Die Hege und Pflege der Leibesübungen

Bergedorfer Zeitung, 22. Juli 1921

Mit „vereinten Kräften“ wollten von nun an zwei Bergedorfer Vereine, der Männerturnverein von 1860 und die Bergedorfer Turnerschaft von 1880, agieren und sich unter einem Banner zusammenschließen „zur Pflege von Körper und Geist und zum Wohle des deutschen Vaterlandes“. Der aus der Fusion hervorgegangene Verein namens „Bergedorfer Turnerschaft von 1860“ war mit 1.200 Mitgliedern der größte in Bergedorf. Zwar nannte der Vereinsname nur das Turnen, doch es gab auch eine Spielabteilung (Fußball und Faustball) und sogar einen Fechtwart. Leichtathletik stand ebenfalls auf dem Programm, war aber vermutlich der Turnabteilung angegliedert. Während der Männerturnverein kurz vorher eine zehnjährige Tradition seiner Fußballabteilung hatte feiern können (BZ vom 21. Februar 1921), hatte die Turnerschaft erst durch den kollektiven Beitritt des Fußballklubs Eintracht diese Sportart aufgenommen (BZ vom 22. Februar 1919).

Es schien überhaupt die Zeit der Vereinsvereinigungen zu sein: 1918 löste „Spiel und Sport Bergedorf“ den Bergedorfer Fußballklub von 1902 und den Spielverein Bergedorf ab, die in ihm aufgingen (BZ vom 17. August 1918). 1921 hatte SuS nach raschem Wachstum 700 Mitglieder (BZ vom 24. Mai 1924), war aber nun nur noch die Nummer zwei am Platze.

Bergedorfer Zeitung, 29. Oktober 1921

In Sande geschah dasselbe: hier fusionierten der Sander Turnerbund von 1892 und der Sander Spielverein von 1908 zum „Sander Turn- und Spielverein von 1892“ (BZ vom 5. November 1921).

Man sollte die Schwierigkeiten solcher Zusammenschlüsse nicht unterschätzen: es ging ja dabei nicht nur um die Ehrenämter – dem Vorstand von BT 60 gehörten 19 Männer und eine Frau an – sondern auch um den Sport, was sich vor allem bei den Mannschaftssportarten zeigte: in Sande musste ein Auswahlspiel der beiden bisherigen ersten Mannschaften ergeben, wer ab 1922 in der „Ersten“ spielen durfte und wer in die „Zweite“ abstieg (BZ vom 5. November 1921). Das war bei den zwei „Ersten“ von BT 60 unproblematisch, da die Teams in unterschiedlichen Klassen spielten.

Es sollte auch nach einer Übergangszeit einheitliche Spielkleidung geben: bei BT 60 weißes Hemd mit grünem Vereinswappen und blaue Hose; „die unteren Mannschaften benutzen vorläufig den blau-weiß gestreiften Jersey weiter.“ (BZ vom 30. Juli 1921). Über die Sander Trikots und Hosen schrieb die BZ nicht.

 

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Von Kalkbeinen, Mauke und anderem

Bergedorfer Zeitung, 23. Juli 1921

Die wenigsten heutigen Leser werden die Begriffe „Kalkbeine“ und „Mauke“ spontan erklären können, aber aus dem Zusammenhang der Anzeige für das Mittel „Schädlingstod“ wird klar, dass es sich um Krankheiten von Tieren handelt: von Mauke werden Pferde befallen, Kalkbeine sind eine Geflügelkrankheit – das Mittel wird bei den vielen Bergedorfer Hühnerhaltern auf Interesse gestoßen sein, auch wenn Risiken und Nebenwirkungen nicht genannt wurden.

