Die inflationsbegleitenden gleitenden Gebühren

Bergedorfer Zeitung, 19. März 1923

Durch Gebühren „in gleitender Form“ wollte die Stadt Bergedorf mit der Inflation Schritt halten: die Sätze für die Nutzung des Löschplatzes, des Wagenplatzes und vor allem des Krans an der Serrahnstraße wurden ab dem 1. April 1923 an den Tageslohn eines städtischen Arbeiters gekoppelt. Damit entfiel das bisherige (zeit-)aufwändige Verfahren mit Magistratsbeschluss – Magistratsvorlage an die Bürgervertretung – Beratung und Beschluss in der monatlichen gemeinsamen Sitzung von Magistrat und Bürgervertretung.

Auch andernorts fand man Lösungen für das Problem der Geldentwertung: der Kreis Niederbarnim koppelte die Hundesteuer an das Porto für Fernbriefe (BZ vom 3. Januar 1923), sogar das Reichsfinanzministerium praktizierte in Teilbereichen den Porto-Index (BZ vom 22. Juni 1923); die Stadt Segeberg bemaß die Pachthöhe der städtischen Seen quartalsweise am jeweiligen Dollarstand (BZ vom 8. Januar 1923), und der Pferdezuchtverein der Hamburger Marschen setzte Beiträge und Gebühren in bestimmten Mengen Roggen bzw. Hafer fest (BZ vom 19. Februar 1923).

Einen Eindruck des Inflationstempos 1923 geben die insgesamt 21 Bekanntmachungen zu den Kran-Gebühren, jeweils pro Stunde Anwesenheit des Kranführers: im Februar 1.600 Mark (BZ vom 3. Februar), dann 3.200 Mark (BZ vom 6. März), vier Monate später 36.000 Mark (BZ vom 13. Juli). Ab September wurde der Betrag halbmonatlich rückwirkend festgesetzt (BZ vom 7. September), die weiteren Steigerungen hatten meist nicht einmal eine Woche Bestand – an den letzten drei Tagen des Monats Oktober waren 25 Milliarden Mark zu zahlen (BZ vom 31. Oktober). Danach kehrte scheinbare Stabilität ein: der neue Preis lag bei 1,50 Goldmark (BZ vom 3. November), was am 5. November 100 Milliarden Papiermark entsprach – zwei Tage danach 150 Milliarden (BZ vom 5. und 7. November).

BZ, 24. März 1923

Zurück zur Bergedorfer Gebührenneuregelung vom März, die förmlich in der BZ bekanntgemacht wurde: in dieser Form ist sie nicht nachvollziehbar, denn folgt man den hier gemachten Angaben, hätte die Benutzung des Krans pro Stunde nur 19,20 Mark gekostet, das Abstellen eines Möbelwagens auf dem Wagenplatz aber 403,20 Mark pro Tag – beides ist nicht glaubwürdig. Da war wohl jemand beim Rechnen ausgeglitten.

Es erstaunt aber, dass in der BZ keine Korrektur veröffentlicht wurde.

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