Feuerwehrgrenzen

Bergedorfer Zeitung, 9. Mai 1923

Es war ein furchtbares Unglück: drei Kinder verloren ihr Leben, als ein Haus in Billwärder niederbrannte. Die Bauart des Hauses und die Wohnverhältnisse dürften das Feuer gefördert haben.

Die vier Wohnungen des Hauses müssen winzig gewesen sein, sonst hätten die Kinder nicht direkt unter dem Strohdach des einstöckigen Hauses geschlafen, und vermutlich waren die Dachbereiche nur durch Bretterwände voneinander getrennt – ein Feuer musste fatale Folgen haben, so wie hier, zumal die Brandbekämpfung nicht sofort einsetzen konnte: das Spritzenhaus der Freiwilligen Feuerwehr Billwärder lag mehrere Kilometer entfernt und das Löschgerät wurde von Pferden gezogen, die erst herangeführt und eingespannt werden mussten.

Bergedorfer Zeitung, 11. Mai 1923

Die Feuerwehr aus Bergedorf, die telefonisch alarmiert worden war, stand vor den gleichen Problemen, und sie verhielt sich vorschriftsgemäß: sie hätte vom Billwärder Gemeindevorsitzenden offiziell angefordert werden müssen, und da das nicht geschah, beschränkte sie sich auf die Brandbeobachtung aus der Ferne, und außerdem sei ja sowieso nichts mehr zu retten gewesen. Das wiederum empörte die BZ: derartige bureaukratische Vorschriften sollten der Hilfeleistung nicht im Wege stehen, und sie warnte vor Wiederholungsfällen.

Nicht zu klären war anhand der vorliegenden Berichterstattung, ob die „bestehenden Vorschriften“ der Bergedorfer Feuerwehr jegliche Grenzüberschreitung zu Einsatzzwecken untersagten – oder ob es nur um die Kostenübernahme für den Einsatz ging.

Bergedorfer Zeitung, 20. Dezember 1923

Immerhin: ein halbes Jahr später wurden die Vorschriften geändert: die Bergedorfer durften fortan „auf Anruf hin sofort ausrücken“, und für den Einsatz musste die Gemeinde Billwärder finanziell geradestehen.

Das abgebrannte Haus vom Bautyp „Langer Jammer“ (siehe hierzu eine Seite des Denkmalvereins) hatte der Stadt Hamburg gehört, und sie wollte nun einen Neubau für die Brandgeschädigten errichten: zweigeschossig, vier Wohnungen mit je zwei Zimmern, Flur und Wohnküche. Die Baukosten wurden im August mit 400 Millionen Mark veranschlagt – sieben Wochen später benötigte man eine Billion und 623,75 Milliarden Mark. Hyperinflation eben.

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Das „Cantus“-Jubiläum: mit Sonderzug und Prügeln

Bergedorfer Zeitung, 8. Mai 1923

Wenn vor hundert Jahren auf dem Dorf gefeiert wurde, dann richtig: die Gäste konnten zu diesem Fest sogar mit einem Sonderzug der Marschbahn aus Richtung Geesthacht anreisen.

Seit 1873 gab es die Liedertafel „Cantus“ auf dem Krauel, einem besiedelten Landstrich an der Elbe östlich der Riepenburg (siehe die Karte der Vierlande und Umgebung), und obwohl der Krauel in „Ost-Krauel“ (eigene Gemeinde in der Landherrenschaft Bergedorf) und „West-Krauel“ (Teil Neuengammes) geteilt war, sang man gemeinsam – angesichts von damals etwa 400 Einwohnern für den ganzen Krauel wären zwei (Männer-)Gesangvereine wohl des Guten zu viel gewesen.

