Kein Zucker für Rhabarber

Bergedorfer Zeitung, 1. Mai 1916

Bergedorfer Zeitung, 1. Mai 1916

In Vierlanden, insbesondere in Kirchwerder, dürfte man diesen Artikel aufmerksam gelesen haben, denn der Rhabarberanbau war dort weit verbreitet. Rhabarber war im Frühjahr eine der ersten Einnahmequellen im Gemüsebau, und weil es keine Höchstpreise für Rhabarber gab, waren die Erlöse beachtlich.

Ähnlich wie bei den Kartoffeln (siehe den Beitrag Vierländer vs. Maltakartoffeln) brachten auch hier die frühesten Angebote am Markt die besten Preise, und die Vierländer bauten erhebliche Mengen Treibrhabarber an, der schon Anfang Januar auf den Markt kam: ein Bund zu zwei Pfund brachte 10 bis 17 Pfennige, und einige Züchter ernteten bis zu 1.000 Bund pro Woche (siehe BZ vom 5. und 19. Januar 1916), im März konnte ein Erzeuger 10.000 Bund in den Handel bringen (siehe BZ vom 15. März 1916). Erst Anfang Mai gingen die Preise deutlich zurück auf 4 bis 4,50 Mark pro Zentner, da nun auch der Freilandrhabarber geerntet werden konnte und täglich bis zu zehn

Rhabarberkisten unterschiedlichen Alters aus Kirchwerder

Rhabarberkisten unterschiedlichen Alters aus Kirchwerder

Eisenbahnwaggons am „Rhabarber-Bahnhof“ Kirchwärder-Nord mit den großen Rhabarberkisten gefüllt wurden (siehe Werner Schröder und BZ vom 5. und 15. Mai 1916). Versandziel war neben Leipzig, Wien, Hannover, Kiel und Lübeck vor allem Berlin, wo die Marmeladenindustrie so große Mengen verarbeitete, dass es in Hamburg Versorgungsengpässe gab (siehe das Buch von Torkild Hinrichsen und BZ vom 10. und 15. Mai 1916).

Aber wer aus Rhabarber Genießbares für den Verzehr herstellen will, braucht Zucker – und Zucker gab es seit dem 25. April 1916 nur noch auf den Zuckerabschnitt der Brotkarte: maximal 250g pro Woche. Zwar war die Industrie bessergestellt – der als Ersatz für Butter und Schmalz produzierte Kunsthonig bestand größtenteils aus Zucker (siehe BZ vom 26. Februar und 29. Juni 1916) – , doch blieb sie nicht von Einschränkungen verschont: im August wurde die Herstellung der besonders zuckerbedürftigen Rhabarbermarmelade „Sorte I“ verboten (siehe BZ vom 15. August 1916).

Ob die Methode der „künstlichen Trocknung des Rhabarbers“ wirklich so problemlos anwendbar war wie im Artikel dargestellt, entzieht sich der Kenntnis des Autors. Aktuelle Anleitungen zum Trocknen von Rhabarber findet man im Internet – abwegig war der Vorschlag also nicht.

 

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