Morgensuppe und Behördenschelte

Bergedorfer Zeitung, 11. Mai 1916

Bergedorfer Zeitung, 11. Mai 1916

Die Ernährung blieb ein Dauerthema, denn Lebensmittel wurden immer noch knapper und teurer. Doch die Bergedorfer Zeitung hatte einen heißen Tipp für das Frühstück: die Morgensuppe als „Wiedereinsetzung einer früheren allgemeinen Gepflogenheit“, hergestellt aus Weizen- oder Roggenmehl (dessen Kauf aber natürlich auf die Brotration angerechnet wurde). Und „von Reichs wegen“ sollte in nächster Zeit sogar die „Herstellung eines guten und billigen Morgensuppenstoffes mit etwas Fettzusatz“ in die Wege geleitet werden (siehe BZ vom 9. Mai 1915). Über den Erfolg der Aktion schwieg sich die BZ allerdings aus.

Wie sehr sich die Lage verschlechtert hatte, zeigen die beiden hier wiedergegebenen Artikel: auf täglich 2.000 Portionen war die Ausgabe von Mittagessen in den städtischen Kriegsküchen angestiegen und hatte sich damit binnen eines halben Jahres nahezu verdreifacht (siehe die Beiträge Hotel „Stadt Lübeck“ im Kriegsjahr 1915 und auch Nach einem Jahr), sodass sogar die Feuerwache  um- und ausgebaut werden musste, um die erforderlichen Küchenräume zu schaffen.

Bergedorfer Zeitung, 11. Mai 1916

Bergedorfer Zeitung, 11. Mai 1916

Ob die nun geschaffene „Reichszentralstelle für Lebensmittelversorgung“ (offizielle Bezeichnung: Kriegsernährungsamt) hier Gutes bewirkte, ob sie „wucherische Verbrecher“ und „gewissenlose Ausbeuter“ ausschalten konnte? Der Verfasser des Artikels jedenfalls scheint durchaus skeptisch gewesen zu sein: zwar begrüßte er, dass Maßnahmen ergriffen wurden („wenn … auch etwas reichlich spät“), doch hätte er sich nach dem Versagen der Zivilbehörden, das er auf das „bürokratische System“ und das „administrative Beamtentum“  zurückführte, den „eisernen Besen des Generalkommandos“ statt einer „mit behördlichen Befugnissen ausgestattete Zentralstelle“ gewünscht, weil in seinen Augen das Militär viel erfolgreicher war.  Der am 22. Mai eingesetzte Präsident des Kriegsernährungsamtes, Adolf von Batocki, erhielt umgehend den Beinamen „Nahrungsmitteldiktator“ (siehe BZ vom 26. Mai 1916), was ja durchaus nach eisernem Besen klingt.

Mehr zu essen gab es allerdings dann auch nicht.

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Die Brandschau in Sande

Bergedorfer Zeitung, 9. Mai 1916

Bergedorfer Zeitung, 9. Mai 1916

Vor hundert Jahren war die Feuergefahr erheblich höher als heute, und die Feuerwehr war erheblich schlechter ausgestattet. Die üblichen Brennstoffe waren damals  Kohle, Koks und Holz für Öfen und Herde, daneben Gas, das von der Bergedorfer Gasanstalt auch nach Sande geliefert wurde.

In Sande galt die Stormarnsche Brandschutzverordnung von 1870, und sie machte jedem Hausbesitzer die Auflage, die im Artikel pauschal als „Löschgeräte“ bezeichneten Gegenstände bereitzuhalten: dies waren Löscheimer, Feuerhaken, Feuerwischer und eine festschließende Laterne (siehe die Festschrift der Freiwilligen Feuerwehr Lohbrügge aus 2007 oder die gleichlautende Internetdarstellung). Offenbar waren auch Fußbodenbleche unter und vor den Feueröffnungen von Öfen und Herden vorgeschrieben, denn sie sollten ebenso wie „im Interesse der Feuersicherheit“ die Schornsteine und Feuerstellen selbst inspiziert werden.

