Die Menge des zur Verteilung gelangenden Mehls war nicht groß: 250 Gramm pro Person sollte es geben, aber man freute sich ja über jede Aufstockung der Ration.
Die Bekanntmachung ist aber auch aus anderen Gründen einen genaueren Blick wert: zum zweiten Mal nach Kriegsende gab es „Auslandsmehl“, und zwar amerikanisches Weizenmehl, wie es in weiteren Bekanntmachungen am 7. und 14. April hieß, das vermutlich mit den ersten amerikanischen Lebensmittelschiffen „West-Carnifax“ und „Lake Tulare“ Ende März im Hamburger Hafen eingetroffen war (BZ vom 26. und 28. März): die Hungerblockade, die nach Angaben des Statistischen Reichsamts 762.796 Tote zur Folge gehabt hatte (BZ vom 19. März), war damit durchbrochen, aber der Hunger blieb.
Die „schuldhaft Arbeitslosen“ sollten von den zusätzlichen Rationen allerdings nichts abbekommen, wie es in § 2 hieß, und als schuldhaft arbeitslos galt nach der angegebenen Verordnung vom 15. November 1918, wer sich weigerte, Arbeit zu „angemessenem Lohn“ anzunehmen, oder der täglichen Meldepflicht beim Arbeitsnachweis nicht nachkam (BZ vom 8. und 30. Januar), ebenso alle Teilnehmer an „wilden Streiks“.
Uneingeschränkt für alle sollte es dann in der darauffolgenden Woche je ein Pfund Mischmehl geben, zu einem deutlich geringeren Preis. Dieses Mehl wurde ausschließlich über die Verkaufsstellen der aus der Arbeiterbewegung hervorgegangenen „Produktion“ abgegeben, und so betrat vielleicht manche Hausfrau aus dem Villenviertel zum ersten Mal in ihrem Leben diese genossenschaftliche Einrichtung (falls sie nicht ihr Dienstmädchen schickte).
Wirklich überzeugt von diesem Produkt war die „Produktion“ offenbar nicht, sonst hätte sie nicht schon im Vorwege die Rücknahme angeboten.