Bergedorfer Zeitung, 11. Mai 1923

Über 30 (Gesang-)Vereine konnte Cantus begrüßen – der Festzug durch das fahnengeschmückte Zollenspieker dürfte also eine beachtliche Länge von mehreren hundert Metern gehabt haben. Jedem Verein wird sein aufwändig mit farblichen Stickereien versehenes Vereinsbanner vorangetragen worden sein; das Cantus-Banner ist auf einer Seite des Chorverbands Hamburg zu sehen. Gesangsvorträge, Festreden und die Übergabe von Geschenken schlossen sich an, und die Feierlichkeiten fanden bei einem (wegen der großen Gästezahl) auf drei Lokale verteilten Ball ihren Abschluss.

Im Prinzip war das alles wie bei Jubiläen anderer Gesangvereine, z.B. bei der Liedertafel „Teutonia“ in Kirchwärder-Seefeld (BZ vom 7. Mai) oder dem gemischten Chor „Harmonie“ in Geesthacht (mit Platzkonzert, aber ohne Umzug, BZ vom 29. Mai), doch bei Cantus wurde die Harmonie vorübergehend gestört, als junge Leute aus Hamburg den schwarz-weiß-roten Fahnenschmuck herunterreißen wollten: diese ungebetenen Gäste wurden „weidlich verprügelt“, wie der Berichterstatter genüsslich vermeldete.

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Die offenbar anstrengenden Krankenhausbesucher

Bergedorfer Zeitung, 8. Mai 1923

„Im Interesse der Kranken“ sollte es im Staatskrankenhaus Bergedorf wie in den anderen Kliniken Hamburgs am Himmelfahrtstag keine Besuche geben. Da eine weitergehende Begründung dieser Besuchssperre nicht erfolgte, muss man unterstellen, dass die Besucher so anstrengend waren, dass zu häufige Besuche die Genesung der Patienten gefährdet hätten.

Auch am Pfingstmontag sollten die Kranken unter sich bleiben (BZ vom 18. Mai), wie zuvor auch schon am Karfreitag und am Ostermontag sowie am 1. Mai (BZ vom 23. März und 25. April). Zu Weihnachten wurden die Besuchsmöglichkeiten ebenfalls eingeschränkt: am 26. Dezember blieben die Krankenhaustore und -türen geschlossen (BZ vom 21. Dezember).

Derartige Feiertagsregelungen gab es ebenso in den Hamburger Museen (siehe z.B. BZ vom 28. März). Begründungen waren der BZ nicht zu entnehmen. Ob dort die Schließungen im Interesse und zur Schonung der Schausammlungen erfolgten?

BZ, 31. August 1923

Der Krankenbesucher, den die Bergedorfer Ortskrankenkasse zum 1. Oktober suchte, sollte mit Sicherheit nicht die Krankenhäuser aufsuchen, um den Familienbesuch zu ersetzen. Ob er seine Hausbesuche auch an Feiertagen durchführte, ist unbekannt.

 

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Der Nachschlüsseldieb und die Geldschränke

Bergedorfer Zeitung, 8. Mai 1923

Zwei Mal hatte sich der Dieb nach seiner Festnahme in der Holstenstraße wieder befreien können, doch letztlich war die Großfahndung erfolgreich: auf dem Reinbeker Bahnhof machte man ihn dingfest.

An Arbeitsgerät litt der Mann keinen Mangel: 54 Dietriche und 75 Sicherheitsschlüssel standen ihm zur Verfügung – seine Vorgehensweise war eigentlich unauffälliger als die der „Schaufensterdiebe“, die in Bergedorf ebenso aktiv waren (BZ vom 25. und 28. April), aber diese entkamen offenbar. Dem angeblichen Wagener wurde zum Verhängnis, dass er frühmorgens um halb vier mit gleich drei großen Koffern unterwegs war, was das Misstrauen eines Polizisten erregte, und so nahmen die Dinge ihren Lauf …

BZ, 4. Mai 1923

BZ, 3. Mai 1923

Einbruchsdiebstähle waren keine Seltenheit, den häufigen Zeitungsberichten nach zu urteilen. Wer also Wertsachen und/oder größere Bargeldbeträge im Hause hatte, tat gut daran, sich einen Geldschrank zuzulegen, was den Anzeigen nach aber nur wenige taten. Ob sich die Auftraggeber dieser Kleinanzeigen einig wurden, wurde nicht berichtet.

