Kohlenferien und kalte Schulen

BZ, 28. Januar 1920

BZ, 30. Januar 1920

Ungewöhnliche Unterrichtsorte der Hansaschule: eine Klasse sollte in die Räume der Stadtschule am Brink einziehen, eine andere in ein Privathaus am Schlebuschweg – Schuld war natürlich wieder die Kohlennot. Wo (und ob überhaupt) andere Klassen Unterschlupf fanden, ist unbekannt; vielleicht gab es für sie zusätzliche Ferientage.

Diese Situation wollte ein findiger Gymnasiallehrer gleich nutzen, um etwas hinzuzuverdienen:

Bergedorfer Zeitung, 13. Januar 1920

Damit war es dann nach Monatsende vorbei, denn die Hansaschule kündigte an, dass der regelmäßige Unterricht am 3. Februar wieder beginnen würde (BZ vom 31. Januar).

Bergedorfs zusammengepferchte Kurzunterrichts-Stadtschüler (siehe den Beitrag Aus vier mach zwei) hatten übrigens keine Kohlenferien (sonst hätte die oben genannte Hansaschulklasse ja nicht in die Brink-Schule ausweichen können). Anders in Geesthacht: dort hatten die Weihnachtsferien vorzeitig begonnen (BZ vom 12. Januar), und erst ab dem 18. Januar gab es ein Notprogramm mit maximal einer Stunde pro Tag, wobei durch „Klassenturnen“ eine übermäßige Auskühlung der Schülerinnen und Schüler in den ungeheizten Räumen verhindert werden sollte (BZ vom 13. Januar). Ob dieser Zustand den Befürchtungen entsprechend sogar den Februar über andauerte, war nicht in der Zeitung zu lesen.

BZ, 18. Januar 1920

Auch Sande stand vor diesem Problem und verringerte es nach einer Ferienverlängerung (BZ vom 5. Januar) durch Kurzunterricht in wenigen geheizten Räumen (BZ vom 16. Januar) bis nach weiteren vier Wochen der volle Unterricht wieder aufgenommen werden konnte (BZ vom 23. Februar).

 

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Die Hochbahn und die Schafsgeduld der Bergedorfer

Bergedorfer Zeitung, 29. Januar 1920

Enttäuscht waren die Bergedorfer sicher, als sie diese Nachricht lasen – aber wirklich überrascht werden sie nicht gewesen sein: wegen des zu erwartenden Betriebsdefizits lehnte der Senat den Bau einer Hochbahnlinie zwischen Hamburg und Bergedorf vorerst ab, hatte aber immerhin keine Einwände gegen weitere Planungsarbeiten.

Lange Zeit hatte es so geschienen, als würde die „Sperber-Trasse“ der Baudeputation diese neue Verbindung herstellen: 1915 war die Hochbahn-Zweiglinie vom Hamburger Hauptbahnhof nach Rothenburgsort eröffnet worden  (BZ vom 24. Juli 1917), und für ihre Weiterführung in das  Industriegebiet Billbrook hatte die Bürgerschaft Mittel bereitgestellt (BZ vom 20. April 1917). Sperbers Plan sah vor, diese Strecke in Ost-West-Richtung durch (das bevölkerungsarme) Billwärder bis Bergedorf zu verlängern, aber 1919 war eine andere Variante der Hochbahn-Anbindung Bergedorfs in die Debatte gekommen: die Trasse sollte auf der Geest verlaufen, Hamm und Horn sowie Schiffbeck und Kirchsteinbeck erschließen und dann über Boberg und Sande Bergedorf erreichen. Das hätte die Fahrgastzahlen und die Rentabilität sicher erhöht, war aber deutlich schwieriger, weil große Abschnitte auf preußischem Gebiet lagen, und Verhandlungen mit Preußen waren erfahrungsgemäß zeitaufwändig.

