Die schwächelnde Inflation

Bergedorfer Zeitung, 4. April 1923

Bergedorfer Zeitung, 5. April 1923

 

 

 

 

 

War die Inflation gebrochen – oder legte sie nur eine Pause ein? Jedenfalls war das Leben für den statistischen Durchschnittshaushalt in Bergedorf im März 1923 etwas preisgünstiger geworden, während der Reichsdurchschnitt eine „verhältnismäßig geringe Erhöhung um 8 v.H.“ verzeichnete.

Bergedorfer Zeitung, 24. März 1923

Dennoch blieb Bergedorf ein „teures Pflaster“, teurer als die Stadt Hamburg, wo die Preise sogar um 3,3 Prozent gefallen waren; in Bergedorf nur um 2,67 Prozent. Die Entwicklung war bereits Tage vorher in einer offiziösen Tabelle dargestellt worden, wonach einige Lebensmittelpreise bereits im Februar zurückgegangen waren (Anmerkung: das dritte genannte Datum in der Tabelle muss wahrscheinlich als „28. 2.“ gelesen werden).

Trotz dieser Preissenkungen war das Leben in Bergedorf im Februar mehr als doppelt so teuer wie im Januar, und gegenüber Juli 1922 musste mehr als das Fünfzigfache aufgewendet werden, um den Lebensunterhalt zu bestreiten: die Reichsteuerungszahl betrug für Bergedorf im Juli 1922: 5.381, im Januar 1923: 104.651, im Februar 1923: 252.123 (BZ vom 8. Februar und 6. März 1923). Der Rückgang war also nicht mehr als ein Tropfen Wasser auf einen heißen Stein.

Die Gründe der Inflationsbremsung waren sicher vielfältig – die Entwicklung des Dollar-Kurses dürfte eine Rolle gespielt haben. Sie wirkte sich jedenfalls unmittelbar auf die Preise der unverzichtbaren Lebensmittelimporte aus: an der Hamburger Börse wurde der Dollar Anfang Februar mit 42.000 Mark gehandelt, Anfang März und April knapp über 20.000 Mark, doch dann ging es wieder steil nach oben, auf 57.000 bis 68.000 Mark (BZ vom 5. Februar, 5. März, 5. April, 5. Mai und 5. Juni 1923). Meldungen über Preisrückgänge gab es in der Papiermark-Zeit nicht mehr, im Gegenteil: die Inflation hatte nur einmal kurz Luft geholt.

 

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Verlierer und Gewinner der Inflation auf dem Lande

Freud und Leid lagen 1923 nahe beieinander; die Ursache für beides war die Inflation.

Bergedorfer Zeitung, 5. April 1923

Wahrscheinlich waren die Gemüsebauern mit den 1922 erzielten Preisen zufrieden gewesen und hatten ein finanzielles Polster für die Wintermonate und die Beschaffung von Düngemitteln für die Saison 1923 zurückgelegt – aber sie wurden von der Inflation überrollt und viele konnten im Frühjahr nicht einmal Düngemittel kaufen, wie es im Bericht heißt.

Auch wenn der Bericht nicht widerspruchsfrei ist – zunächst heißt es, die Obst- und Gemüsebauern müssten ihr Ware „um jeden Preis“ verkaufen, dann, dass sie bei zu niedrigen Preisen „fast ihre gesamte Ware wieder mit nach Hause nehmen mussten“ – die Lage war sicher nicht einfach, und so wird es Abwanderung in andere Erwerbszweige gegeben haben. Es ist allerdings schwer vorstellbar, dass das Gemüseland einfach liegenblieb bzw. brachfiel: in der Saison konnte man mit z.B. Erdbeeren und Obst höhere Einnahmen erzielen als ein Tagelöhner bei Erdarbeiten. (Der Preis für die ersten Vierländer Erdbeeren des Jahres lag übrigens bei 25.000 Mark pro Pfund, BZ vom 10.April; die weitere Preisentwicklung ließ sich der BZ nicht entnehmen.)

Bergedorfer Zeitung, 13. April 1923

Zumindest etwas Freude an der Inflation hatten einige Vierländer und Marschländer Gemeinden: sie nutzten die inflationsbedingt steigenden Einnahmen, um Kredite zurückzuzahlen, wozu sie von der Landherrenschaft ermuntert worden waren (BZ vom 30. April und 5. Juni) – hätten sie mit der Tilgung noch gewartet, so hätten sie das nötige Geld aus der Portokasse nehmen können.

