Bergedorfs Kriegsküchen: der Anfang vom Ende

Bergedorfer Zeitung, 16. April 1919

Dem Personal der Bergedorfer Kriegsküchen wurde auch 1919 „der Feiertage wegen“ ein Brückentag zugebilligt: am Karsonnabend blieben die Küchen kalt.

Die Küche am Pool schloss sogar endgültig, aber zwei Kriegsküchen blieben vorerst noch in Betrieb: die im Stadthaus in der Wentorfer Straße und die im früheren Hotel Stadt Lübeck.

Doch auch in Stadt Lübeck wurde vom 26. April an „kein Essen mehr verabfolgt“, wie es in einer Bekanntmachung vom selben Tage hieß. Im Mai wurde dann „infolge der enorm hohen Lebensmittelpreise und der gestiegenen Löhne“ der Preis für das Kriegsküchenessen erhöht (BZ vom 17. Mai). Ob es an der Preiserhöhung oder am besseren Gemüseangebot im Sommer lag, ist unklar, aber auf die weiter rückläufigen Teilnehmerzahlen reagierte der Magistrat mit der Schließung der letzten verbliebenen Kriegsküche bzw. Volksküche, wie sie nun (wieder) genannt wurde:

Bergedorfer Zeitung, 18. Juli 1919

Bergedorfer Zeitung, 18. Juli 1919

 

 

 

In Geesthacht wurde der Betrieb der (einzigen) Kriegsküche übrigens schon zum 1. Juli eingestellt (BZ vom 20. Juni 1919).

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Gambrinus und die Feierlichkeiten zu Ostern

BZ 19. April 1919

Der Unterhaltungsklub Gambrinus (siehe unten) war nicht der einzige Verein, der an einem der Ostertage zu einem Ball einlud: allein in dieser Ausgabe der BZ gab es über 20 weitere Vereinsanzeigen, die auf Festball, Ostervergnügen, Tanzkränzchen o.ä. hinwiesen, hinzu kam ein weiteres gutes Dutzend Veranstaltungen von Wirten der geeigneten Lokalitäten, allesamt in Bergedorf, Sande und den Vierlanden, nicht gezählt die Anzeigen aus den Sachsenwald-Gemeinden. Auffällig ist das Fehlen von Anzeigen aus Geesthacht – Gründe sind nicht ersichtlich.

Alle diese Lustbarkeiten begannen bereits am Nachmittag, denn wegen der fortbestehenden Kohlenknappheit war die Polizeistunde auf 22 Uhr festgesetzt. In Sande waren „Tanzlustbarkeiten bei künstlicher Beleuchtung ausnahmslos verboten“, in Bergedorf trat ein entsprechendes Verbot erst am Dienstag nach Ostern in Kraft (Bekanntmachungen in der BZ vom 19. April).

Wer nach dem Ostergottesdienst nicht tanzen, sondern sich anderweitig amüsieren wollte, hatte auch dazu reichlich Gelegenheit: der „Arbeiter-Sängerchor Bergedorf-Sande“ gab in der Aula der Bergedorfer Stadtschulen ein Konzert (BZ vom 18. April), auf dem Portici-Platz stand wieder Bades Auto-Karussell, man konnte den Fußballern von Spiel und Sport Bergedorf auf dem Waldschlossplatz zusehen, mit der Bergedorfer Turnerschaft von 1880 auf eine Oster-Wanderung gehen, die Zirkus-Roberti-Schau auf dem Marktplatz in Sande besuchen (BZ vom 11. April) oder sich eine Karte für das Union-Theater („Das höchste Gesetz der Natur“, Wild-West) bzw. das Neue Hansa-Kino („Die Augen der Mumie Ma“) kaufen oder das Theaterstück „Die Jagd nach dem Glück“ in Boberg anschauen (BZ vom 19. April).