Planskizzen des Bergedorfer Architekten Hermann Distel hierzu und zu weiteren Eisenbahnlinien sind in seiner online einzusehenden Studie „Hamburg Ost“ auf den Seiten 23, 29 und 32 vorhanden und zeigen, dass Distel im Zuge der Groß-Hamburg-Debatte 1919 über die Grenzen Bergedorfs hinaus dachte – die von ihm als vorrangig angesehene Lösung war aber die Erweiterung der vorhandenen Staats- bzw. Reichsbahntrasse (Strecke Hamburg – Bergedorf – Berlin) um zwei Gleise für elektrisch betriebenen Vorortsverkehr (bis Aumühle) und auch um zwei Gleise für den Güterverkehr zwischen Bergedorf und dem projektierten Verschiebebahnhof bei Tiefstack bzw. Billwärder.

Die „Schafsgeduld“ in Verkehrsfragen, über die sich Distel in einem Vortrag bei der Bergedorfer DDP mokiert hatte (BZ vom 12. Februar 1919), war weiterhin nötig: laut Bergedorf-Chronik fuhr der erste elektrische S-Bahnzug von Berliner Tor bis Bergedorf am 31. Mai 1958, und ab Oktober 1959 ging es dann bis zum Hauptbahnhof. Eine Hochbahn-Anbindung ist aktuell wieder einmal in der Diskussion – das Ergebnis ist offen.

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Die Abrechnung des Arbeiterrats Bergedorf-Sande

Bergedorfer Zeitung, 22. Januar 1920

Der Arbeiterrat Bergedorf-Sande war ein Kind der Revolution, aber ein wohlerzogenes, das mit Geld sorgsam umging, siehe die Beiträge Die Revolution erreicht Bergedorf und Die Revolution organisiert sich.

In dem einen Jahr seines Bestehens hatte dieser Arbeiterrat Ausgaben in der bescheidenen Höhe von nicht einmal 2.500 M getätigt, die trotz Revolutionswirren offenbar pfenniggenau abgerechnet werden konnten. Die Sander Gemeindevertretung hatte „zur Deckung der notwendigen Unkosten“ sehr zügig 500 M bewilligt (BZ vom 10. Dezember 1918), in Bergedorf dauerte dies länger: erst in der Sitzung von Magistrat und Bürgervertretung am 28. Februar 1919 wurden dem Arbeiterrat 3000 M als Kredit zur Verfügung gestellt (BZ vom 1. März 1919). Die damit disponiblen Mittel wurden laut Abrechnung bei weitem nicht ausgeschöpft, und sollte der Gesamtbetrag von 3.500 M zur Auszahlung gekommen sein, hätte es eine Rückerstattung geben müssen, über die in der BZ allerdings nichts zu finden war.

Auch in anderen Orten erhielten die Arbeiterräte bzw. Arbeiter- und Soldatenräte Geld aus gemeindlichen Kassen: in Geesthacht gab es 3.000 M (BZ vom 13. November 1918), die der Rat u.a. für drei weibliche Bürokräfte verwenden wollte (Stellenanzeige in der BZ vom 18. November 1918); über eine Abrechnung schrieb die BZ nicht.

Der Arbeiter- und Soldatenrat Vierlanden (siehe den Beitrag Die Revolution erreicht die Dörfer) mit Sitz in Zollenspieker wurde zunächst durch die Gemeinde Kirchwärder finanziert, die 1920 versuchte, von den anderen Vierländer Gemeinden eine Kostenbeteiligung zu erreichen, was nur teilweise erfolgreich war: Neuengamme zahlte 415 M, Altengamme lehnte die Forderung rundweg ab (BZ vom 9. und 30. Oktober 1919), und über Curslack fehlt jede Meldung zu diesem Thema.

Auch wenn die Berichterstattung der BZ lückenhaft war und Fragen offen lässt: die Revolution rechnete sauber ab. Das ruft den meist Lenin zugeschriebenen Ausspruch ins Gedächtnis, dass Deutsche, die in revolutionärer Aktion einen Bahnhof stürmen wollen, sich erst eine Bahnsteigkarte kaufen.

