Der Verfassungstag und die Ernte

Bergedorfer Zeitung, 8. August 1923

Dass Arbeitgeberverbände nicht die größten Freunde arbeitsfreier Feiertage sind, überrascht nicht wirklich. Der Reichslandbund als Zusammenschluss der Landwirtschaft machte da keine Ausnahme, und er hatte mehrere Gründe, eine Arbeitsruhe am Verfassungstag abzulehnen: in dem Schreiben an den Reichskanzler verwies er auf die Notwendigkeiten der Ernte, aber daneben dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass der Reichslandbund stramm rechtsorientiert war und den Jahrestag der Verabschiedung der demokratischen Verfassung nicht als feier- und schon gar nicht als feiertagswürdig ansah.

Bergedorfer Zeitung, 9. August 1923

In Bergedorf beging man den Verfassungstag, der nicht zum gesetzlichen Feiertag erhoben wurde, mit einer abendlichen öffentlichen Feier, der am Mittag eine „Kundgebung der Behörden und Wirtschafts-Organisationen“ vorausgegangen war. Welche Vertreter der Wirtschaft hieran teilnahmen, war der BZ nicht zu entnehmen; Redner waren Bergedorfs Postdirektor Friedrichs und der Hamburger Sozialdemokrat Theodor Haubach (BZ vom 11. August 1923).

Zur Teilnahme an der Abendfeier rief – im Gegensatz zum Vorjahr – auch die Hansaschule auf, während die Luisenschule wie auch die Sander Schulen nicht zu den Unterzeichnern der Anzeige gehörte; die Gründe sind unbekannt. Ansonsten war alles ziemlich genau wie 1922 (Bericht in der BZ vom 13. August 1923).

 

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Die Gutscheine gegen den Geldmangel

Bergedorfer Zeitung, 10. August 1923

Bergedorfer Gutscheine vom 7. August 1923 (Rückseiten unbedruckt)

Bergedorfs „Gutscheine“ von 1923 erinnern an die „Kriegswechselmarken“ von 1917, auch wenn es nicht mehr um Pfennigbeträge ging, sondern (zunächst) um eine halbe bis eine ganze Million Mark. Man wollte damit der akuten Zahlungsmittelnot entgegenwirken, denn an solchen „kleineren Scheinen“, wie sie im Artikel genannt wurden, fehlte es besonders.

1923 wurden Arbeiter nach geleisteten Arbeitsstunden wöchentlich entlohnt: in aller Regel erhielten sie eine „Lohntüte“ mit der entsprechenden Menge Bargeld, denn über ein Lohn- bzw. Gehaltskonto verfügten nur die wenigsten. Dementsprechend wurde bei Einkäufen in aller Regel bar bezahlt.

1923 stiegen die Löhne rasant: ungelernte Arbeiter im Dienst des Reichs verdienten in der Woche vom 29. Juli bis 4. August 22.740 Mark pro Stunde – in der darauffolgenden Woche mit 45.600 Mark gut das Doppelte (BZ vom 28. Juli und 4. August). Die Preise stiegen noch schneller: der Butterpreis verdreifachte sich in derselben Zeit nahezu (von 88.000 auf 260.000 Mark, BZ vom 27. Juli und 3. August). Eine Woche später waren es 840.000 Mark … (BZ vom 10. August)

Die Reichsbank konnte die „passenden“ Scheine für die Lohnzahlungen nicht in ausreichendem Maße bereitstellen – wenn Arbeiter aber nur einen Teil des Lohns erhielten, drohte ihnen und ihren Familien die nackte Not; den Firmen drohten Arbeitsniederlegungen (siehe BZ vom 1. August). Diesen Gefahren sollten die Bergedorfer Gutscheine begegnen.

Bergedorfer Zeitung, 13. August 1923

Dasselbe traf auf die Nachbargemeinde Sande und deren Gutscheine zu, die es dort bis zum Wert von zwei Millionen gab. Hinsichtlich des höchsten Nennwerts zog Bergedorf sehr schnell nach: ab dem 17. August hatten die Bergedorfer ihren eigenen Zwei-Millionen-Schein (BZ vom 16. August 1923). Die Gültigkeit all dieser Scheine wurde mehrfach verlängert.