Bergedorfer Zeitung, 20. Juli 1921

„Unschädlich“ für Menschen und ihre Tiere war angeblich das Rattenmittel „Exitus“, wobei die Abbildung in der Anzeige wohl irreführend war – das Inserat erschien ebenso wie das darunter recht oft in der BZ. Wie genau „Riesolda“ in dreißig Minuten „unter Garantie“ verschiedene Arten von Läusen einschließlich der Nissen, ferner Wanzen und Flöhe vernichtete und dennoch wundunschädlich war, ist unbekannt. „Gesetzlich geschützt“ waren vermutlich nur die Markennamen beider Produkte.

Aus dem häufigen Erscheinen derartiger Anzeigen wird man jedenfalls schließen können, dass ein lokaler Markt vorhanden war.

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Die Hunde im Vorortsverkehr

Bergedorfer Zeitung, 13. Juli 1921

Es ist zu vermuten, dass die Abschaffung der Hundekarten die Bahnfahrt verteuerte: nunmehr sollte die Beförderung eines Hundes unabhängig von dessen Größe so viel kosten wie die Beförderung eines erwachsenen Menschen in der dritten Klasse. Dieses galt für Stadt- und Vorortsverkehr gleichermaßen; die zwischen Bergedorf und Hamburg verkehrenden Züge der Reichsbahn zählten zum sogenannten Vorortsverkehr.

Es bedürfte aufwändiger Recherche (auf die hier verzichtet wird), um herauszufinden, ob die Hamburger Hochbahn und die BGE genauso verfuhren – einen Verkehrsverbund wie den heutigen HVV gab es damals nicht und dementsprechend auch keinen Gemeinschaftstarif – und welche Regelung in den Zügen des Fernverkehrs galt, denn über all das berichtete die BZ nicht.

Die Bergedorfer Hundehalter werden nicht erfreut gewesen sein über diese Zusatzbelastung: hatte die Hundesteuer für einen kleinen Hund (bis 45 cm Schulterhöhe) 1916 noch 20 Mark betragen (größere Hunde 40 Mark), so war sie 1921 auf 75 Mark gestiegen, wobei die Staffelung nach Größe des Tieres abgeschafft worden war (BZ vom 15. Januar 1916, 23. August 1920 und 6. Januar 1921). Ab dem 1. April 1922 sollten 200 Mark erhoben werden (BZ vom 31. Oktober 1921).

Hundert Jahre später ist ebenfalls Hundesteuer zu entrichten, und es wird wieder differenziert: der gewöhnliche Hund kostet 90 Euro, der gefährliche 600 Euro im Jahr, wie es auf der entsprechenden Internetseite Hamburgs heißt. Für Fahrten im HVV muss aber keine Karte für den Hund mehr gelöst werden, wie aus den Paragraphen 11 und 12 des HVV-Gemeinschaftstarifs hervorgeht. Gefährliche Hunde sind von der Mitnahme ausgeschlossen.

Wahrscheinlich durfte 1921 ein Hund, obwohl er fahrkartentechnisch ein erwachsener Mensch (dritter Klasse) war, keinen Sitzplatz in der Bahn einnehmen. 2021 ist ihm die Benutzung eines Sitzplatzes explizit untersagt (§ 12 Abs. 5 des Gemeinschaftstarifs), aber immerhin fährt er frei.

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Der schlampige Nachruf auf den Stuhlrohr-Patriarchen

Bergedorfer Zeitung, 18. Juli 1921

Bergedorfer Zeitung, 19. Juli 1921

 

 

 

 

 

 

Der Nachruf auf Rudolf Sieverts war der BZ so oberflächlich geraten, dass sie am folgenden Tag einen zweiten drucken musste, der die gemachten Angaben nicht nur ergänzte, sondern auch zu korrigieren versuchte, allerdings mit nur mäßigem Erfolg: Sieverts war Bürgerschaftsabgeordneter von 1902 bis 1913 (also zwei Perioden) und auch  lange Jahre Vorsitzender seiner Fraktion. Als Reichstagskandidat war er (erfolglos, zu Kaisers Zeiten) für die Nationalliberalen angetreten. Er war auch nur einer der drei Gründer des Unternehmens, aber hatte seit 1890 als Alleininhaber den Aufstieg der Firma geprägt, die vor dem Krieg zu Bergedorfs größtem Arbeitgeber und größtem Steuerzahler geworden war.