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Die überlasteten Ziegenböcke

BZ, 14. Juni 1919

Jedes der Bergedorf umgebenden Dörfer hatte damals (mindestens) einen Ziegenzuchtverein. Alle diese Vereine haben gemeinsam, dass es sie einhundert Jahre später nicht mehr gibt – der Bundesverband Deutscher Ziegenzüchter e.V. hat nicht einmal mehr einen Landesverband Hamburg. Auf Erlebnishöfen in Hamburg werden allerdings noch Ziegen gehalten.

Als „Kuh des kleinen Mannes“ war die Ziege früher von großer Bedeutung (siehe den Beitrag über Ziegen), und dementsprechend wichtig war die Zucht. Es gab einen „Ausschuß für Ziegenzucht des Landwirtschaftlichen Hauptvereins“, der staatlich gefördert wurde (BZ vom 31. Juli 1919) und „gekörte“, d.h. züchterisch einwandfreie Böcke zur Verfügung stellte.

Bergedorfer Zeitung, 21. Januar 1920

Wie der nebenstehende Bericht zeigt, war die Haltung eines Ziegenbocks recht teuer. Die Refinanzierung erfolgte aus den Mitgliedsbeitragseinnahmen des Vereins und vor allem durch das „Bockgeld“, das die Besitzer weiblicher Ziegen für das Decken zu zahlen hatten. Bei einer steigenden Ziegenzahl bedeutete dies mehr Einsätze für die Böcke, was auf der Kirchwärder Nordseite offenbar zur „Überlastung“ der Tiere geführt hatte – wie sich diese Überbeanspruchung zeigte, war der Zeitung nicht zu entnehmen.

BZ, 12. November 1920

Entweder führte das erhöhte Bockgeld dann zu einer geringeren Inanspruchnahme der Reproduktions-Dienstleistung oder die Tiere kamen wieder zu Kräften; sonst hätte der Verein diese Anzeige nicht geschaltet.

 

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Die Riesen im Brauthaus von St. Severini zu Kirchwärder

Bergedorfer Zeitung, 15. Januar 1920

Die Verlegung der Dampfheizung der Kirchwärder Kirche ins Kircheninnere wäre nicht erwähnenswert, wäre damit nicht die Umgestaltung des sogenannten Brauthauses verbunden gewesen: in diesem Zugangsraum zur Kirche wurden „neun der größten bisher auf dem Kirchhofe befindlichen Grabsteine“ aufgestellt. (Der größte dieser „Riesen“ aus Sandstein misst 270 x 176 cm.)

Damit bekam der Kampf um die Grabsteine eine andere Richtung: die auf den Grabstellen liegenden „Leichensteine“ aus der Zeit Ende des 16. bis Mitte des 18. Jahrhunderts kamen nach jener Zeit aus der Friedhofsmode, und manche Eigentümer der Grabstellen transportierten „ihre“ Steine auf ihren Hof, wo sie profane Verwendungen, meist als Fußtritt vor der Eingangstür fanden – all dies und das folgende ist in der detaillierten und fotografisch dokumentierten Studie von Joist Grolle nachzulesen, knapper in einer sich v.a. auf Grolle stützenden Online-Darstellung von Gerd Hoffmann.

Erst nach 1900 erkannte man die künstlerische und kulturhistorische Bedeutung der insgesamt ca. 100 Steine, insbesondere Justus Brinckmann setzte sich für die (museale) Erhaltung des Ensembles ein. Auch der seit 1913 in Kirchwärder amtierende Pastor Otto Grau („Otto I.“) und sein Sohn und Nachfolger im Amt des Ortsgeistlichen, „Otto II.“, haben sich hier Verdienste erworben. Die Erhaltung und Restaurierung dieser einzigartigen Sammlung hat sich seit einigen Jahren der Förderverein St. Severini als eines seiner Ziele gesetzt – und wie man dem Gemeindebrief Nr. 154 (S. 18) entnehmen kann, ist das Ensemble 2019 sogar wieder um einen „Riesen“ gewachsen.

Die unten wiedergegebene Ansichtskarte von etwa 1904 zeigt im Vordergrund links mehrere dieser Grabplatten; das im Artikel genannte „Brauthaus“, das einige der Steine aufnahm, ist der Anbau links an der Kirche.