Hundert Jahre später sind die allermeisten Lokalitäten verschwunden. Von den Vereinen mit so schönen Namen wie „Unverdrossen“, „Sängerlust“, „Einigkeit“ und „Vorwärts“ (allesamt Gesangvereine), „Frohsinn“ und „Lustige Brüder“ (Tanzklubs) oder „Nie verzagt“ (Musikverein) existieren nur noch wenige: der Unterhaltungsklub Flora  von 1906 aus Neuengamme, der Schießklub Seefeld von 1914 und der noch ältere Unterhaltungsklub Gambrinus von Kirchwärder-Sande mit seinem großen Osterfeuer und dem etwas speziellen Vereinsleben, wie aus Berichten der „Welt“ und der „Latücht“ (S. 14) zum 125. Jahrestag der Vereinsgründung hervorgeht.

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Der Schlussverkauf in Bergedorfs Bekleidungsstelle

Bergedorfer Zeitung, 15. April 1919

Bergedorfer Zeitung, 15. April 1919

Das wird für Freude bei Bergedorfs Textil- und Schuhgeschäftsinhabern gesorgt haben: die Verkaufsstelle der Landherrenschaft sollte zum Ende des Monats schließen: endlich würden sie die ungeliebte Konkurrenz der öffentlichen Hand loswerden, wie es der Verein der Ladeninhaber in einem „Sprechsaal“-Beitrag (BZ vom 7. März) schon Wochen vorher gefordert hatte, sogar Unterschriften für die „Ausschaltung der Kriegsgesellschaften und der Kriegszwangswirtschaft, Einschaltung des freien Handels“ waren in den Läden gesammelt worden (BZ vom 11. März). In den Augen des städtischen Fürsorgeamts war – ebenfalls laut „Sprechsaal“ – die Einrichtung notwendig, weil sie der „Erfüllung [der] behördlichen Fürsorgeverpflichtungen“ für die bedürftige Bevölkerung diene (BZ vom 11. März).

Ein Schlussverkauf mit Preisreduzierung, wie es ihn vor dem Krieg gegeben hatte, war es allerdings nicht: nur Holzstiefel gab es „zu bedeutend herabgesetzten Preisen“, und nur Inhaber von Bezugsscheinen durften die entsprechenden Waren erwerben.

Aber auch die Reichsbekleidungsstelle war dabei, ihr Lager zu räumen, und so erschien am 29. April eine weitere Anzeige, denn es war eine „neue Sendung“  eingetroffen, die auch getragene Textilien und Schürzen umfasste, und die Schließung wurde zunächst auf den 3. Mai verschoben und dann auf Ende September (BZ vom 11. September).

Obwohl die Zwangsbewirtschaftung also noch monatelang blieb und auch private Händler vieles nur auf Bezugsschein verkaufen durften, kam Bewegung in den Einzelhandel, wie die nachfolgenden Annoncen zeigen:

Bergedorfer Zeitung, 31. März 1919

Bergedorfer Zeitung, 16. April 1919

 

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Kein Auslandsmehl für schuldhaft Arbeitslose

Bergedorfer Zeitung, 12. April 1919 (Auszug)

Die Menge des zur Verteilung gelangenden Mehls war nicht groß: 250 Gramm pro Person sollte es geben, aber man freute sich ja über jede Aufstockung der Ration.

Die Bekanntmachung ist aber auch aus anderen Gründen einen genaueren Blick wert: zum zweiten Mal nach Kriegsende gab es „Auslandsmehl“, und zwar amerikanisches Weizenmehl, wie es in weiteren Bekanntmachungen am 7. und 14. April hieß, das vermutlich mit den ersten amerikanischen Lebensmittelschiffen „West-Carnifax“ und „Lake Tulare“ Ende März im Hamburger Hafen eingetroffen war (BZ vom 26. und 28. März): die Hungerblockade, die nach Angaben des Statistischen Reichsamts 762.796 Tote zur Folge gehabt hatte (BZ vom 19. März), war damit durchbrochen, aber der Hunger blieb.