Diese Brandschutz- und Feuerbekämpfungsvorschriften hatten Sinn, denn die Feuerwehr musste erst die Pferde vor die „Wagenspritze“ spannen und erreichte den Einsatzort weniger schnell als heute; zudem konnte natürlich die dampfgetriebene Wasserpumpe ihre Arbeit nicht so schnell aufnehmen, und eine Reihe von Feuerwehrleuten war zum Militär eingezogen worden, sodass Personalknappheit herrschte.

Im Gegensatz zu Sande verfügte der größere Nachbarort Bergedorf über eine besoldete Feuerwehr, wie auf der Internetseite der Feuer- und Rettungswache Bergedorf nachzulesen ist. Im Landgebiet, wo durch die verbreiteten Reetdächer die Feuergefahr noch größer war, wurde 1877 als erste freiwillige Feuerwehr Hamburgs die FF Krauel gegründet; die anderen Landgemeinden folgten binnen weniger Jahre.

 

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Kleinkriminalität im Krieg

Bergedorfer Zeitung, 6. Mai 1916

Bergedorfer Zeitung, 6. Mai 1916

Die Fälle, die das Schöffengericht Bergedorf zu verhandeln hatte, waren immer wieder durch die Kriegs- und Versorgungslage gekennzeichnet: der Verdacht liegt nahe, dass die „Händlerin B.“ mit dem Verkauf verdorbener Leberwurst die allgemeine Mangellage ausnutzen wollte. Die verhängte Geldstrafe dürfte sie jedenfalls empfindlich getroffen haben.

Die Geldstrafe in Höhe von 10 Mark – ein halber Monatsverdienst – gegen die „Ehefrau L.“ wird für diese sehr hart gewesen sein: als Empfängerin der überaus kargen Kriegsunterstützung hätte sie offenbar nichts verdienen dürfen, sondern mit ihren erarbeiteten 20 Mark wie auch immer auskommen sollen – angesichts der Lebensmittelpreise (1/4 Pfund Leberwurst zu 45 Pfennigen) illusorisch.

In anderen Artikeln in der Rubrik „Gerichtszeitung“ standen andere Delikte im Vordergrund (siehe z.B. BZ vom 14. und 21. Januar, 4., 18. und 25. Februar, 10. März 1916): mehrfach wurden Fälle von Körperverletzung und Unterschlagung verhandelt, auch von Schnaps-Import in das Alkohol-Sperrgebiet Bergedorf (siehe den Beitrag Bergedorf trockengelegt). Und häufig standen „Schulknaben“ oder „jugendliche Burschen“ wegen Diebstahls im Gerichtssaal des Bergedorfer Schlosses – der Regelsatz des Strafmaßes für diese war offenbar ein Tag Gefängnis.

Weitere Fälle werden in einem folgenden Beitrag aufgegriffen.

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Kein Zucker für Rhabarber

Bergedorfer Zeitung, 1. Mai 1916

Bergedorfer Zeitung, 1. Mai 1916

In Vierlanden, insbesondere in Kirchwerder, dürfte man diesen Artikel aufmerksam gelesen haben, denn der Rhabarberanbau war dort weit verbreitet. Rhabarber war im Frühjahr eine der ersten Einnahmequellen im Gemüsebau, und weil es keine Höchstpreise für Rhabarber gab, waren die Erlöse beachtlich.