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Die Öl- und Gassuche in Boberg

Bergedorfer Zeitung, 14. Januar 1920

Nicht jeder, der der Bergedorfer Zeitung etwas zutrug, war wirklich gut informiert, und die Redaktion überprüfte offenbar auch nicht. Nach dieser Meldung hatten in Boberg Bohrungen auf Petroleum begonnen.

Bergedorfer Zeitung, 20. Januar 1920

Das muss erstaunen, denn erst Tage später wurde gemeldet, dass man mit der Aufstellung des Bohrturms begonnen habe, gesucht werde nach Gas. Auch die Gemeinde konnte auf Einnahmen hoffen, denn auf ihrem Gelände sollte ebenfalls gebohrt werden. Der Tipp, dass hier Bodenschätze zu finden seien, war übrigens von dem Rutengänger Bold(t) gekommen (BZ vom 13. Februar 1920), der ja angeblich u.a. die zweite Gasader in Neuengamme prognostiziert hatte (siehe den Beitrag Erdgassuche per Wünschelrute).

Bergedorfer Zeitung, 29. März 1920

Eine Reihe von Wochen später, Ende März, hieß es, dass „noch in dieser Woche“ mit den Bohrungen begonnen werden könne, weil der Bohrturm vollendet sei, wobei unklar bleibt, ob damit die Anlage bei Frau Tätzsch gemeint war oder die auf dem Gemeindeland.

Als im September in der Gemeindevertretung nach dem Stand der Dinge gefragt wurde, hieß es lapidar: „Das Bohren nach Gas im aufgestellten Bohrturm nimmt seinen Fortgang.“ (BZ vom 18. September 1920)

Wie lange gebohrt wurde, ist unbekannt. Ausbeutungswürdige Öl- oder Gasvorkommen wurden jedenfalls bis heute nicht entdeckt. Aber Boberg hatte ja einen anderen Bodenschatz: Torf, den man 1920 nicht nur für den Eigenbedarf abbaute, sondern sogar in andere Gemeinden verkaufte (BZ vom 2. Oktober 1920).

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Das Ende der Bergedorfer Stadtkapelle

Bergedorfer Zeitung, 20. Januar 1920

Die Enttäuschung der Redaktion klang vernehmlich durch: „die schwer darniederliegenden wirtschaftlichen Verhältnisse“ hatten das Projekt einer professionellen Stadtkapelle scheitern lassen.

Die „Musikkapelle der Stadt Bergedorf“, wie sie sich ursprünglich nannte, hatte unter der Leitung von F. M. Hirrschoff ihren ersten Auftritt am 4. Mai 1919 mit einem Promenadenkonzert auf dem Mohnhof gehabt. „Die ausgewählten Musikstücke wurden von den Zuhörern dankbar aufgenommen und legten von der sorgsamen Schulung der Kapelle Zeugnis ab.“ (BZ vom 5. Mai 1919). Das Programm unterschied sich deutlich von den zahlreichen Militärkonzerten der Vorjahre: zwar gab es einleitend mit „In Treue fest“ einen Marsch, aber dann wurde es u.a. mit dem Walzer „Mein Traum“ von (Emile) Waldteufel und dem „Leuchtkäfer-Stelldichein“, einem Salonstück von (Julius) Siede, deutlich ziviler. Den Abschluss bildete eine Fantasie aus (Richard) Wagners „Lohengrin“.

Nicht immer wollte die Kapelle in der vollen Besetzung von 25 Mann auftreten; sie empfahl sich „zu Musikaufführungen jeglicher Art, als Konzert, Ball, Ständchen, Trauermusiken usw. in allen Besetzungen.“ (BZ vom 8. Mai 1919) Wie häufig ihre Dienste nachgefragt wurden, lässt sich nicht feststellen, denn bei  Tanzkränzchen- und Ball-Anzeigen wurden die Musizierenden in aller Regel nicht genannt. Nach der Zeitung zu urteilen, gab es 1919 nur wenige Auftritte der gesamten Kapelle, und so konnte die Auflösung im Januar 1920 eigentlich nicht verwundern.