Die „schuldhaft Arbeitslosen“ sollten von den zusätzlichen Rationen allerdings nichts abbekommen, wie es in § 2 hieß, und als schuldhaft arbeitslos galt nach der angegebenen Verordnung vom 15. November 1918, wer sich weigerte, Arbeit zu „angemessenem Lohn“ anzunehmen, oder der täglichen Meldepflicht beim Arbeitsnachweis nicht nachkam (BZ vom 8. und 30. Januar), ebenso alle Teilnehmer an „wilden Streiks“.

Bergedorfer Zeitung, 19. April 1919

Uneingeschränkt für alle sollte es dann in der darauffolgenden Woche je ein Pfund Mischmehl geben, zu einem deutlich geringeren Preis. Dieses Mehl wurde ausschließlich über die Verkaufsstellen der aus der Arbeiterbewegung hervorgegangenen „Produktion“ abgegeben, und so betrat vielleicht manche Hausfrau aus dem Villenviertel zum ersten Mal in ihrem Leben diese genossenschaftliche Einrichtung (falls sie nicht ihr Dienstmädchen schickte).

Bergedorfer Zeitung, 22. April 1919

 

Wirklich überzeugt von diesem Produkt war die „Produktion“ offenbar nicht, sonst hätte sie nicht schon im Vorwege die Rücknahme angeboten.

 

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Der gut deutschnational-bismarckische Geist in der Jugend

Bergedorfer Zeitung, 3. April 1919

Der Geburtstag Otto von Bismarcks, des ersten Reichskanzlers des wilhelminischen Kaiserreichs, wurde in Bergedorf und am Grabe Bismarcks in Friedrichsruh jedes Jahr mit Gedenkstunden, Kundgebungen und dergleichen begangen, oft verbunden mit Kranzniederlegungen: 1919 berichtete die BZ über Kranzniederlegungen am Bergedorfer Bismarck-Denkmal (Abbildung siehe unten) durch den Deutschnationalen Handlungsverband, die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) und „Jung-Bergedorf“; die Hansa-Schule legte einen Kranz auf den Sarg Bismarcks (BZ vom 1. und 2. April).

Der Deutschnationale Jugendbund, dessen Ortsgruppe eine abendliche Geburtstags-Gedenkfeier ausrichtete, betonte zwar, dass er kein Teil der DNVP sei (BZ vom 13. Februar), aber es dürfte auch kein Zufall gewesen sein, dass er sich als deutschnational bezeichnete. Der Festredner Prof. Dr. Ohly, Direktor der Hansa-Schule und DNVP-Kandidat zur Bürgerschaft (ohne Erfolg) und zur Bürgervertretung (mit Erfolg), fand die für diesen Zuhörerkreis passenden Worte. Pastor Behrmann, der die Räume zur Verfügung gestellt hatte (BZ vom 31. März 1919), trug (nicht bezeichnete) Gedichte von Rudolf Kinau (nicht: Kienau) vor – ob das „Frei und unerschütterlich“ Hoffmann von Fallerslebens wirklich im Sinne des Dichters gesungen wurde, kann bezweifelt werden.

Was genau nun ein „deutschnational-bismarckischer Geist“ war? Wahrscheinlich mehr als nur ein nostalgisches Erinnern an Reichseinigung und Aufstieg Deutschlands – mit Sicherheit eine Ablehnung von Demokratie und gesellschaftlichen Reformen. Ebenfalls mit Sicherheit war dieser Geist nicht in der gesamten Jugend vorherrschend: die Jugendorganisationen der anderen Parteien hatten sich am Bismarck-Gedenken nicht beteiligt: die Jugendgruppe der DDP führte einen „Storm-Abend“ mit Rezitationen durch (BZ vom 2. April), über andere Veranstaltungen wurde nicht berichtet.