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Miete und Mietnebenkosten 1923

Bergedorfer Zeitung, 3. April 1923

Wohnungsmieter hatten es bei dem vor hundert Jahren herrschenden Wohnungsmangel nicht leicht – Wohnungsvermieter aber auch nicht. Die Mieten waren niedrig; sie waren durch das Reichsmietengesetz auf dem Stand von 1914 eingefroren, was die Mieter sicher freute, die Vermieter nicht. Die Betriebskosten aber waren nicht gedeckelt, und so kann es durchaus zutreffen, dass in Kirchwärder allein für den Schornsteinfeger das Zehnfache der Wohnungsmiete zu zahlen war, wie in der Gemeindeversammlung beklagt wurde. In Bergedorf wurde der Betriebskostenzuschlag für den Monat März auf 10.000 Prozent der Grundmiete festgesetzt, auch andere Zuschläge wie z.B. eine Instandsetzungspauschale waren von den Mietern zu begleichen (BZ vom 29. März).

BZ, 27. Februar 1923

Für die Mieter erfreulich, für die Vermieter unerfreulich war, dass rückwirkende Gebührenerhöhungen nicht geltend gemacht werden durften (§ 11 Reichsmietengesetz) – auf den erhöhten Gebühren für den „Sottje“ und anderes blieben die Vermieter also sitzen. Ob der Appell des Bergedorfer Magistrats, die Mieter möchten „aus Billigkeitsgründen“ den Betrag ausgleichen, erfolgreich war, ist nicht bekannt. Man kann aber davon ausgehen, dass im Laufe des Jahres 1923 die Berechnungsmethode der Betriebskosten geändert wurde, sonst hätten allein die Schornsteinfegergebühren alle Vermieter ruiniert: Ende Oktober war die „Grundtaxe“ mit 2.196.480.000 zu multiplizieren (BZ vom 1. November).

Übrigens: vor hundert Jahren kam der „Sottje“ alle sechs Wochen, auch wenn im Sommer nicht geheizt und nur der Gasherd benutzt wurde (BZ vom 29. September).

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Buntes Bergedorf

Bergedorfer Zeitung, 31. März 1923

Die Lästermäuler traten umgehend in Aktion: kaum waren an der verlängerten Goethestraße (heute Daniel-Hinsche-Straße) „in flammenden Tinten“ farblich gestaltete Neubauten der Baugenossenschaft Bergedorf errichtet, da tauften sie die Straße „Papageienstraße“.

Dort sollte aber nur der Anfang sein: ganz Bergedorf sollte zur bunten Stadt werden und damit eine Stadtgestaltungsidee von Bruno Taut aufgreifen, die Farbenindustrie zeigte sich hochinteressiert, vor Ort hoffte man auf einen Touristenstrom devisenbringender Ausländer: das brächte eine Win-Win-Situation für die Stadt.

Besonders reizvoll fand die BZ eine neu entwickelte „Chamäleon-Tönung, die jedem Besucher, je nach Standpunkt, andersfarbig erscheint“ und forderte ihre Leser auf, sich „die interessante Sache morgen persönlich anzusehen“, also am 1. April.

Wenn also die BZ ihre Leser hier in den April schickte (was sie in der Ausgabe vom 21. April ausdrücklich bestätigte) – so ganz absurd war die Sache nicht: ein halbes Jahr zuvor hatte die Hamburger Baupflegekommission zu farbigen Fassaden aufgerufen, sich aber die Genehmigung im Einzelfall vorbehalten, um Auswüchse zu verhindern (BZ vom 29. August 1922). Bruno Taut hatte die Idee der „bunten Stadt“ in Magdeburg vorangetrieben und – mindestens ebenso wichtig – einen Generalsiedlungsplan für die Stadt erarbeitet, der sich an seinem Konzept des „Neuen Bauens“ orientierte. In der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg gibt es eine Vielzahl von Publikationen von und über Taut, im Internet z.B. eine Dokumentation der Stadt Magdeburg über seine Tätigkeit dort – und das Deutsche Lackinstitut zeigt Bilder „einer der buntesten Straßen Deutschlands“. In Bergedorf hat Taut keine Spuren hinterlassen.

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Sande und die „Erhebung“ von 1848

Bergedorfer Zeitung, 26. März 1923

1848 hatte es die „Schleswig-Holsteinische Erhebung“ gegeben, und da Sande im damals dänischen Holstein lag, wurde auch in Sande 75 Jahre danach der Erhebung gedacht.

