Die Lästermäuler traten umgehend in Aktion: kaum waren an der verlängerten Goethestraße (heute Daniel-Hinsche-Straße) „in flammenden Tinten“ farblich gestaltete Neubauten der Baugenossenschaft Bergedorf errichtet, da tauften sie die Straße „Papageienstraße“.
Dort sollte aber nur der Anfang sein: ganz Bergedorf sollte zur bunten Stadt werden und damit eine Stadtgestaltungsidee von Bruno Taut aufgreifen, die Farbenindustrie zeigte sich hochinteressiert, vor Ort hoffte man auf einen Touristenstrom devisenbringender Ausländer: das brächte eine Win-Win-Situation für die Stadt.
Besonders reizvoll fand die BZ eine neu entwickelte „Chamäleon-Tönung, die jedem Besucher, je nach Standpunkt, andersfarbig erscheint“ und forderte ihre Leser auf, sich „die interessante Sache morgen persönlich anzusehen“, also am 1. April.
Wenn also die BZ ihre Leser hier in den April schickte (was sie in der Ausgabe vom 21. April ausdrücklich bestätigte) – so ganz absurd war die Sache nicht: ein halbes Jahr zuvor hatte die Hamburger Baupflegekommission zu farbigen Fassaden aufgerufen, sich aber die Genehmigung im Einzelfall vorbehalten, um Auswüchse zu verhindern (BZ vom 29. August 1922). Bruno Taut hatte die Idee der „bunten Stadt“ in Magdeburg vorangetrieben und – mindestens ebenso wichtig – einen Generalsiedlungsplan für die Stadt erarbeitet, der sich an seinem Konzept des „Neuen Bauens“ orientierte. In der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg gibt es eine Vielzahl von Publikationen von und über Taut, im Internet z.B. eine Dokumentation der Stadt Magdeburg über seine Tätigkeit dort – und das Deutsche Lackinstitut zeigt Bilder „einer der buntesten Straßen Deutschlands“. In Bergedorf hat Taut keine Spuren hinterlassen.