Bergedorfer Zeitung, 20. Juli 1921

Die BZ hätte eigentlich auch schreiben müssen, dass Sieverts über lange Jahre stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der Bergedorf-Geesthachter Eisenbahn gewesen war, doch das war nur der Traueranzeige der BGE zu entnehmen. Der Unternehmer hatte schon bei der Gründung der BGE für (mindestens) 53.000 Mark Aktien gezeichnet, und die Bahnlinie kam nicht nur Bergedorfs Entwicklung zugute, sondern auch seiner Fabrik, zu der ein Stichgleis führte.

Sein wohltätiges Engagement für Bergedorf war durchaus übersichtlich. Neben der von der BZ genannten Stiftung, aus deren Zinsen Lehrlinge ein Stipendium erhielten (siehe z.B. BZ vom 5. März 1921), tauchten in den Jahren seit 1914 nur vereinzelt Spenden an die Kriegshilfe und das Rote Kreuz auf (siehe die Gabenverzeichnisse in der BZ vom 6. Februar 1915, 19. Februar 1916 und 28. Januar 1919).

Ob er wirklich „für seine Arbeiter und Angestellten allezeit ein warmes Herz“ hatte? In seiner Rede zum Jubiläum der Firma 1907 betonte Sieverts die freiwillig gezahlten Sozialleistungen sowie die guten Löhne, auch verteilte er damals Geldgeschenke an die Mitarbeiter, die er vor den „Einflüssen von außen und in kleinem Umfang auch … im Innern der Fabrik“ warnte, womit er die Gewerkschaft meinte. Seine Grundeinstellung hatte sich also seit 1897, als er durch Unbeugsamkeit einen zehnwöchigen Streik (wegen der Entlassung von Gewerkschaftlern) „gewann“, nicht geändert: er war und blieb patriarchalisch.

Bergedorfer Zeitung, 21. November 1921

Die nach Rudolph Sieverts‘ Tod neue Geschäftsleitung behielt offenbar seinen Kurs bei: als im November ein Streik bei den benachbarten Stuhlrohrfabriken von Rümcker & Ude ausbrach, sperrte das Sieverts’sche Werk seine Arbeiter ebenfalls aus.

Die nicht der BZ zu entnehmenden Informationen stammen aus dem Bergedorfer Personenlexikon (S. 186-187), einem Heft von Geerd Dahms über Die Stuhlrohrfabriken in Bergedorf und dem Aufsatz von Alfred Dreckmann (S. 159-176). Die korrekte Schreibweise des Vornamens (Rudolf oder Rudolph) war nicht zu klären.

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Künstlerisches Notgeld für Bergedorf?

Bergedorfer Zeitung, 8. Juli 1921

Wer kein Geld hat, druckt einfach selbiges – das jedenfalls meinte die Mehrheit von Bergedorfs Bürgervertretung, allen Warnungen zum Trotz.

Schon im Krieg hatte es Bergedorfer Notgeld gegeben (siehe den Beitrag zu den Kriegswechselmarken), weil das Kleingeld so knapp war – aber jetzt dachte man nicht an achteckige Münzen, sondern an künstlerisch gestaltete Scheine mit historischen Motiven, und obwohl der Kleingeldmangel fortdauerte (siehe z.B. BZ vom 23. und 25. Juni 1921), sollte dieses Geld nicht wirklich als Zahlungsmittel dienen, es sollte vielmehr „mit einem hohen Aufschlag, sogar nach den Überseeländern“ verkauft werden. Die Initiatoren wollten Scheine von 25, 50 und 100 Pfennig; der Nennwert der Emission sollte 500.000 Mark betragen (BZ vom 18. Juni).

Nach diesem Muster produzierten viele deutsche Städte sogenannte Serienscheine, meist mit einem aufgedrucktem Wert von wenigen Mark oder weniger, die von vornherein als Sammelobjekte geplant waren und deshalb nach dem Ende der meist sehr kurzen Gültigkeitsdauer für die Sammler weiter werthaltig waren.

