Die Enttäuschung der Redaktion klang vernehmlich durch: „die schwer darniederliegenden wirtschaftlichen Verhältnisse“ hatten das Projekt einer professionellen Stadtkapelle scheitern lassen.
Die „Musikkapelle der Stadt Bergedorf“, wie sie sich ursprünglich nannte, hatte unter der Leitung von F. M. Hirrschoff ihren ersten Auftritt am 4. Mai 1919 mit einem Promenadenkonzert auf dem Mohnhof gehabt. „Die ausgewählten Musikstücke wurden von den Zuhörern dankbar aufgenommen und legten von der sorgsamen Schulung der Kapelle Zeugnis ab.“ (BZ vom 5. Mai 1919). Das Programm unterschied sich deutlich von den zahlreichen Militärkonzerten der Vorjahre: zwar gab es einleitend mit „In Treue fest“ einen Marsch, aber dann wurde es u.a. mit dem Walzer „Mein Traum“ von (Emile) Waldteufel und dem „Leuchtkäfer-Stelldichein“, einem Salonstück von (Julius) Siede, deutlich ziviler. Den Abschluss bildete eine Fantasie aus (Richard) Wagners „Lohengrin“.
Nicht immer wollte die Kapelle in der vollen Besetzung von 25 Mann auftreten; sie empfahl sich „zu Musikaufführungen jeglicher Art, als Konzert, Ball, Ständchen, Trauermusiken usw. in allen Besetzungen.“ (BZ vom 8. Mai 1919) Wie häufig ihre Dienste nachgefragt wurden, lässt sich nicht feststellen, denn bei Tanzkränzchen- und Ball-Anzeigen wurden die Musizierenden in aller Regel nicht genannt. Nach der Zeitung zu urteilen, gab es 1919 nur wenige Auftritte der gesamten Kapelle, und so konnte die Auflösung im Januar 1920 eigentlich nicht verwundern.
Die nebenstehende Anzeige muss dann aber doch überrascht haben: der Auflösung folgte unmittelbar die Neuformierung mit „nur Berufsmusikern“ – vielleicht waren ja auch Amateurmusiker dabei gewesen, und es hatte (nur intern?) Misstöne gegeben. Der Dirigent Hirrschoff hielt weiter den Taktstock, es gab einige Auftritte, z. B. als Eigenveranstaltung eine große Volks-Maskerade und (gemeinsam mit dem Arbeiter-Sängerchor Bergedorf-Sande) ein „Großes Vokal- und Instrumental-Konzert“ (BZ vom 6. und 18. Februar 1920), doch selbst damit war es bald vorbei.
Im Mai verkündete der Deutsche Musikerverband die „endgültig erfolgte Auflösung der Bergedorfer Stadtkapelle“, und neu auf den Plan trat die „Konzertkapelle Hirrschoff“ mit „nur wirklich leistungsfähigen Berufsmusikern“, was immer das bedeuten mochte:
Der genannte Verband, der auch in Geesthacht eine Ortsgruppe hatte (BZ vom 6. Februar 1920), war offenbar eine Art Gewerkschaft, die am liebsten die Auftragsannahmeberechtigung auf ihre Mitglieder beschränken und einen Lohntarif durchsetzen wollte . Ob ihr das gelang, ist angesichts weiterer in Bergedorf aktiver Ensembles wie der Salonkapelle A. Pichinot, der Radelfahr’schen und der Drews‘schen Kapelle sowie vieler Musikvereine fraglich (diverse Anzeigen in der BZ).