Künstlerisches Notgeld für Bergedorf?

Bergedorfer Zeitung, 8. Juli 1921

Wer kein Geld hat, druckt einfach selbiges – das jedenfalls meinte die Mehrheit von Bergedorfs Bürgervertretung, allen Warnungen zum Trotz.

Schon im Krieg hatte es Bergedorfer Notgeld gegeben (siehe den Beitrag zu den Kriegswechselmarken), weil das Kleingeld so knapp war – aber jetzt dachte man nicht an achteckige Münzen, sondern an künstlerisch gestaltete Scheine mit historischen Motiven, und obwohl der Kleingeldmangel fortdauerte (siehe z.B. BZ vom 23. und 25. Juni 1921), sollte dieses Geld nicht wirklich als Zahlungsmittel dienen, es sollte vielmehr „mit einem hohen Aufschlag, sogar nach den Überseeländern“ verkauft werden. Die Initiatoren wollten Scheine von 25, 50 und 100 Pfennig; der Nennwert der Emission sollte 500.000 Mark betragen (BZ vom 18. Juni).

Nach diesem Muster produzierten viele deutsche Städte sogenannte Serienscheine, meist mit einem aufgedrucktem Wert von wenigen Mark oder weniger, die von vornherein als Sammelobjekte geplant waren und deshalb nach dem Ende der meist sehr kurzen Gültigkeitsdauer für die Sammler weiter werthaltig waren.

Bergedorfer Zeitung, 29. Januar 1921

Der Markt hatte sich schnell darauf eingestellt, es wurden spezielle Sammelalben angeboten, und der Bergedorfer Briefmarkenhändler Brüggemann erweiterte entsprechend sein Geschäftsfeld (BZ vom 29. Januar). Sogar eine „Internationale Notgeld-Groß- und Kleinhändler-Vereinigung“, kurz „Inogrohaver“ wurde gegründet, wenn man der BZ-Meldung vom 22. Juli trauen darf – aber entweder war der Redakteur auf einen Scherz hereingefallen oder er hatte ihn selbst ausgedacht, denn Spuren dieser Vereinigung waren nicht aufzufinden.

Bergedorf blieb 1921 notgeldlos: Bürgermeister Wiesner hatte seine Parlamentarier darauf hingewiesen, dass der Reichsfinanzminister zur Unterbindung „der mißbräuchlichen Gepflogenheit der Gemeinden, sich durch das Notgeld gute Einnahmen zu verschaffen“ dieses nicht mehr genehmigen wollte. Der von Wiesner erwartete Einspruch aus Hamburg gegen den Beschluss kam gut zwei Monate später (BZ vom 19. September) – da traf es sich gut, dass die im Juli eingesetzte Vorbereitungs-Kommission der Bergedorfer noch gar nicht getagt hatte (BZ vom 8. Oktober).

Eine umfangreiche Darstellung zu Serienscheinen bietet das Buch von Arnold Keller/Albert Pick. Recht unterhaltsam die reich bebildete Darstellung von Hans Joachim und Jutta Kürtz über Notgeld in Schleswig-Holstein

 

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