Bergedorfer Zeitung, 29. Januar 1921

Der Markt hatte sich schnell darauf eingestellt, es wurden spezielle Sammelalben angeboten, und der Bergedorfer Briefmarkenhändler Brüggemann erweiterte entsprechend sein Geschäftsfeld (BZ vom 29. Januar). Sogar eine „Internationale Notgeld-Groß- und Kleinhändler-Vereinigung“, kurz „Inogrohaver“ wurde gegründet, wenn man der BZ-Meldung vom 22. Juli trauen darf – aber entweder war der Redakteur auf einen Scherz hereingefallen oder er hatte ihn selbst ausgedacht, denn Spuren dieser Vereinigung waren nicht aufzufinden.

Bergedorf blieb 1921 notgeldlos: Bürgermeister Wiesner hatte seine Parlamentarier darauf hingewiesen, dass der Reichsfinanzminister zur Unterbindung „der mißbräuchlichen Gepflogenheit der Gemeinden, sich durch das Notgeld gute Einnahmen zu verschaffen“ dieses nicht mehr genehmigen wollte. Der von Wiesner erwartete Einspruch aus Hamburg gegen den Beschluss kam gut zwei Monate später (BZ vom 19. September) – da traf es sich gut, dass die im Juli eingesetzte Vorbereitungs-Kommission der Bergedorfer noch gar nicht getagt hatte (BZ vom 8. Oktober).

Eine umfangreiche Darstellung zu Serienscheinen bietet das Buch von Arnold Keller/Albert Pick. Recht unterhaltsam die reich bebildete Darstellung von Hans Joachim und Jutta Kürtz über Notgeld in Schleswig-Holstein

 

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Der Neubau der Bedürfnisanstalt mit Bootsvermietung

BZ, 11. Mai 1920

BZ, 8. Juli 1921

Ende Februar 1920, also im Vorjahr, hatten Magistrat und Bürgervertretung Bergedorfs beschlossen, in den Anlagen an der Holstenstraße, bei der Bootsvermietung, eine neue Bedürfnisanstalt errichten zu lassen (BZ vom 27. Februar 1920). Die Pläne waren nach etwa zehn Wochen fertig und die Arbeiten wurden ausgeschrieben – doch offenbar passierte nichts, denn ein gutes Jahr später gab es fast wortgleich eine erneute Ausschreibung. Über die Gründe der Verzögerung berichtete die BZ nicht, aber man kann vermuten, dass die Stadtfinanzen den Ausschlag gaben. Die Bergedorfer mussten sich also vorerst weiter mit der alten, offenbar abgängigen Einrichtung begnügen.

Bergedorfer Zeitung, 22. September 1921

Nach der zweiten Bekanntmachung ging es dann aber rasch voran, wie der nebenstehende Bericht zeigt: schon zwei Monate später war der hier detailliert beschriebene Bau „unter Dach“. Der Innenausbau hingegen zog sich länger hin; zumindest wurde bis Jahresende 1921 keine Inbetriebnahme gemeldet.

Die Nutzung sollte vielfältig sein: außer den für eine Bedürfnisanstalt notwendigen Räumlichkeiten sollten eine Wärterin und ein Wärter Platz finden, zudem zwei kleine Lädchen. Schließlich sollte für die Bootsvermietung im Billebecken ein Raum für die Aufsichtsperson entstehen – auf alles zusammen 65 Quadratmetern brutto. Groß waren die Räume und Einrichtungen also nicht.

Einhundert Jahre später gibt es nur noch einen Nutzungszweck: ein Eis-Café belegt die gesamte Fläche. Der Bootsverleih ist längst aus dem Häuschen ausgezogen und befindet sich einige hundert Meter billeaufwärts am Schillerufer. Eine schwimmende Treibselbarriere nahe der Ernst-Mantius-Brücke hält die Wasseroberfläche des Billebeckens sauber und verhindert zugleich, dass man per Boot in das Staubecken gelangt.