Bismarck-Denkmal am Reinbeker Weg (heutiger Standort: Schlosspark)

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Von Hypnotismus, Neudenken und Magnetismus

BZ 4. April 1919

Erziehungsprobleme gab es nach Kriegsende mehr als genug: oft jahrelang waren die Kinder ohne Vater gewesen, manche Väter waren gefallen oder in Gefangenschaft, von den Rückkehrern hatten viele körperliche oder psychische Schäden erlitten, hinzu kamen die Arbeitslosigkeit und die Sorge um die Zukunft, die auch die ebenfalls durch die Kriegsjahre stark belasteten Mütter betrafen. Ob die schulischen Maßnahmen wirken würden, musste sich erst noch zeigen, und so mag mancher, der sich nicht mehr zu helfen wusste, mit Interesse auf die Anzeige des Hypnotiseurs Weißleder geblickt haben. Seine Kunst allerdings war zumindest in Teilbereichen höchst zweifelhaft: der Magnetismus, auch Mesmerismus genannt, wurde schon im 18. Jahrhundert als „wissenschaftlich unhaltbar“ bezeichnet, was an der Beliebtheit der Methode wenig änderte.

Die Zielgruppe Eltern hatte Weißleder allerdings erst entdeckt, nachdem sein erstes Kursangebot wohl nur auf geringe Resonanz gestoßen war: hatte er in seiner ersten Anzeigenserie auf „Nervöse und Strebende“ gezielt, denen er „Wege zum Erfolg“ (z.B. BZ vom 27. März) aufzeigen wollte, und noch am Tage des ursprünglich vorgesehenen Kursbeginns am 3. April um Teilnehmer geworben, so nahm er nun Eltern und Erzieher in den Fokus.

BZ 22. Mai 1919

BZ 14. März 1919

Wie viele er letztlich fand ist offen – jedenfalls blieb er im Geschäft und suchte medial veranlagte Personen für hypnotische Experimente, zumindest in der Anzeige etwas zurückhaltender formulierend als der Geesthachter C. Bockwoldt, der seine hypnotischen Dienste ebenfalls offerierte, sie aber wohl nicht als Mittel der Kindererziehung einsetzen wollte.

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Freikorpswerbung in Bergedorf

Bergedorfer Zeitung, 1. April 1919

Vor allem ehemalige Frontsoldaten wurden gesucht, aber auch andere „treue Männer“, die sich zu einem der Freikorps melden sollten, welche im Regierungsauftrag innere und äußere Feinde bekämpfen sollten (und sich nach ihrer erzwungenen Auflösung gegen die Regierung richteten).

Für den „Grenzschutz Ost“ (BZ vom 17. Februar und 5. März) und z.B. das „Freiwillige Landesjägerkorps“, das sich als „Stütze der Regierung gegen Spartakus“ bezeichnete, wurden Leute gesucht (BZ vom 26. Februar). Auch der ehemalige Kommandeur der Schutztruppe in Deutsch-Ostafrika, Paul von Lettow-Vorbeck, stellte eine solche Einheit auf. Laut dreispaltiger Anzeige galten die „Regierungsbedingungen für Freikorps“ hinsichtlich Löhnung, Verpflegung usw., und eine der Meldestellen lag in Hamburg in der Nähe des Rathauses. Wenige Tage später schaltete des „Sturmbataillon Schmidt der Garde-Kavallerie-Schützen-Division“ eine Anzeige und richtete eines ihrer Werbebureaus in Bergedorf im Gasthof „Zum weißen Schwan“ ein (BZ vom 9. April).

Es ist nicht bekannt, ob die Werbeaktionen in Bergedorf und Umgebung auf Resonanz stießen. Wenn das der Fall gewesen sein sollte, könnten diese Freiwilligen mit zu denen gehört haben, die im Auftrag der Reichsregierung nach den sogenannten Sülzeunruhen Hamburg militärisch besetzten.