(Wer hier eine kurze, präzise Darstellung der sogenannten Schleswig-Holstein-Frage erwartet, muss enttäuscht werden: es gilt das (angebliche) Wort Lord Palmerstons, der 1848 britischer Außenminister war: „Only three people have ever really understood the Schleswig-Holstein business – the Prince Consort, who is dead – a German professor, who has gone mad – and I, who have forgotten all about it.“ (Englischsprachige Ausgabe der Wikipedia)

Bei der Gedenkfeier in Sande zog Lehrer Petersen eine „Parallele zwischen den heutigen Verhältnissen am Rhein und in Nordschleswig“, was nur mittels Geschichtsklitterung möglich erscheint, aber Vergleiche zwischen der Abtretung des nördlichen Teils des Herzogtums Schleswig an Dänemark und der Ruhrbesetzung zogen auch andere: der Reichspräsident, der Reichskanzler, der preußische Ministerpräsident und weitere wurden mit diesbezüglichen Sätzen in der BZ zitiert (BZ vom 23., 24. und 26. März).

Während andernorts recht groß, mit Gedenkreden und Gedenkgottesdiensten und Prominenz an den Tag vor 75 Jahren erinnert wurde, war die Feier in der Sander Turnhalle eher schlichter Art – vielleicht fühlte man sich 1923 mehr zu Hamburg hingezogen als zu (Schleswig-)Holstein.

Am in dem BZ-Bericht genannten Haus in der Sander Großen Straße befand sich übrigens nur ein Wappen, das des Zollhauses; der „Herzogstein“ befand sich direkt an der Sande-Bergedorfer Grenze (siehe hierzu Lohbrügge. Die Geschichte eines Hamburger Stadtteils, Band 1, S. 12f.). Das Zollhaus-Wappen ziert heute als Kopie die Fassade eines Einkaufszentrums; der Herzogstein steht auf dem Herzog-Carl-Friedrich-Platz.

Die Aussage, dass Sande „der südlichste Ort Schleswig-Holsteins“ war, lässt zunächst stutzen, ist aber richtig: das Herzogtum Lauenburg wurde erst 1876 in die preußische Provinz Schleswig-Holstein eingegliedert.

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Die inflationsbegleitenden gleitenden Gebühren

Bergedorfer Zeitung, 19. März 1923

Durch Gebühren „in gleitender Form“ wollte die Stadt Bergedorf mit der Inflation Schritt halten: die Sätze für die Nutzung des Löschplatzes, des Wagenplatzes und vor allem des Krans an der Serrahnstraße wurden ab dem 1. April 1923 an den Tageslohn eines städtischen Arbeiters gekoppelt. Damit entfiel das bisherige (zeit-)aufwändige Verfahren mit Magistratsbeschluss – Magistratsvorlage an die Bürgervertretung – Beratung und Beschluss in der monatlichen gemeinsamen Sitzung von Magistrat und Bürgervertretung.

Auch andernorts fand man Lösungen für das Problem der Geldentwertung: der Kreis Niederbarnim koppelte die Hundesteuer an das Porto für Fernbriefe (BZ vom 3. Januar 1923), sogar das Reichsfinanzministerium praktizierte in Teilbereichen den Porto-Index (BZ vom 22. Juni 1923); die Stadt Segeberg bemaß die Pachthöhe der städtischen Seen quartalsweise am jeweiligen Dollarstand (BZ vom 8. Januar 1923), und der Pferdezuchtverein der Hamburger Marschen setzte Beiträge und Gebühren in bestimmten Mengen Roggen bzw. Hafer fest (BZ vom 19. Februar 1923).

Einen Eindruck des Inflationstempos 1923 geben die insgesamt 21 Bekanntmachungen zu den Kran-Gebühren, jeweils pro Stunde Anwesenheit des Kranführers: im Februar 1.600 Mark (BZ vom 3. Februar), dann 3.200 Mark (BZ vom 6. März), vier Monate später 36.000 Mark (BZ vom 13. Juli). Ab September wurde der Betrag halbmonatlich rückwirkend festgesetzt (BZ vom 7. September), die weiteren Steigerungen hatten meist nicht einmal eine Woche Bestand – an den letzten drei Tagen des Monats Oktober waren 25 Milliarden Mark zu zahlen (BZ vom 31. Oktober). Danach kehrte scheinbare Stabilität ein: der neue Preis lag bei 1,50 Goldmark (BZ vom 3. November), was am 5. November 100 Milliarden Papiermark entsprach – zwei Tage danach 150 Milliarden (BZ vom 5. und 7. November).