Bergedorfer Zeitung, 21. Januar 1920

Die nebenstehende Anzeige muss dann aber doch überrascht haben: der Auflösung folgte unmittelbar die Neuformierung mit „nur Berufsmusikern“ – vielleicht waren ja auch Amateurmusiker dabei gewesen, und es hatte (nur intern?) Misstöne gegeben. Der Dirigent Hirrschoff hielt weiter den Taktstock, es gab einige Auftritte, z. B. als Eigenveranstaltung eine große Volks-Maskerade und (gemeinsam mit dem Arbeiter-Sängerchor Bergedorf-Sande) ein „Großes Vokal- und Instrumental-Konzert“ (BZ vom 6. und 18. Februar 1920), doch selbst damit war es bald vorbei.

Im Mai verkündete der Deutsche Musikerverband die „endgültig erfolgte Auflösung der Bergedorfer Stadtkapelle“, und neu auf den Plan trat die „Konzertkapelle Hirrschoff“ mit „nur wirklich leistungsfähigen Berufsmusikern“, was immer das bedeuten mochte:

BZ, 11. Mai 1919

Bergedorfer Zeitung, 11. Mai 1920

 

 

 

 

 

 

 

Bergedorfer Zeitung, 30. März 1920

Der genannte Verband, der auch in Geesthacht eine Ortsgruppe hatte (BZ vom 6. Februar 1920), war offenbar eine Art Gewerkschaft, die am liebsten die Auftragsannahmeberechtigung auf ihre Mitglieder beschränken und einen Lohntarif durchsetzen wollte . Ob ihr das gelang, ist angesichts weiterer in Bergedorf aktiver Ensembles wie der Salonkapelle A. Pichinot, der Radelfahr’schen und der Drews‘schen Kapelle sowie vieler Musikvereine fraglich (diverse Anzeigen in der BZ).

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Die Not des Studenten Noth

BZ, 7. Januar 1920

Mit kühlem Kopf kann man gut studieren, aber nicht, wenn man am ganzen Körper durchgefroren ist. Man kann also verstehen, dass ein Bergedorfer Student diese Anzeige ins Blatt setzen ließ und um Spenden für Winterkleidung bat. Auf welchen Gebieten die Begabung des Studierenden Noth lag, weiß man nicht, aber ausweislich der Annonce verfügte er nicht über besondere sprachliche Stärke.

 

Bergedorfer Adressbuch für 1915

Der Familienname Noth tauchte in den Adressbüchern jener Jahre jeweils nur einmal auf, immer mit der Anschrift „Schlebuschweg 12“: der dort eingetragene J. Werner Noth war ein leitender Bankbeamter, und sowohl der Beruf als auch die Adresse im Villenviertel lassen auf einen gewissen Wohlstand schließen.

Wenn der Student Noth zu dieser Familie gehörte, womöglich ein Sohn war, der bei Papas Bank ein Spendenkonto für sich einrichtete, dann wird es den Herrn Vater wohl nur wenig erfreut haben. Klatsch und Tratsch wird es gefördert haben.

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Die durchgehende Arbeitszeit

Bergedorfer Zeitung, 7. Januar 1920

Die „dauernde Kohlennot“ bestimmte weite Teile des Lebens in Bergedorf und Sande, wie schon im Beitrag der Vorwoche aufgezeigt, und sie veranlasste die Verwaltungen von Bergedorf und Sande zu gemeinsamem Handeln: Bürgermeister Wilhelm Wiesner und Gemeindevorsteher Richard Krell luden „die Vertreter sämtlicher Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen“ ihres Bereichs zu einer Besprechung über die Einführung der „durchgehenden Arbeitszeit für alle Betriebe“ ein.

Auf den ersten Blick scheint der Ansatz plausibel: nach einem 1919 geschlossenen Tarifvertrag für die Ladengeschäfte stand den Angestellten mittags eine zweistündige Tischzeit zu (BZ vom 19. Februar 1919). Zwar waren in der BZ keine weiteren Angaben zu den örtlich üblichen Pausenzeiten zu finden, aber man darf vermuten, dass ähnliche Regelungen in den anderen Wirtschaftsbereichen bestanden – in der hellsten Tageszeit ruhte das Wirtschaftsleben also weitgehend. Dafür musste am Nachmittag künstliche Beleuchtung genutzt und auch länger geheizt werden, was beides zusätzlichen Kohlenverbrauch bedeutete.