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Die Wohnungsmieten und die Parteipolitik

Die Wohnungsmieten sollten steigen – so hatten es für die Stadt Hamburg der Grundeigentümerrat und der Mieterverein vereinbart. Bergedorfs Grundeigentümer wollten nun nachlegen, aber Bergedorfs Magistrat legte sich quer und verwies darauf, dass die Mietschlichtungsstelle allen Mieterhöhungen zustimmen musste:

BZ 7. März 1919

Bergedorfer Zeitung, 10. März 1919

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Auseinandersetzung zog sich über Wochen hin und wurde zwischen den Interessenvertretern der Grundeigentümer und denen der Mieter mit großer Schärfe geführt, wobei so mancher Schlag in Richtung Gürtellinie oder tiefer ging. Dazu hat sicher beigetragen, dass am 14. März die Hamburger Bürgerschaft und am 13. April die Bergedorfer Stadtvertretung gewählt wurden: man teilte (bzw. keilte) kräftig aus, was sich in sieben „Sprechsaal“-Artikeln (Leserbriefen) in der BZ widerspiegelte.

Bergedorfer Zeitung, 24. März 1919

Bergedorfer Zeitung, 31. März 1919

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Vorsitzende des Grundeigentümerrats Martin Biehl war Mitglied der DDP, trat aber zur Bergedorf-Wahl als Spitzenkandidat einer Grundeigentümerliste an (vollständige Kandidatenliste in der BZ vom 8. April), von der die DDP deutlichen Abstand hielt (BZ vom 11. April) – dennoch wollten die Vorsitzenden des Gewerkschaftskartells und des Arbeiterrats, Petersen und Storbeck, die DDP für Biehl haftbar machen (Sprechsaal, BZ vom 26. März) und so Stimmen ins eigene Lager ziehen. Biehl wiederum warf dem SPD-Ratmann Wiesner vor, die Mieter zu instrumentalisieren und wies darauf hin, dass der SPD-Spitzenkandidat Christian Piel doch selbst Grundeigentümer sei (Sprechsaal, BZ vom 3. April), um so die Glaubwürdigkeit der SPD zu unterminieren. Ob diese Wahlkampftaktik funktionierte, sei dahingestellt; jedenfalls erhielt die Grundeigentümerliste am 13. April einen Sitz in der Stadtvertretung, Biehl war also gewählt. Die SPD errang 12 der 25 Sitze (BZ vom 14. April).

Die Einführung einer Meldepflicht für freie vermietbare Wohnungen bei dem neugeschaffenen „amtlichen Wohnungsnachweis“ (BZ vom 1.  und 15. März) verstärkte die Kontrolle der Stadt über den Wohnungsmarkt, und die Mietpreisbremse durch die Schlichtungsstelle (s.o.) wurde bald noch fester angezogen: sie konnte sogar ggf. die Miete für eine neuvermietete Wohnung „auf die angemessene Höhe herabsetzen“ (BZ vom 23. April). Im Sommer dann brachte das Amt einen Artikel in die BZ, nach dem eine Mieterhöhung von 10% gegenüber „einer Friedensmiete bis 400 M“  in der Regel als angemessen angesehen werde, 12,5 % bei bis 700 M und 15% bei einer Friedensmiete über 700 M, was deutlich unter den Hamburger Sätzen lag (BZ vom 2. Juli).

Die Wohnungsnot bestand in jedem Falle weiter, worauf in einem späteren Beitrag einzugehen sein wird.

 

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Verbraucherschutz und Pferdefleisch

Bergedorfer Zeitung, 22. März 1919

Die Rechtsgrundlage gab es schon einige Jahre, aber jetzt wurde es offenbar ernst: bei Fleisch und Fleischwaren mussten „deutlich sichtbar“ Bezeichnungen mit Nennung der Tiergattung angebracht werden, sonst und bei falscher Angabe drohten Geld- und/oder Gefängnisstrafe sowie der Pranger, d.h. die öffentliche Bekanntmachung des Schuldigen.

