaktion nicht angeschlossen, sondern ihre eigene „Wohltätigkeitsfeier zum Besten hilfsbedürftiger Bergedorfer Verwundeter“ organisiert und nicht freundlichst eingeladen, sondern fast schon ultimativ („Es wird erwartet …“) zur Teilnahme aufgefordert. Musik und Gedichte sollten den Hauptteil des Abends einrahmen, den Vortrag „Wird Deutschland unterliegen?“ Man darf getrost unterstellen, dass der Redner die Frage negativ beantwortete – aber man fragt sich, ob sie ein Jahr zuvor überhaupt hätte aufgeworfen werden dürfen, ohne den schärfsten Protest ebendieser Militärvereine hervorzurufen.