Der 1. Mai: Feiertag oder nicht?

Bergedorfer Zeitung, 21. April 1921

Die Forderung der Deutschnationalen Volkspartei, den 1. Mai nicht mehr als Feiertag zu begehen, blitzte beim Hamburger Senat ab, und so blieb es auch 1923 dabei: Feiertag in Bergedorf – Arbeitstag im benachbarten Sande, denn zwischen den beiden Orten lag die Landesgrenze zwischen Hamburg und Preußen: Hamburg hatte den Maifeiertag als gesetzlichen Feiertag festgelegt, Preußen nicht.

1919 war der 1. Mai per Reichsgesetz zum „allgemeinen Feiertag“ bestimmt worden, aber eben nur für 1919 (siehe Reichsgesetzblatt 1919, S. 393), danach konnte auf Reichsebene ein Konsens über Festschreibung oder Aufhebung nicht mehr erreicht werden, und so blieb den Ländern die Festlegung überlassen (BZ vom 20. April 1923).

Bergedorfer Zeitung, 26. April 1923

„Auf die Landesgesetzgebung [ist] Rücksicht zu nehmen“, wies die Reichsregierung die Reichsbehörden und die Reichsbetriebe an: in Hamburg brauchten also Mitarbeiter von Reichseinrichtungen am 1. Mai nicht zu arbeiten – rund um Hamburg herum mussten sie für diesen Tag Dienstbefreiung beantragen, was zu Abzügen beim Urlaubsanspruch bzw. bei der Lohnzahlung führte.

Bei der Reichspost, zumindest im Postamt Bergedorf, gab es keine völlige Arbeitsruhe: „Die Schalter werden am 1. Mai wie an Sonntagen offen gehalten“, hieß es in einer Ankündigung, und auch die sonntägliche Briefzustellung wurde beibehalten (BZ vom 26. April 1923). Etwas komplizierter wurde es, wenn man öffentliche Verkehrsmittel nutzen wollte: die Stadt- und Vorortsbahn verkehrte zwischen Blankenese und Ohlsdorf nach dem Sonntags-Fahrplan; auf allen anderen Strecken und der Fernbahn fuhren die Züge wie werktags (BZ vom 28. April). In Hamburg votierten die Mitarbeiter von Hoch- und Straßenbahn mit großer Mehrheit gegen eine Verkehrsruhe, der Verkehr sollte „in gewohnter Weise“ stattfinden (BZ vom 30. April).

Bergedorfer Zeitung, 2. Mai 1923

In Bergedorf und Sande gab es wohl eine Verständigung zwischen der KPD einerseits und der SPD mit den Gewerkschaften andererseits, aber nur über die Abläufe: die einen (KPD) hatten den Vormittag und marschierten von Bergedorf zum Sander Marktplatz, die anderen versammelten sich am frühen Nachmittag auf dem Sander Marktplatz und zogen dann zu den Bergedorfer Ausflugslokalen an der Bille. Bei den Sozialdemokraten dürfte der Unterhaltungswert deutlich größer gewesen sein: eher Feiertag als Kampftag.

Auf eine feierfreudige Bevölkerung am 1. Mai setzten auch zwei Lokale: in der „Fledermaus“ in Sande wie im „Alten Schützengrund“ in Bergedorf sollte ein „Großer Maienball“ stattfinden (Anzeigen in der BZ vom 28. und 30. April). Ob sie an diesem Dienstagabend viele Gäste begrüßen konnten, ist fraglich, denn mancher wird persönlich und finanziell erholungsbedürftig gewesen sein: an den Tagen vorher hatte der Bergedorfer Frühjahrsmarkt stattgefunden.

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