Bergedorfer Zeitung, 12. Februar 1923

Aber auch ein Geldschrank konnte keine hundertprozentige Sicherheit geben, wie der Bergedorfer Händler in Altmetallen, Paul Knoop, schon Monate vorher hatte erfahren müssen. Allein das goldene 20-Mark-Stück hatte damals einen Wert von 140.000 Papiermark, die Silbermünzen hätte die Reichsbank zum 2.900fachen des Nennwertes gekauft, wie die BZ am selben Tage angab; die Werte der weiteren Beute waren nicht im Einzelnen zu ermitteln.

Die von ihm angekündigte Belohnung brauchte Knoop wohl nicht auszuzahlen.

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Die allseits begrüßten Elbvertiefungen

Bergedorfer Zeitung, 26. April 1923

Bergedorfer Zeitung, 30. April 1923

 

 

 

Es waren Elbvertiefungen, gegen die niemand protestierte: es ging ja nur um Ausbaggerungen von Teilen der Dove-Elbe und der Gose-Elbe, durch die die Fahrrinnen eine Tiefe von 1,00 bis 1,25 m bei mittlerem Sommer-Niedrigwasser erhalten sollten. Für die Gemüsebauern der Vierlande und für die Versorgung Hamburgs mit gärtnerischen Erzeugnissen waren die Maßnahmen dringend erforderlich, denn die Waren wurden damals vor allem per Schiff nach Hamburg gebracht. Wenn aber der Ostwind das Wasser aus den beiden toten Elbarmen drückte, kam die Schifffahrt zum Erliegen, und auch bei günstigen Windverhältnissen gab es Probleme: im oberen Teil der Gose-Elbe sei „durch Abbröcklung vom Ufer und Verunkrautung des kaum mehr als Graben zu bezeichnenden Flußbettes eine völlige Verschlammung eingetreten“ (BZ vom 8. Mai). In der Dove-Elbe fiel das Niedrigwasser wegen Regulierung des Hauptstroms der Elbe noch niedriger aus als früher und so saßen Motorschiffe an seichten Stellen östlich der Brücke der Vierländer Eisenbahn häufiger einmal „auf Schiet“ (BZ vom 26. Februar, 12. März und 10. April).

BZ, 17. März 1923

Nachdem die Bürgerschaft das nötige Geld (nach)bewilligt hatte (BZ vom 5. Juli), konnten die Arbeiten beginnen – und das Problem der Baggergutentsorgung (15.000 cbm aus der Gose-Elbe und 16.000 cbm aus der Dove-Elbe) konnte vor Ort gelöst werden: den Ortsansässigen wurde das Material zur Verwendung auf den eigenen Grundstücken angeboten – und darauf werden viele eingegangen sein.

Die Karte der Vierlande und Umgebung (online) von etwa 1930 lässt den Verlauf von Dove- und Gose-Elbe erkennen, andeutungsweise auch die Breite beider Gewässer. Zu ihrer späteren Abschleusung bei Tatenberg siehe die Beiträge Die Elbvertiefung und die Folgen sowie Der Streit um die Schleusen der Elbarme.

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Der 1. Mai: Feiertag oder nicht?

Bergedorfer Zeitung, 21. April 1921

Die Forderung der Deutschnationalen Volkspartei, den 1. Mai nicht mehr als Feiertag zu begehen, blitzte beim Hamburger Senat ab, und so blieb es auch 1923 dabei: Feiertag in Bergedorf – Arbeitstag im benachbarten Sande, denn zwischen den beiden Orten lag die Landesgrenze zwischen Hamburg und Preußen: Hamburg hatte den Maifeiertag als gesetzlichen Feiertag festgelegt, Preußen nicht.

