Enttäuscht waren die Bergedorfer sicher, als sie diese Nachricht lasen – aber wirklich überrascht werden sie nicht gewesen sein: wegen des zu erwartenden Betriebsdefizits lehnte der Senat den Bau einer Hochbahnlinie zwischen Hamburg und Bergedorf vorerst ab, hatte aber immerhin keine Einwände gegen weitere Planungsarbeiten.
Lange Zeit hatte es so geschienen, als würde die „Sperber-Trasse“ der Baudeputation diese neue Verbindung herstellen: 1915 war die Hochbahn-Zweiglinie vom Hamburger Hauptbahnhof nach Rothenburgsort eröffnet worden (BZ vom 24. Juli 1917), und für ihre Weiterführung in das Industriegebiet Billbrook hatte die Bürgerschaft Mittel bereitgestellt (BZ vom 20. April 1917). Sperbers Plan sah vor, diese Strecke in Ost-West-Richtung durch (das bevölkerungsarme) Billwärder bis Bergedorf zu verlängern, aber 1919 war eine andere Variante der Hochbahn-Anbindung Bergedorfs in die Debatte gekommen: die Trasse sollte auf der Geest verlaufen, Hamm und Horn sowie Schiffbeck und Kirchsteinbeck erschließen und dann über Boberg und Sande Bergedorf erreichen. Das hätte die Fahrgastzahlen und die Rentabilität sicher erhöht, war aber deutlich schwieriger, weil große Abschnitte auf preußischem Gebiet lagen, und Verhandlungen mit Preußen waren erfahrungsgemäß zeitaufwändig.
Planskizzen des Bergedorfer Architekten Hermann Distel hierzu und zu weiteren Eisenbahnlinien sind in seiner online einzusehenden Studie „Hamburg Ost“ auf den Seiten 23, 29 und 32 vorhanden und zeigen, dass Distel im Zuge der Groß-Hamburg-Debatte 1919 über die Grenzen Bergedorfs hinaus dachte – die von ihm als vorrangig angesehene Lösung war aber die Erweiterung der vorhandenen Staats- bzw. Reichsbahntrasse (Strecke Hamburg – Bergedorf – Berlin) um zwei Gleise für elektrisch betriebenen Vorortsverkehr (bis Aumühle) und auch um zwei Gleise für den Güterverkehr zwischen Bergedorf und dem projektierten Verschiebebahnhof bei Tiefstack bzw. Billwärder.
Die „Schafsgeduld“ in Verkehrsfragen, über die sich Distel in einem Vortrag bei der Bergedorfer DDP mokiert hatte (BZ vom 12. Februar 1919), war weiterhin nötig: laut Bergedorf-Chronik fuhr der erste elektrische S-Bahnzug von Berliner Tor bis Bergedorf am 31. Mai 1958, und ab Oktober 1959 ging es dann bis zum Hauptbahnhof. Eine Hochbahn-Anbindung ist aktuell wieder einmal in der Diskussion – das Ergebnis ist offen.