BZ, 24. März 1923

Zurück zur Bergedorfer Gebührenneuregelung vom März, die förmlich in der BZ bekanntgemacht wurde: in dieser Form ist sie nicht nachvollziehbar, denn folgt man den hier gemachten Angaben, hätte die Benutzung des Krans pro Stunde nur 19,20 Mark gekostet, das Abstellen eines Möbelwagens auf dem Wagenplatz aber 403,20 Mark pro Tag – beides ist nicht glaubwürdig. Da war wohl jemand beim Rechnen ausgeglitten.

Es erstaunt aber, dass in der BZ keine Korrektur veröffentlicht wurde.

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Das Theaterspiel der Schulen am Birkenhain

Bergedorfer Zeitung, 15. März 1923

Für ihre Schultheateraufführungen mussten die beiden Stadtschulen am Birkenhain ausweichen, wie der Bericht zeigt: sowohl „Wallensteins Lager“ als auch „Das Waldhaus“ kamen im Saal des Lokals Portici auf die Bühne, aber Abhilfe nahte. Magistrat und Bürgervertretung sahen offenbar nicht ein, dass man 360.000 Mark für die Versetzung eines Fahnenmasts inklusive eines neuen Anstrichs vom Hof der einen Schule auf den Hof einer anderen Schule ausgeben sollte.

Bergedorfer Zeitung, 24. März 1923 (Auszug aus dem Sitzungsbericht)

Sie widmeten die dafür vorgesehenen 360.000 Mark um:  sie beschlossen, das Geld für die Beschaffung einer Schulbühne am Birkenhain zu verwenden.

Pädagogisch war das sicher sinnvoll, da das Theaterspiel „die Kinder zu freierem, sicheren Sichgeben“ ermuntern konnte, was ja den neueren Erziehungszielen nach dem Ersten Weltkrieg durchaus entsprach, und wenn man eine Bühne im Schulgebäude selbst hatte, erleichterte das derartige Unterrichtsprojekte erheblich.

Bergedorfer Zeitung, 30. November 1923 (gekürzt)

Die Schulbühne konnte aber erst mehr als ein halbes Jahr später eingeweiht werden – vermutlich reichten die bewilligten 360.000 Mark nicht aus, um einen Bauauftrag zu vergeben, und so wurden die Arbeiten von Lehrern und Eltern gemeinsam ausgeführt, was sicher den positiven Effekt hatte, dass dadurch die Bindung von Eltern an die Schule intensiviert wurde. Das wäre mit der Versetzung eines Fahnenmasts nicht gelungen.

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Die Zwangsjacke für die Damenschneiderinnen

Bergedorfer Zeitung, 15. März 1923

Bergedorfs Damenschneiderinnen freuten sich über ihre neue Zwangsjacke – sie hatten sie ja auch mehrheitlich gefordert. Man kann davon ausgehen, dass die meisten von ihnen zuvor im „Verein selbständiger Schneiderinnen von Bergedorf und Umgegend“ (BZ vom 2. Februar 1923) organisiert waren, aber das Vereinsdasein genügte ihnen offenbar nicht: nun also Zwangsinnung, der alle selbständigen Schneiderinnen angehören mussten.

Bergedorfer Zeitung, 5. Juni 1923

Die Organisation der Innung war straff: in der Einladung zu einer Mitgliederversammlung wurde die Verhängung von Strafen angekündigt: Fernbleiben 1.500 Mark, verspätetes Kommen 750 Mark – und die Innung beschloss verbindliche „Richtpreise“ für die Anfertigung von Damenbekleidung, um ein gegenseitiges Unterbieten zu verhindern.

Bergedorfer Zeitung, 5. November 1923

Dennoch: die Innung hatte sich vielfältiger Konkurrenz zu erwehren, wie aus dem „Sprechsaal“-Beitrag des Innungsvorstands zu entnehmen ist: es gab reisende „Zuschneideschulen“, die in drei halben Tagen alle nötigen Kenntnisse der Schneiderei zu vermitteln versprachen. Das beeinträchtigte natürlich die drei (kostenpflichtigen) Fachschulen von Innungsmitgliedern, und außerdem konnte die Billig-Konkurrenz der Schnellkurs-Absolventinnen ja nur „auf die fürchterlichste Art“ schneidern, was den ganzen Stand in Misskredit brachte …

Aber man schimpfte nicht nur, sondern lobte auch: die Nähkurse des Frauenvereins und die „mustergültige Pflichtfortbildungsschule“ vermittelten wichtige Kenntnisse für den „Hausbedarf“ wenig begüterter Familien – die Innung setzte auf die trotz der schwierigen Zeiten vorhandene zahlungskräftige Kundschaft für „feine Damenschneiderei“ und drei Meisterinnen suchten sogar geprüftes Personal für ihre Betriebe (BZ vom 24. März, 16. April und 5. Mai 1923): trotz aller Probleme lief das Geschäft offenbar nicht schlecht.

