Viele Hamburger Studierende waren vor hundert Jahren mittellos: es fehlte sogar an Kartoffeln, dem damals fast unersetzlichen Grundnahrungsmittel. Dagegen wollte der „Bund der Landwirte“ etwas unternehmen und rief die Bauern auf, Kartoffeln „zur Verfügung zu stellen“. Ob 1.500 Zentner zusammenkamen und wie viele der 3.571 Studierenden mit „großer Matrikel“ (Wintersemester 1922/23) an der unentgeltlichen Speisung teilnehmen durften, stand nicht in der Zeitung.
Auch „für die armen Ruhrkinder“ sollten die Landwirte spenden, nämlich abgelegte Kleidungsstücke, aber das war nur ein kleiner Teil dieser Hilfsaktion. Neben dem Bund der Landwirte war es im Raum Bergedorf besonders der Verein für das Deutschtum im Ausland, der für die Aufnahme von Kindern aus dem Ruhrgebiet in Familien warb, damit sie hier zur Schule gehen und besser ernährt werden konnten. Als der hier wiedergegebene Appell veröffentlicht wurde, waren bereits hunderte Kinder eingetroffen und wohl überwiegend auf die dörflichen Gebiete verteilt worden: die Hilfsbereitschaft war jedenfalls groß, wenn auch nicht groß genug.
Wie es den Kindern in Bergedorf, den Vierlanden und den Marschlanden erging, berichtete die BZ nicht – die Kirchengemeinde Neuengamme lud einmal zu einem „Jugendgottesdienst, besonders für die Ruhrkinder und deren Spielgefährten“ ein (BZ vom 20. April). Offenbar waren auch Gerüchte im Umlauf, die Kinder würden von den Bauern ausgenutzt, denn der Bund der Landwirte dementierte dieses per Kleinanzeige und drohte den Urhebern und Weiterverbreitern mit gerichtlicher Verfolgung – dass er auch das alleinige Kontrollrecht für sich reklamierte, stimmt eher misstrauisch.
Überraschenderweise aus Besenhorst wurde mehrfach über die „Ruhrkinder“ berichtet, und man kann nur hoffen, dass es nicht nur dort Fürsorge gab: die 33 Kinder, die in Düneberg und Besenhorst aufgenommen worden waren (BZ vom 24. April) wurden vom Wohlfahrtsarzt untersucht, es wurden für sie Gesundheitskarten angelegt, Ärzte, Zahnarzt und Apotheker verzichteten auf Honorar bzw. Bezahlung und alles benötigte Material für die Schule wurde bereitgestellt (BZ vom 26. April), durch eine Spende der Arbeiterwohlfahrt konnten die kranken Kinder Milch erhalten (BZ vom 23. Juli) – aber einen durchschlagenden Erfolg hatten die Maßnahmen nicht: ein Vierteljahr später hatte sich der Gesundheitszustand „im allgemeinen nur wenig gebessert“. Das Ergebnis der nächsten Untersuchung fand sich nicht in der BZ; ob die „einheimischen“ Kinder wesentlich weniger krank und untergewichtig waren, muss bezweifelt werden.