1919 war der 1. Mai per Reichsgesetz zum „allgemeinen Feiertag“ bestimmt worden, aber eben nur für 1919 (siehe Reichsgesetzblatt 1919, S. 393), danach konnte auf Reichsebene ein Konsens über Festschreibung oder Aufhebung nicht mehr erreicht werden, und so blieb den Ländern die Festlegung überlassen (BZ vom 20. April 1923).

Bergedorfer Zeitung, 26. April 1923

„Auf die Landesgesetzgebung [ist] Rücksicht zu nehmen“, wies die Reichsregierung die Reichsbehörden und die Reichsbetriebe an: in Hamburg brauchten also Mitarbeiter von Reichseinrichtungen am 1. Mai nicht zu arbeiten – rund um Hamburg herum mussten sie für diesen Tag Dienstbefreiung beantragen, was zu Abzügen beim Urlaubsanspruch bzw. bei der Lohnzahlung führte.

Bei der Reichspost, zumindest im Postamt Bergedorf, gab es keine völlige Arbeitsruhe: „Die Schalter werden am 1. Mai wie an Sonntagen offen gehalten“, hieß es in einer Ankündigung, und auch die sonntägliche Briefzustellung wurde beibehalten (BZ vom 26. April 1923). Etwas komplizierter wurde es, wenn man öffentliche Verkehrsmittel nutzen wollte: die Stadt- und Vorortsbahn verkehrte zwischen Blankenese und Ohlsdorf nach dem Sonntags-Fahrplan; auf allen anderen Strecken und der Fernbahn fuhren die Züge wie werktags (BZ vom 28. April). In Hamburg votierten die Mitarbeiter von Hoch- und Straßenbahn mit großer Mehrheit gegen eine Verkehrsruhe, der Verkehr sollte „in gewohnter Weise“ stattfinden (BZ vom 30. April).

Bergedorfer Zeitung, 2. Mai 1923

In Bergedorf und Sande gab es wohl eine Verständigung zwischen der KPD einerseits und der SPD mit den Gewerkschaften andererseits, aber nur über die Abläufe: die einen (KPD) hatten den Vormittag und marschierten von Bergedorf zum Sander Marktplatz, die anderen versammelten sich am frühen Nachmittag auf dem Sander Marktplatz und zogen dann zu den Bergedorfer Ausflugslokalen an der Bille. Bei den Sozialdemokraten dürfte der Unterhaltungswert deutlich größer gewesen sein: eher Feiertag als Kampftag.

Auf eine feierfreudige Bevölkerung am 1. Mai setzten auch zwei Lokale: in der „Fledermaus“ in Sande wie im „Alten Schützengrund“ in Bergedorf sollte ein „Großer Maienball“ stattfinden (Anzeigen in der BZ vom 28. und 30. April). Ob sie an diesem Dienstagabend viele Gäste begrüßen konnten, ist fraglich, denn mancher wird persönlich und finanziell erholungsbedürftig gewesen sein: an den Tagen vorher hatte der Bergedorfer Frühjahrsmarkt stattgefunden.

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Gras zu verpachten

BZ, 21. April 1923

„Wegen Grasverpachtung“ öffnete der Neuengammer Gastwirt H. Oetzmann an einem Sonntag (dem 22. April 1923) seine Schankstätte. Verpachtet werden sollte nichts aus der Pflanzengattung Cannabis, auch als „Gras“ bezeichnet, sondern es ging schlicht um einkeimblättrige krautige Pflanzen, Hauptnahrungsmittel zahlreicher (Nutz-)Tierarten.

Bergedorfer Zeitung, 14. April 1923

Verpächter war der Deichvorstand von Neuengamme, dem (vereinfacht gesagt) die Deiche mit ihren Böschungen und die außendeichs gelegenen Flächen, die „Wärder“ gehörten. Dort wuchs Gras, und das Mähen dieses Bewuchses bzw. bei hochgelegenen Wärdern auch das Beweiden wird manche Viehhalter interessiert haben. Sogar die Grasnutzung an Straßengräben wurde verpachtet (Anzeigen in der BZ vom 7. Mai und 20. Juni), denn dem Verpächter brachte dies Einnahmen: die Gemeinde Spadenland konnte für den 1,5 Hektar großen „Spadenländer Busch“ (Außendeichswiesen bei Moorwärder) immerhin 1,8 Millionen Mark einnehmen (BZ vom 1. Juni; ähnlich Tatenberg, siehe BZ vom 18. Mai).