Rückfront des Häuschens mit Bootsvermietung (undatierte Ansichtskarte)

 

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Die Eisschränke

BZ, 25. Juni 1921

BZ, 29. Juni 1921

Es war recht selten, dass in der BZ ein Eisschrank offeriert wurde – die beiden Gebrauchtwaren-Händler Albers und Mente waren die einzigen kommerziellen Verkäufer (Mente hatte entweder regelmäßig Eisschränke oder er pries immer dieselben Ladenhüter an), und andere Anbieter waren ähnlich rar (Anzeigen in der BZ vom 10. Juni, 8. und 15. Juli sowie 2. August).

Mit kühler Lagerung kann man die Haltbarkeit von Lebensmitteln verlängern, heute leicht mit einem elektrischen Kühlschrank zu erreichen. Kühlschränke gab es vor hundert Jahren aber noch nicht, nur ihre Vorläufer, die Eisschränke.

So ein Eisschrank war weniger komfortabel als ein Kühlschrank, denn das Kühlmittel war (daher der Name) Eis. Trotz Doppelwandigkeit und Isolierung des Schranks taute das Eis binnen weniger Tage, das Tauwasser musste täglich abgelassen werden, und frisches Eis musste häufig eingefüllt werden.

Zum Glück war es damals kälter als heute: Teiche und Seen froren in den allermeisten Jahren fest und dick zu, sodass man das Eis herausschneiden oder -hauen konnte: die an der Bille liegenden Brauereiteiche waren eigens zu diesem Zweck angelegt worden, und das Eis wurde dann im Eiskeller der Vereinsbrauerei eingelagert (zu diesem Eiskeller siehe auch die Seite unter-hamburg.de).

BZ, 15. Juni 1920

BZ, 12. Mai 1919

Das Eis sollte schließlich zum Eisschrank gelangen, und das übernahmen die „Eismänner“, deren Zahl unbekannt ist. 1919 wollte die Brauerei Peters Private und Wirte beliefern und warb dafür, 1920 und 1921 inserierte sie nicht. 1920 gab es einmalig eine „Eis-Such-Anzeige“, sodass man davon ausgehen kann, dass die Annonce Erfolg hatte.

BZ, 14. April 1921

BZ, 28. Mai 1920

Im Fleischwarenhandel war Kühlung unverzichtbar, wie die Anzeige aus Kirchwärder erkennen lässt. Zwar war die Bergedorfer Schlachterei Ludewig die einzige, die mit einem Eiskeller und deshalb frischer Ware warb, aber sicher verfügten auch die anderen über Kühlmöglichkeiten. Über den Eiskeller der Schlachterei Gödecke in Sande berichtete Karl-Heinz Gödecke sehr anschaulich (in: Lohbrügge, Band 1: Die Alte Holstenstraße, S. 60-61): mit fünfzig Ackerwagen wurde das Eis herbeigeschafft und in einem (fensterlosen) mit dicken Torfschichten isolierten Gebäude eingelagert, von wo kalte Luft in den benachbarten Kühlraum für das Fleisch geleitet wurde.

Bergedorfer Zeitung, 1. Juli 1921

Zwar wurde 1921 sehr viel seltener Fleisch gegessen als heute, aber wenn man keinen eigenen Eisschrank hatte, musste man häufiger zu Gödecke, der seine frische Ware aus dem eigenen Kühlraum sehr viel teurer verkaufte als das (wenig beliebte) Stormarner „Kreisgefrierfleisch“ oder die ausländische Tiefkühlware. Man wird den Unterschied geschmeckt haben.

Andere gebräuchliche Methoden der Haltbarmachung von Fleisch waren das Räuchern, Pökeln oder die Herstellung von Konserven – letztere bot z.B. der Bergedorfer Händler Meyerhold an (BZ vom 1. Juli). Für die Dosen brauchte er keine Kühlung, die er aber hoffentlich für die Milchprodukte seines Sortiments hatte.