Ähnlich wie bei den Kartoffeln (siehe den Beitrag Vierländer vs. Maltakartoffeln) brachten auch hier die frühesten Angebote am Markt die besten Preise, und die Vierländer bauten erhebliche Mengen Treibrhabarber an, der schon Anfang Januar auf den Markt kam: ein Bund zu zwei Pfund brachte 10 bis 17 Pfennige, und einige Züchter ernteten bis zu 1.000 Bund pro Woche (siehe BZ vom 5. und 19. Januar 1916), im März konnte ein Erzeuger 10.000 Bund in den Handel bringen (siehe BZ vom 15. März 1916). Erst Anfang Mai gingen die Preise deutlich zurück auf 4 bis 4,50 Mark pro Zentner, da nun auch der Freilandrhabarber geerntet werden konnte und täglich bis zu zehn

Rhabarberkisten unterschiedlichen Alters aus Kirchwerder

Rhabarberkisten unterschiedlichen Alters aus Kirchwerder

Eisenbahnwaggons am „Rhabarber-Bahnhof“ Kirchwärder-Nord mit den großen Rhabarberkisten gefüllt wurden (siehe Werner Schröder und BZ vom 5. und 15. Mai 1916). Versandziel war neben Leipzig, Wien, Hannover, Kiel und Lübeck vor allem Berlin, wo die Marmeladenindustrie so große Mengen verarbeitete, dass es in Hamburg Versorgungsengpässe gab (siehe das Buch von Torkild Hinrichsen und BZ vom 10. und 15. Mai 1916).

Aber wer aus Rhabarber Genießbares für den Verzehr herstellen will, braucht Zucker – und Zucker gab es seit dem 25. April 1916 nur noch auf den Zuckerabschnitt der Brotkarte: maximal 250g pro Woche. Zwar war die Industrie bessergestellt – der als Ersatz für Butter und Schmalz produzierte Kunsthonig bestand größtenteils aus Zucker (siehe BZ vom 26. Februar und 29. Juni 1916) – , doch blieb sie nicht von Einschränkungen verschont: im August wurde die Herstellung der besonders zuckerbedürftigen Rhabarbermarmelade „Sorte I“ verboten (siehe BZ vom 15. August 1916).

Ob die Methode der „künstlichen Trocknung des Rhabarbers“ wirklich so problemlos anwendbar war wie im Artikel dargestellt, entzieht sich der Kenntnis des Autors. Aktuelle Anleitungen zum Trocknen von Rhabarber findet man im Internet – abwegig war der Vorschlag also nicht.

 

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Seife auf Brotkarte

Bergedorfer Zeitung, 19. April 1916

Bergedorfer Zeitung, 19. April 1916

Ab der vierten Aprilwoche 1916 wurde der Verbrauch von Seife zur Körperpflege auf 100g im Monat beschränkt, von seifenhaltigen Waschmitteln u.Ä. auf 500g. Die einleuchtende Begründung lieferte die Bergedorfer Zeitung in einem weiteren Artikel am 22. April: „Was verseift wird, kann nicht gegessen werden.“ Da Seifen in aller Regel fetthaltig sind (siehe hierzu die sehr informative österreichische „Liebhaberseite von handgemachter Seife“), kann und konnte man diesem Satz nicht widersprechen: dem Mangel an Fetten musste begegnet werden, und es gab ja fettfreien Ersatz wie Borax, Schlemmkreide, Quillayarinde, Salmiak- oder Sodawasser (siehe BZ vom 20. April 1916), und für ein Reinigungsbad wurde mit  Kalium Hypermanganikum angereichertes Wasser empfohlen (was für einige Stunden die Haut bräunte, siehe BZ vom 24. Juli 1916).

Bergedorfer Zeitung, 29. Juli 1916

Bergedorfer Zeitung, 29. Juli 1916

Die Brotkarte hatte damit einen weiteren Zweck zu erfüllen: der Empfang von Seife und Waschmitteln musste in ihr vermerkt werden. Wahrscheinlich blieb dies nicht ohne Probleme, denn zum 1. September 1916 wurde die separate Seifenkarte eingeführt. Schon einen Monat früher waren die Rationen für Feinseife und Seifenpulver halbiert und „K.A.“ Seifen eingeführt worden (K.A. für „Kriegsausschuss für pflanzliche und tierische Oele und Fette“). Was von diesen Kriegsseifen zu halten war (nicht viel), wird ebenfalls auf Herald Gessingers Seifenseiten detailliert dargestellt.