Das war zweifellos im Sinne der Verbraucher: zwar werden sie im Laden die gängigsten Fleischsorten haben unterscheiden können, aber bei Konserven und Wurst wird der äußere Anschein wenig hilfreich gewesen sein, und die Geschichten vom Hundefleisch (siehe den Beitrag Kriegsbrauchbare Hunde) waren sicher unvergessen.

Es wäre bestimmt hilfreich gewesen, wenn aus den wöchentlichen Bekanntmachungen der Landherrenschaften über die Lebensmittelrationen (Auszug siehe unten) jeweils die Fleischart ersichtlich gewesen wäre, doch in der Regel wurde nur undifferenziert „Fleisch“ angegeben. Lediglich Pferdefleisch wurde ggf. als solches bezeichnet, und Anfang 1919 hatte es vor allem dieses gegeben – vermutlich von aus dem Krieg zurückgekehrten Pferden, die nicht mehr arbeitstauglich waren: allein im Januar hatte die Kommandantur Altona sieben Pferdeversteigerungen annonciert, und man kann sich vorstellen, was aus den übriggebliebenen Tieren wurde.

Bergedorfer Zeitung, 13. Januar 1919 (Auszug aus der Bekanntmachung der Lebensmittelrationen)

Bergedorfer Zeitung, 6. Januar 1919 (Auszug aus der Bekanntmachung der Lebensmittelrationen)

 

 

 

 

Trotz des Kriegsendes hatte sich die Versorgungslage der Bevölkerung nicht verbessert (vielleicht wurde deshalb immer noch die im Krieg begonnene Wochen-Numerierung fortgesetzt), sondern teilweise verschlechtert: im ersten Quartal 1918 hatte es jede Woche 200 Gramm Fleisch gegeben, 1919 waren es im gleichen Zeitraum oft nur 150 Gramm, „mit eingewachsenen Knochen“. Allein die Pferdefleischrationen waren mit bis zu 375 Gramm größer.

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Vierlanden ohne Soldatenrat

Bergedorfer Zeitung, 20. März 1919

Da hatte Soldatenrats-Vertreter Röhr wohl zu selbständig gehandelt – nicht zum ersten Mal, siehe den Beitrag Die Revolution erreicht die Dörfer: nun war er wegen eigenmächtiger Verlängerung der Polizeistunde abberufen worden.

Die Festsetzung der Polizeistunde war nach der Revolution in die Zuständigkeit des Arbeiter- und Soldatenrats übergegangen, wie verschiedene Bekanntmachungen der Räte für Groß-Hamburg, Bergedorf und Geesthacht belegen (siehe z.B. BZ vom 30. November, 2. und 23. Dezember 1918), und auch Röhr tauchte mit einer solchen Bekanntmachung auf: er setzte die Polizeistunde auf 22 Uhr (BZ vom 12. Februar 1919), was genau der Regelung in Hamburg, Bergedorf und Geesthacht entsprach und damit eigentlich kein Grund zur Aufregung war – aber vielleicht hatte er (verständlicherweise ohne dies in der Zeitung zu publizieren) Ausnahmen für die tanz- und feierfreudige Landbevölkerung von Fall zu Fall genehmigt.

Auch schien jetzt wieder die Landherrenschaft für die Polizeistunde zuständig zu sein, wie aus einer in der BZ vom 18. Februar 1919 veröffentlichten Bekanntmachung hervorging – ein sichtbares Anzeichen für den Kompetenzverlust der Räte nicht nur in Hamburg, sondern auch in Sande, für das der Regierungspräsident in Schleswig erklärte, „daß es rechtsunwirksam ist, wenn A.- oder S.-Räte Bestimmungen hierüber treffen“ (BZ vom 11. April 1919).

Einen Amtsnachfolger für Röhr als „Vertreter des Soldatenrats für die Vierlande“ scheint es nicht gegeben zu haben, und ob es überhaupt einen aus mehreren Personen bestehenden Soldatenrat in den Vierlanden gegeben hatte oder ob Röhr als einziger vom (Hamburger) Soldatenrat dorthin delegiert worden war, bleibt offen.

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