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Die Damen und das Bergedorfer Schützenfest 1921

Bergedorfer Zeitung, 1. Juli 1921

Der Bergedorfer Bürgerverein beschloss, „in Zukunft den neuen Zeitanschauungen entsprechend auch Frauen als Mitglieder zuzulassen“, was vermutlich einigen der Herren Mitglieder schwergefallen sein dürfte, aber sie sperrten sich nicht: die Satzungsänderung wurde einstimmig angenommen.

Bis dahin waren Frauen nur als Begleiterinnen der Männer bei Ausflügen etc. dabei gewesen – an dem geplanten Sommerausflug zum Rülauer Forst (südlich von Schwarzenbek) nahmen vielleicht schon Frauen aus eigenem (Mitglieds-)Recht teil – immerhin traten in den folgenden Monaten 23 Frauen dem Verein bei (BZ vom 21. September). Ob sie von dem „Preisschießen für die Damen“ in Rülau begeistert waren, weiß man nicht, aber dass der Berichterstatter diesen Wettbewerb als Teil der „Erheiterungsspiele“ bezeichnete, ist schon diskriminierend.

Bergedorfer Zeitung, 26. Juli 1921

Da achtete der Kavalleristenverein von Bergedorf und Umgegend bei seinem Ausflug nach Preußisch-Kirchwärder mehr auf die Gleichberechtigung: er bot ein „Unterhaltungsschießen für Damen und Herren“, aber vermutlich nahm er weiterhin keine weiblichen Mitglieder in seine Reihen auf.

Bergedorfer Zeitung, 9. Juli 1921

Generell wurde viel geschossen in Bergedorf, jedenfalls beim Schützenfest, das nach siebenjähriger Unterbrechung 1921 wieder stattfinden sollte, und wie vor dem Krieg sollte es ein Riesenfest für die Bevölkerung Bergedorfs und Vierlandens werden, für das sogar Sonderzüge der BGE in die Vierlande fuhren (BZ vom 1. und 9. Juli). Die Veranstaltung im Schießtal fand an mehreren Tagen statt, zu denen die BZ jeweils werbende Vor- und Nachberichte und natürlich auch Anzeigen der Schützengesellschaft druckte (siehe z.B. BZ vom 10., 11. und 22. Juni sowie vom 2., 4., 5., 8., 9. und 11. Juli).

Es gab außer dem Königsschuss weitere Wettbewerbe für die Schützen und an drei Tagen „Konkurrenzschießen“ für die Öffentlichkeit – die BZ nannte nicht nur den Namen des neuen Königs (Hotelbesitzer Heinrich Albers vom Bahnhofshotel), sondern auch die Namen der Ausgezeichneten in den anderen Disziplinen, meist mit Vornamen: unter den Siegern waren 42 Vereinsangehörige und sieben Nicht-Mitglieder (BZ vom 11. Juli) – soweit erkennbar, war keine Dame darunter.

Und wenn die Damen auch nicht schossen, so spielten sie doch eine tragende Rolle bei der Veranstaltung: „Die Damenwelt trägt ihre schönsten Sommertoiletten zur Schau“, hieß es im Bericht vom 4. Juli.

 

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Das Badeverbot

Bergedorfer Zeitung, 27. Juni 1921

Man kann nur spekulieren, was die Landherrenschaft Bergedorf veranlasste, dieses Badeverbot auszusprechen: es war wohl keine Reaktion auf Badeunfälle, über die die BZ sicher berichtet hätte. Es kann auch keine neue Rechtsgrundlage gewesen sein, sonst wäre diese in der Bekanntmachung zu nennen gewesen, nicht die von 1896. Sollte etwa der Magistrat von Bergedorf das Verbot betrieben haben, um die „Wildbader“ in die (kostenpflichtige) Badeanstalt weiter billeaufwärts zu treiben? Auch das scheint eher unwahrscheinlich. Oder waren es die Fischereipächter, die sich beeinträchtigt sahen?