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Das Schicksal eines einzelnen Soldaten und seiner Familie

Bergedorfer Zeitung, 14. April 1916

Bergedorfer Zeitung, 14. April 1916

Auf ein in  der Verlustliste dieses Tages genanntes Kriegsopfer soll näher eingegangen werden, da von der Familie des Gefallenen für das Blog Dokumente zur Verfügung gestellt wurden, die hier wiedergegeben sind, und da Grund zu der Vermutung besteht, dass die Benachrichtigung der Familie auch in anderen Fällen so gehandhabt wurde. Zudem war die Tragik der Familie Rieck eine besondere.

Claus Rieck, von Beruf Gemüsebauer, geboren 1879, verheiratet, drei Söhne von elf, fünf und drei Jahren, bekleidete den Rang eines Unteroffiziers, war Träger des Eisernen Kreuzes und gehörte zur 8. Kompagnie des Reserve-Infanterie-Regiments 214. Sein Kompagnieführer war ein Leutnant Seebohm – möglicherweise der Bergedorfer Amtsrichter und Leutnant der Reserve Oskar Wilhelm Seebohm (Bergedorfer Personenlexikon).

Die Mitteilung vom Tod Claus Riecks in der Nähe des belgischen Ortes Wijtschate erreichte die Familie in Kirchwärder-Sande durch einen ausführlichen Brief Seebohms, und wenn darin auch manches formelhaft klingt, so ist es doch ein individueller Brief, in dem unter anderem die Todesumstände geschildert wurden:

Schon am nächsten Tag folgte ein weiteres Schreiben des Kompagnieführers, dem der Nachlass beigefügt war und der (wie schon der erste Brief) das Mitgefühl der Kameraden Riecks zum Ausdruck brachte sowie Ort und Zeit der Beerdigung nannte: am 28. März, nachmittags 4 Uhr auf dem Waldfriedhof Wervicq-Sud (in Nordfrankreich, unmittelbar südlich des belgischen Wervik):

Auf Seebohms Schreiben folgte nur wenige Tage später ein im Ton ähnliches, in dem er Fragen beantwortete, die die Witwe Magdalena Rieck ihm in einem Brief vom 3. April gestellt hatte.

Wahrscheinlich war es wirklich ein „sofortiger Tod, ohne jede Qual“, der Claus Rieck ereilt hatte (so hieß es auch in einem weiteren Brief, diesmal von einem Kameraden Riecks, vom 16. April), und die Angaben zum „Waldfriedhof beim weißen Schloss“ sind nachprüfbar richtig (siehe eine der Internetseiten der Stadt Wervicq-Sud ) – die Grabpflege würden Kameraden übernehmen, schrieb Seebohm, und schon in einem Feldbrief aus dem Jahr 1914 war eine solche Zusage zu finden gewesen, siehe den Beitrag Beruhigende Feldbriefe. Die von der Witwe offenbar erwünschte Überführung des Leichnams in die Heimat  lehnte der Kompaniechef allerdings ab, wie solche Wünsche generell abgelehnt wurden: „Abgesehen davon, daß die für das Vaterland Gefallenen am ehrenvollsten im Soldatengrab inmitten ihrer Kameraden ruhen, würde die Ausgrabung der Leiche auf das Gesamtbild des würdig angelegten Friedhofs störend wirken.“ Er wollte aber veranlassen, dass eine Fotografie der Grabstelle geschickt würde, was dann sehr bald geschah: in dem Brief eines Kameraden vom 16. April hieß es, dass Fotos beigefügt seien, auch eines mit der von Seebohm angekündigten Marmorplatte auf dem Grab, die noch 1916 durch einen großen Grabstein ergänzt wurde:

Bergedorfer Zeitung, 29. Juli 1916

Bergedorfer Zeitung, 29. Juli 1916

Wie ging es weiter mit der Familie Rieck? Magdalena Rieck, 38 Jahre alt, wurde am 22. Juli 1916, vormittags um fünf ein halb Uhr tot aufgefunden. Die Danksagungsanzeige der Familie belegt, dass viele um sie und mit der Familie trauerten.