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Kein Nulltarif für höhere Bildung

Bergedorfer Zeitung, 6. März 1923

Bergedorfer Zeitung, 7. März 1923

Es kann nicht überraschen, dass angesichts der allgemeinen Inflation auch der Besuch einer höheren Schule, d.h. eines Gymnasiums oder Lyzeums, teurer wurde, aber nicht alle waren in gleichem Maße betroffen. Vergleicht man die ab 1. April 1923 geltenden Sätze mit denen vom Oktober 1921, so zeigt sich, dass die Gebühr für die unterste Stufe vervierfacht wurde (von 100 auf 400 Mark), für die höchste Stufe überproportional auf das Vierundzwanzigfache (von 1.000 auf 24.000 Mark), jeweils pro Jahr für das erste Kind an einer höheren Schule. Die Möglichkeit der vollständigen Befreiung wurde beibehalten. Bei dieser progressiven Erhöhung spielten soziale Gesichtspunkte offenkundig eine Rolle, denn man wollte ja den Zugang breiterer Bevölkerungsschichten zur höheren Bildung ermöglichen.

Bei den weiteren Erhöhungen des Schulgelds wurde aber nur ein Multiplikator eingesetzt, der alle im gleichen Maße traf (BZ vom 2. Mai, 25. August, 1. November), und man landete schließlich im Billionenbereich – pro Monat (BZ vom 24. und 30. November).

Bei diesen Neufestsetzungen blieben Hamburger und Bergedorfer Kinder aber privilegiert, denn für sie gab es einen Mehrkinderrabatt, der auf die Kinder z.B. aus Sande nicht zur Anwendung kam. Am schlimmsten waren „nichtreichsdeutsche Unterhaltspflichtige“ betroffen: sie hatten das Fünffache des jeweiligen Maximalsatzes zu zahlen.

Die Schulgeldsätze von 1921 sind im Beitrag Höhere Schule für höhere Töchter wiedergegeben.

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Der Fischfang im Schleusengraben und in der Bille

BZ, 3. März 1923

BZ, 14. Juli 1923

Die Pächter der Gewässer in Bergedorf passten auf: Angeln und andere Fischfanggeräte durften nur mit Genehmigung eingesetzt werden, und die Erlaubnis ließ sich der jeweilige Pächter durch den Verkauf von Angelkarten bezahlen.

Bergedorfer Zeitung, 9. März 1923

Ob in die Pachtung des Fischereirechts auch der Fang von Salzheringen eingeschlossen war, muss bezweifelt werden, und so machten sich einige „Knaben“ darüber her, als aus einer zerbrochenen Tonne der Firma August Gehrhus zahlreiche Salzheringe in den Schleusengraben stürzten. Ein derartiges Ereignis hatte es laut BZ noch nie gegeben: der Vorfall sei eine „den alten Ben Akiba Lügen strafende Tatsache“. Das spielte auf eine Passage des Dramas Uriel Acosta von Karl Gutzkow an, der dem Rabbiner Ben Akiba die Worte in den Mund gelegt hatte: „In unserem Talmud kann man jedes lesen // Und alles ist schon einmal dagewesen.“

Bergedorfer Zeitung, 17. Juli 1923

Wahrscheinlich war es ein Zufall: nur wenige Tage nachdem der Fischereipächter der Bille vor unberechtigtem Fischfang gewarnt hatte, setzte ein Menschenansturm auf sein Gewässer ein, denn als Folge eines Unwetters trieben „unzählige“ halbtote Fische im Billbassin. Des Pächters Proteste gegen den rechtswidrigen Fischfang halfen ihm nicht: die Versuchung, sich „von dem in diesem Falle äußerst billigen Volksnahrungsmittel einige Mahlzeiten zu erhaschen“, war wohl einfach zu groß.

Übrigens: das Fischereirecht in der Bille war in diesem Abschnitt des früheren beiderstädtischen Amtes Bergedorf auf ganzer Flussbreite „bergedorfisch“, worauf Olaf Matthes (S. 258f.) hinweist – wenn also bei dem Unwetter tatsächlich Karpfen des Lohbrügger Landmanns Delventhal in die Bille gelangt waren, so hatte er sein Recht daran verloren.

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