BZ, 26. April 1923

BZ, 23. Juli 1923

Auch im städtischen Bergedorf suchte man Wiesen (Anzeigen in der BZ vom 15. Februar, 3. März und 6. April) – und als sich Bergedorfer erdreisteten, auf dem an Sportvereine verpachteten Frascatiplatz ihr Vieh (vermutlich Ziegen oder Schafe, vielleicht auch Pferde) weiden zu lassen, untersagte dies der Magistrat: vielleicht weil sich die Sportler z.B. durch Ziegenködel beeinträchtigt sahen, vielleicht aber auch, weil die Grasnutzung versilbert werden sollte und tierische oder menschliche „Schwarzmäher“ dies verhindert hätten.

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Die hinausverwiesenen Mädchen und Frauen

Bergedorfer Zeitung, 12. April 1923

„Die Volkswirtschaft hat … auch die Töchter und sogar die Mütter aus der Familie in die Fabrik, die Werkstelle, das Kontor hinausverwiesen“, also an Orte, an die sie eigentlich nicht gehörten.

Das sagte laut Zeitungsbericht der Leiter der Bergedorfer Fortbildungsschule für Mädchen in seinem Vortrag vor dem örtlichen Hausfrauenverein. Herr Bensch war kein wirklicher Freund gesellschaftlichen Wandels: für ihn lagen die Aufgaben der Frau im trauten Heim. Dementsprechend sah er die Aufgabe seiner Schule darin, in „praktischer Hauswirtschaft“ einschließlich Säuglingspflege und Pflege der „alten deutschen Tugenden“ auszubilden, garniert (entsprechend dem Lehrplan) mit „Bürger- und Gesetzeskunde“, nicht aber in der Vermittlung (beruflicher) Qualifikationen, die Aussicht auf eine auskömmliche Erwerbsarbeit und Eigenständigkeit eröffneten.

Bergedorfer Zeitung, 14. März 1923

Wahrscheinlich werden die dem Bürgertum zuzurechnenden Damen des Hausfrauenvereins in der „eingehenden Aussprache“ eher Zustimmung als Kritik geäußert haben – anders als die Teilnehmerinnen eines Vortragsabends in Besenhorst, die mehrheitlich der Ansicht des Referenten widersprachen, „Mutterschaft sei der erste und natürliche Beruf der Frau“, mit dem anderes nicht vereinbar sei.

Ihre Lebenswirklichkeit war vermutlich eine andere als die des Hamburger Frauenarztes und seiner Gemahlin.

 

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Die Hilfe der Landwirte für Studenten und Ruhrkinder

BZ, 12. April 1923

Bergedorfer Zeitung, 7. August 1923

Viele Hamburger Studierende waren vor hundert Jahren mittellos: es fehlte sogar an Kartoffeln, dem damals fast unersetzlichen Grundnahrungsmittel. Dagegen wollte der „Bund der Landwirte“ etwas unternehmen und rief die Bauern auf, Kartoffeln „zur Verfügung zu stellen“. Ob 1.500 Zentner zusammenkamen und wie viele der 3.571 Studierenden mit „großer Matrikel“ (Wintersemester 1922/23) an der unentgeltlichen Speisung teilnehmen durften, stand nicht in der Zeitung.