Die weiteren Fotos der Grabstelle Claus Riecks (siehe Abbildung oben), die im Januar 1917 nach Kirchwärder geschickt wurden, erreichten sie nicht mehr. Die Kinder waren nun Vollwaisen. Kriegsschicksale.

Fritz Brief 21. 1. 1917

Auf den Internetseiten der Stadt Wervicq-Sud und einer Internetseite des Volksbundes deutsche Kriegsgräberfürsorge kann man nähere Informationen über die Kämpfe und den (später verlegten) Soldatenfriedhof erhalten. Die oben gemachten topografischen Angaben zeigen, dass die deutschen Truppen noch weit von der Küste des Ärmelkanals, ihrem Ziel in dieser Region, entfernt waren.

 

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Schulkinder und Sonnenblumen im Dienst der guten Sache

Bergedorfer Zeitung, 5. April 1916

Bergedorfer Zeitung, 5. April 1916

Diese Aktion ist als weiterer Knappheitsindikator zu betrachten: der Mangel an Öl veranlasste den „Kriegsausschuß für pflanzliche und tierische Fette und Oele“, eine für das ganze Reich zuständige Einrichtung, zur Flächenmobilisierung für den Anbau von Sonnenblumen. Also wurde nicht nur in Geesthacht, sondern ebenso in anderen Orten hierfür getrommelt: Schülerinnen und Schüler sollten kostenlos Saatgut erhalten, mit dem dann selbst kleinste Flächen zu bestellen waren.

In Hamburg (und Geesthacht gehörte damals ja zu Hamburg) lieferte das Institut für allgemeine Botanik die Samen kostenlos – allerdings mussten sich die Empfänger verpflichten, die Ernte abzuliefern. Der Ertrag (in Geld) sollte dann dem Roten Kreuz und der hamburgischen Kriegshilfe zugutekommen. In den Augen des Journalisten war dies eine gute Sache und ein Beitrag zum Durchhalten.
Wie groß war der Erfolg? Der Leiter der Bergedorfer Hansaschule, Prof. Dr. Ferdinand Ohly, sah diesen eher auf der psychologischen Ebene:

aus: Prof. Dr. (Ferdinand) Ohly: Die Hansa-Schule während des ersten Jahrzehnts im neuen Schulgebäude 1914/15 - 1924/25, Bergedorf 1925, S. 24f.

aus: Prof. Dr. (Ferdinand) Ohly: Die Hansa-Schule während des ersten Jahrzehnts 1914/15 – 1924/25 im neuen Schulgebäude, Bergedorf 1925, S. 24f.

Für Kirchwärder liegt im „Ehrenbuch der Kirchengemeinde Kirchwärder 1914 – 1918“ ein Bericht des Hauptlehrers Reimers von der Hower Schule vor, der das Ergebnis auch recht kritisch sah: „Der erste Anbau im Jahre 1916 hatte nicht den erhofften Erfolg, einmal weil die Aussaat zu spät erfolgte und dann wegen der ungünstigen Witterungsverhältnisse des betreffenden Jahres. Das folgende Jahr zeitigte günstigere Ergebnisse, zumal das Institut f. a. B. die im Vorjahre verteilte Anleitung zur sachgemäßen Anpflanzung und Aberntung der Sonnenblumen auf Grund der inzwischen gemachten Erfahrung einer sachgemäßen Änderung unterzogen hatte.“

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Ruhe und Ordnung beim Butterverkauf!

In den ersten Monaten des Jahres 1916 ging es oft um die Versorgung mit Kartoffeln, auf die hier aber nicht weitereingegangen wird, und vor allem um die Versorgung mit Butter, die ja schon in den Beiträgen Szenen beim Butterverkauf und Eine Protestkundgebung bei Bürgermeister Walli thematisiert wurde.