Weitere Gründe scheinen möglich: in dem unteren Bereich, d.h. im Schleusengraben und am Schiffwasser, herrschte reger Schiffsverkehr, der Badende hätte gefährden können – oberhalb der Brücke an der Holstenstraße waren dagegen nur Ruder- und Paddelboote auf dem Wasser, die keine besondere Gefahr für Schwimmer darstellten. Das Baden im Mühlenbecken an der Kornwassermühle war wegen der Strömungsverhältnisse dort mit Risiken verbunden, die man nun ausschließen wollte.

Am wahrscheinlichsten sind hygienische Gründe. „Traditionell“ waren die Abwässer der Bergedorfer Haushalte ungeklärt in Bille, Schiffwasser und Schleusengraben geflossen, doch die Zeiten waren längst vorbei: bereits Ende des 19. Jahrhunderts war mit dem Bau einer Abwasser-Kanalisation begonnen worden und noch vor dem Krieg hatte man eine biologische Kläranlage in Betrieb nehmen können (siehe hierzu Oliver Barghorn-Schmidt (S. 143-172)). Die Nachbargemeinde Sande hingegen hatte nach wie vor kein Klärwerk, nicht einmal Kanalisation, und „entsorgte“ weiter per Einleitung in die Bille, wogegen in einer Versammlung der Kommunalvereine von Bergedorf und Umgegend Protest erhoben wurde. Ein Hamburger Behördenvertreter nahm Stellung: „Solange [Sande] die Mittel zur Kanalisation fehlten, werde man sich mit den Mißständen abfinden müssen.“ (BZ vom 16. Dezember)

Man musste sich noch mehr als ein Jahrzehnt gedulden – erst 1931 wurde vertraglich vereinbart, dass Sande ein Abwassersiel erhalten sollte, das an das Bergedorfer Klärwerk anzuschließen war (vgl. Wasser für Sande, S. 39-42). Ob und wann das Badeverbot aufgehoben wurde, ist hier nicht bekannt.

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Alte Motorräder und ein ganz früher Meybein

BZ, 14. Juni 1921

BZ, 25. Juni 1921

Wer vor hundert Jahren im Raum Bergedorf ein Motorrad suchte, wird diese Anzeigen mit interessiertem Blick betrachtet haben – vielleicht aber auch mit Skepsis, denn die Firma Adler hatte die Herstellung von Motorrädern bereits 1907/1908 eingestellt. Angeboten wurden also „Oldtimer“, von denen immerhin einer als „betriebsfähig“ bezeichnet wurde.

BZ, 24. März 1921

BZ, 3. November 1921

Viele gebrauchte motorisierte Zweiräder wurden 1921 per BZ nicht angeboten – diese beiden Annoncen eines Inserenten komplettieren den BZ-Anzeigenmarkt des Jahres. Die Maschine des belgischen Herstellers FN verfügte immerhin über zwei Gänge, war also wohl relativ neueren Datums.

BZ, 2. Juni 1921

Man konnte aber auch neu kaufen: der Fahrradhändler Otto Rudow aus Sande inserierte mehrfach „leichte Motorrräder“ des Herstellers Meybein – und dies müssen Neufahrzeuge gewesen sein: nach einer Liste der deutschsprachigen Wikipedia produzierte Meybein von 1922 bis 1926, nach der niederländischen Ausgabe von Wikipedia gab es die „Willibald Meybein Motorradfabrik, Hamburg“ von 1923 bis 1926. Die Anzeigen von 1921 belegen, dass beide Angaben fehlerhaft sind, aber die Welt wird es verschmerzen. Ob in irgendeinem Zweirad- oder anderen Museum noch ein „Meybein“ vorhanden ist, ließ sich nicht klären. Fotos sind im Internet auf kommerziellen Seiten zu finden, u.a. die Reproduktion eines Werbeblatts mit der Angabe „Willibald Meybein, Hittfeld Bezirk Hamburg“.

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