Bergedorfer Zeitung, 19. April 1923

Auch „für die armen Ruhrkinder“ sollten die Landwirte spenden, nämlich abgelegte Kleidungsstücke, aber das war nur ein kleiner Teil dieser Hilfsaktion. Neben dem Bund der Landwirte war es im Raum Bergedorf besonders der Verein für das Deutschtum im Ausland, der für die Aufnahme von Kindern aus dem Ruhrgebiet in Familien warb, damit sie hier zur Schule gehen und besser ernährt werden konnten. Als der hier wiedergegebene Appell veröffentlicht wurde, waren bereits hunderte Kinder eingetroffen und wohl überwiegend auf die dörflichen Gebiete verteilt worden: die Hilfsbereitschaft war jedenfalls groß, wenn auch nicht groß genug.

BZ, 13. April 1923

Wie es den Kindern in Bergedorf, den Vierlanden und den Marschlanden erging, berichtete die BZ nicht – die Kirchengemeinde Neuengamme lud einmal zu einem „Jugendgottesdienst, besonders für die Ruhrkinder und deren Spielgefährten“ ein (BZ vom 20. April). Offenbar waren auch Gerüchte im Umlauf, die Kinder würden von den Bauern ausgenutzt, denn der Bund der Landwirte dementierte dieses per Kleinanzeige und drohte den Urhebern und Weiterverbreitern mit gerichtlicher Verfolgung – dass er auch das alleinige Kontrollrecht für sich reklamierte, stimmt eher misstrauisch.

Bergedorfer Zeitung, 20. Juli 1923

Überraschenderweise aus Besenhorst wurde mehrfach über die „Ruhrkinder“ berichtet, und man kann nur hoffen, dass es nicht nur dort Fürsorge gab: die 33 Kinder, die in Düneberg und Besenhorst aufgenommen worden waren (BZ vom 24. April) wurden vom Wohlfahrtsarzt untersucht, es wurden für sie Gesundheitskarten angelegt, Ärzte, Zahnarzt und Apotheker verzichteten auf Honorar bzw. Bezahlung und alles benötigte Material für die Schule wurde bereitgestellt (BZ vom 26. April), durch eine Spende der Arbeiterwohlfahrt konnten die kranken Kinder Milch erhalten (BZ vom 23. Juli) – aber einen durchschlagenden Erfolg hatten die Maßnahmen nicht: ein Vierteljahr später hatte sich der Gesundheitszustand „im allgemeinen nur wenig gebessert“. Das Ergebnis der nächsten Untersuchung fand sich nicht in der BZ; ob die „einheimischen“ Kinder wesentlich weniger krank und untergewichtig waren, muss bezweifelt werden.

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Die Tanz-Meisterschaft von Bergedorf

Bergedorfer Zeitung, 11. April 1923

Trotz der schlechten Zeiten gab es in Bergedorf an den Wochenenden meist mehrere Gelegenheiten, das Tanzbein zu schwingen – aber das Tanz-Turnier um die Meisterschaft von Bergedorf war schon etwas Besonderes.

Der Turnierleiter Ferdinand Meyer war am Ort kein Unbekannter: er war Tanzlehrer, und der Arkadia-Club-Bergedorf (nicht: Berdegorf, wie es in der Anzeige heißt) diente ihm dazu, Absolventen seiner Tanzschule über das Ende des jeweiligen Kursus hinaus zu binden, was ihm weitere Einnahmen sicherte.

Zur Vorbereitung auf das tanzsportliche Ereignis gab es sogar einen Trainingsabend (BZ vom 24. März), und man darf unterstellen, dass ein weiteres „Tanzkränzchen“ im selben Lokal mit Ferdinand Meyer (BZ vom 7. April) ebenfalls zum Üben unter fachkundiger Anleitung genutzt werden konnte.

Gern wüsste man, wie groß das Interesse der Freunde des Gesellschaftstanzes war, ob ein Startgeld entrichtet werden musste, welche Tänze zu absolvieren waren, ob es einen Siegerpokal und/oder Urkunden gab – und natürlich, welches Paar sich letztlich mit dem Stadtmeister-Titel schmücken konnte, doch all dies stand nicht in der Zeitung. So blieb der Ruhm der Sieger wohl auf die Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Wettbewerbs beschränkt.

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