Die Butterkarte, die am 19. März 1916 eingeführt worden war, sollte Besserung bringen – doch ihre Einführung konnte die zur Verteilung anstehende Menge nicht erhöhen, und so hieß es denn auch in der Bekanntmachung der Landherrenschaften: „Die Karten (für Personen) und die Bezugsscheine (für Gastwirtschaften usw.) geben keinen Anspruch auf Lieferung von Butter.“ (BZ vom 15. März 1916)

Bergedorfer Zeitung, 31. März 1916

Bergedorfer Zeitung, 31. März 1916

Die Verteilung über die von der Stadt belieferten Händler klappte aber nicht: in der BZ vom 31. März wurden in einem offiziösen Text („von zuständiger Stelle wird uns geschrieben“) „außerordentliche Mißstände“ eingeräumt. Diesen versuchte man dadurch zu begegnen, dass man den Kundenandrang halbierte, indem man die Stadt in zwei Hälften teilte, die dann jeweils für zwei Wochen ihre Butterration empfangen sollten. Die Ausgabemenge blieb unverändert bei ¼ Pfund – allerdings musste man doppelt so lange damit auskommen, eben zwei Wochen.

 

Bergedorfer Zeitung, 7. April 1916

Bergedorfer Zeitung, 7. April 1916

Einen weiteren Beitrag zur Problemanhäufung leistete offenbar die von der Stadt auf 12 bis 19 Uhr festgesetzte Verkaufszeit, die es (auch bei Verlängerung auf 20 Uhr) vielen Arbeiterinnen und Arbeitern unmöglich machte, nach Feierabend noch einen Butterladen zu erreichen, sodass der Magistrat schleunigst eine zusätzliche Verkaufszeit am

Bergedorfer Zeitung, 7. April 1916

Bergedorfer Zeitung, 7. April 1916

Sonnabend von 18 bis 21 Uhr im städtischen Laden in „Stadt Lübeck“ einrichtete.  Aber diese Aktion betrachtete er wohl mit gemischten Gefühlen, denn es stand nur „ein kleiner Restbestand Butter“ (und damit vielleicht zu wenig) zur Verfügung, und so wurde prophylaktisch vor einer (letztlich ausgebliebenen) Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung gewarnt.

 

 

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Heiratsmarkt und Arbeitsmarkt

Bergedorfer Zeitung, 31. März 1916

Bergedorfer Zeitung, 31. März 1916

„Was sollen unsere Töchter werden?“ Auch damals eine durchaus spannende Frage, besonders für die Töchter aus besserem Hause und ihre Mütter, die im Bergedorfer Frauenverein organisiert waren. Bis Mitte 1914 war die Antwort wohl einfach „Ehefrau“ gewesen, aber der Krieg hatte die Verhältnisse geändert: viele potentielle Bräutigame waren zum Militär eingezogen worden, was „die Heiratsaussichten der jungen Mädchen ganz naturgemäß verringert“ hatte. Und eine im Frühjahr 1915 eröffnete einjährige (städtische) „Haushaltungs-Fortbildungsschule“ für Schulabgängerinnen (siehe den Beitrag Nach einem Jahr) war 1916 wieder eingestellt worden (siehe BZ vom 20. April 1916).

Hier empfahl nun die Referentin der Hamburger Zentrale für weibliche Berufsberatung eine Ausbildung mit langer Lehrzeit und forderte „außerordentliche Tüchtigkeit“ der Mädchen – letzteres wohl wegen der zu erwartenden Konkurrenz durch aus dem Kriege zurückkehrende Männer: außerhalb des hauswirtschaftlichen und sozialen Bereichs und als Damenschneiderin waren Frauen im Beruf nur zweite Wahl. Aber es gab ja den sozialen Bereich mit den Pflege- und Erzieherberufen – hierfür allerdings wäre es nötig, „unberechtigte ‚standesgemäße‘ Vorurteile“ zu überwinden (was die Frage nahelegt, ob es auch berechtigte Vorurteile gab).