Bergedorfer Zeitung, 8. Januar 1920

Die Reaktionen waren unterschiedlich. Die Gremien der freien Gewerkschaften sprachen sich für die durchgehende Arbeitszeit aus, verbanden dieses Votum aber mit der Forderung, „eine in dieser Zeit liegende Pause solle zu Kosten der Arbeitgeber fallen“, was de facto die Einführung des Siebeneinhalbstundentags bedeutet hätte.

Die Verhandlungen scheiterten am Widerstand der Arbeitgeber, wie aus gleich zwei Artikeln hervorgeht: der Bericht in der BZ vom 12. Januar scheint aus der Perspektive des Bergedorfer Rathauses geschrieben zu sein, was die Arbeitgeberseite veranlasste, eine umfangreiche Stellungnahme abzugeben, die die Zeitung am nächsten Tag gekürzt wiedergab:

Bergedorfer Zeitung, 12. Januar 1920

Bergedorfer Zeitung, 13. Januar 1920

 

Demnach war nicht nur die im Vorjahr gegründete Wirtschaftliche Vereinigung (BZ vom 2. April 1919) gegen die zentrale Festlegung auf eine einheitliche Arbeitszeit, sondern auch der Geschäftsführer der AOK und SPD-Bürgervertreter Friedrich Tonn, da die Betriebe unterschiedliche Anforderungen und Betriebsnotwendigkeiten hätten, was ja auch einleuchtet. Ob Tonn sich den weiteren Ausführungen der Arbeitgeber angeschlossen hätte, ist zu bezweifeln.

Über eventuell geschlossene betriebliche Vereinbarungen berichtete die Zeitung nicht.

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Von Haus-Gasometer und Telefonvermittlung

Bergedorfer Zeitung, 3. Januar 1920

Elf Tage war Bergedorf ohne Gas gewesen, siehe den Beitrag Sorgenvolle Weihnachten – nun konnte das Gaswerk seine Lieferungen wieder aufnehmen, wenn auch nur in dem sehr bescheidenen Umfang von vier Stunden am Tag. Das Kochen einer Mittagsmahlzeit auf dem Gasherd blieb unmöglich.

BZ, 5. Januar 1920

Bergedorfer Zeitung, 20. Februar 1920

Da wird mancher über Hartig Eggers‘ Angebot eines Haus-Gasometers nachgedacht haben, um sich von Sperrzeiten unabhängig zu machen. Aus der Abbildung eines solchen Geräts in einer späteren Anzeige kann man aber unschwer erkennen, dass es sich dabei nur um eine Art Camping-Kocher handelte: entweder man setzte den Kessel auf oder man schloss eine Gaslampe an, mehr war nicht möglich.

Bergedorfer Zeitung, 24. Januar 1920

Eine solche Vorrichtung war aber deutlich besser als die Petroleum- und Karbidlampen, die während der totalen Gassperre in der Telefonvermittlung des Bergedorfer Postamts zum Einsatz gekommen waren. Die Ausdünstungen hatten offenbar zu einer Reihe von Krankmeldungen des Personals und dies zur gänzlichen Einstellung des Fernsprechbetriebs geführt. Wenn die Oberpostdirektion jetzt erklärte, dass wieder „im vollen Umfange“ vermittelt wurde, wird das die Bergedorfer erfreut haben.

Bergedorfer Zeitung, 5. Januar 1920

Die Post war anscheinend in Sachen Gasbezug privilegiert: Einzelhandelsgeschäfte durften ihre Lampen nach 17 Uhr nicht mehr betreiben – wahrscheinlich, damit die produzierte Menge für die Privathaushalte ausreichte, die ab 17 Uhr ihre Gaslampen entzünden durften, ab dem 9. Januar sogar bis 21 Uhr und zudem eine Stunde zur Mittagszeit (BZ vom 8. Januar 1920).

 

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