„Die Kriegszeit [hat] die Männerarbeit sehr oft durch Frauen auszuführen gezwungen“: dieser Satz zeigt zwar, dass Frauen in traditionelle Männerberufe eingedrungen waren, aber eben nur als Notbehelf.

Dass Bergedorfs Mütter nach sinnvollen Beschäftigungen für ihre Töchter suchten, hatten auch die Betreiber der bereits bekannten Handelsschule „Hansa“ (siehe den Beitrag Karriere als Kaufmann) bemerkt:

Bergedorfer Zeitung, 6. Mai 1916

Bergedorfer Zeitung, 6. Mai 1916

Bureaubeamtin, Buchhalterin, Kassiererin und so weiter: es war kein Zufall, dass hier die weiblichen Berufsbezeichnungen auftauchten und ansonsten immer von Damen und Herren geschrieben wurde, die bis zum „Zeugnis der Brauchbarkeit“ ohne jede Nachzahlung Unterricht erhalten würden: man hatte die Zielgruppe junger Frauen fest im Visier und machte sogar die attraktive Zusage des kostenlosen Nachweises von Stellen.

Bergedorfer Zeitung, 9. Mai 1916

Bergedorfer Zeitung, 9. Mai 1916

Von dieser Zusage allerdings war nicht viel zu halten, wie die nebenstehende Anzeige belegt, auch wenn nicht sicher ist, dass die Inserentin eine Absolventin der „Hansa“ war.

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Fahrrad gut, Auto schlecht

Bergedorfer Zeitung, 22. März 1916

Bergedorfer Zeitung, 22. März 1916

Herrschte in vielen Bereichen Mangel, so war die Fahrradversorgung Bergedorfs davon augenscheinlich nicht betroffen: Adolf Riege inserierte seine „große Auswahl“ an Fahrrädern für Herren wie Damen, Fahrradmäntel und -luftschläuche bot er ebenso an. Auch gebrauchte Räder wurden immer wieder gehandelt, wie private Kleinanzeigen belegen.

Sicher darf man sich das Radfahren 1916 nicht so komfortabel vorstellen wie heute: Radwege gab es keine, und die Benutzung der Bürgersteige war Radfahrern in der Stadt Bergedorf wie in der Gemeinde Geesthacht verboten (siehe die „Verordnung betreffend den Fahrradverkehr in der Landherrenschaft Bergedorf“ von 1898 mit Ergänzung von 1900, in: Gesetze und Verordnungen für die Stadt Bergedorf 1904, S. 145 – 148) – dafür war die Konkurrenz im Straßenraum weniger dicht und trat eher in Gestalt von Pferd und Wagen als von Automobilen in Erscheinung. Die Straßen wiederum waren nicht asphaltiert, und entweder hatte man über Kopfsteinpflaster zu holpern oder man kämpfte auf den oft unbefestigten Straßen mit Sand und (bei Regen) Schlamm. Dennoch: das Fahrrad war – auch ohne Gangschaltung – in der Regel die schnellere Alternative zum Zufußgehen, und einen öffentlichen Personennahverkehr gab es in Bergedorf nicht und im Landgebiet nur mit der Vierländer Eisenbahn (siehe hierzu Rolf Wobbe).

Bergedorfer Zeitung, 27. März 1916

Bergedorfer Zeitung, 27. März 1916

Den Bergedorfer Autofahrern sollte es dagegen schlechter ergehen, rücksichtslose Bestrafung drohte, denn sie hätten ihre Vorräte und Reserven an Vollreifen, Decken und Schläuchen längst „anmelden“ müssen, wie das Stellvertretende Generalkommando in Altona erinnerte. Das musste jeden Autobesitzer misstrauisch stimmen, denn die Anmeldung eines Vorrats war meist der erste Schritt zu einer „Einziehung“, und „beschlagnahmt“ waren diese Gegenstände schon seit dem 15. Mai 1915, wenn sie auch weiter bei den privaten Eignern gelagert werden durften (siehe Mitteilungen der Landherrenschaften Nr. 6 vom 20. Mai 1915, darin lfd. Nr. 68).

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