Bergedorfer Zeitung, 14. August 1923

Auch die Stadt Hamburg war nicht untätig und bereitete die Ausgabe von Notgeldscheinen über 1 Million und 5 Millionen vor, daneben auch „Hartgeldstücke“ von 200.000 Mark. So sollte „eine völlige Behebung der Zahlungsmittelknappheit“ eintreten, doch das gelang nicht.

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Unruhige Zeiten am Deichtormarkt, in Hamburg und Bergedorf

Bergedorfer Zeitung, 26. Juli 1923

Pontonanlage vor den Deichtorhallen

Es handelte sich wohl nicht um einen Einzeltäter, der in der Nacht 50 Pfund Kartoffeln stahl – Kartoffeln, die auf Ewern und Booten vor dem Deichtormarkt lagerten und am Morgen in den Handel gebracht werden sollten – , denn als der Dieb erwischt und verprügelt wurde, „stürzten mehr als 30 Mann herbei“, die bis zum frühen Morgen mit den Vierländer Schiffern Tätlichkeiten austauschten.

Die Behörden handelten erst einige Tage später: „wegen der nächtlichen Schiffsberaubungen“ wurde am Deichtormarkt „ein umfassender Polizeinachtdienst“ etabliert (BZ vom 30. Juli 1923), aber die Vierländer hatten wohl nur begrenztes Vertrauen in die Sicherheitskräfte: viele blieben dem Deichtormarkt fern (BZ vom 2. August 1923), was natürlich die Lebensmittelknappheit in Hamburg weiter verschärfte.

Bergedorfer Zeitung, 2. August 1923

In diesem Zusammenhang muss man den Appell sehen, den die BZ als Top-Meldung des Lokalteils brachte, eventuell veranlasst durch den Senat: die öffentliche Sicherheit sei nicht gefährdet, ein Anlass zur Beunruhigung bestehe nicht, es gebe nur „übertriebene Gerüchte“ über „Vorfälle … im Anschluss an kommunistische Demonstrationen“.

Auf einer von der KPD einberufenen öffentlichen Versammlung in Sande beschlossene Resolution, Bergedorfer Zeitung, 30. Juli 1923

Demonstrationen, Versammlungen und Agitationen der KPD fanden in diesen Wochen in Hamburg wie auch in Bergedorf und Sande statt; sie richteten sich gegen die bürgerliche Reichsregierung wie den sozialdemokratisch geführten Hamburger Senat, die „Gefahr des Fassismus“ (Faschismus) und gegen die Lebensmittelnot (BZ vom 21., 27., 28. und 30. Juli sowie 1. August 1923). Der Senat verbot die von der KPD geplanten öffentlichen Kundgebungen „zum Schutze der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ (BZ vom 26. Juli) – die KPD (auch in Bergedorf und Sande) rief zur Schaffung „kampffähiger proletarischer Hundertschaften“ auf, auf den Werften und im Hafen kam es zu weitgehenden Arbeitsniederlegungen, und der Senat verhängte angesichts von Unruhen den Ausnahmezustand. Nach zusätzlichen Lohnzahlungen entspannte sich dann die Lage ein wenig (BZ vom 14. und 15. August) – vorerst.

 

 

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Die Lebensmittelnot in Bergedorf und Sande

Bergedorfer Zeitung, 1. August 1923

Bergedorfer Zeitung, 30. Juli 1923

 

 

 

 

 

 

 

 

Lebensmittelknappheit und Inflation trafen den Raum Bergedorf genauso schwer wie Hamburg – in Bergedorf und Sande gab es offenbar „Angstkäufe“, da man Unterbrechungen der Zufuhren befürchtete, und gegen diese „Wareneindeckung für längere Zeit“ sollte nun eine Aktion starten: die Kolonial- und Fettwarenhändler verpflichteten sich in einer Besprechung mit dem Gewerkschaftsbund (ADGB) und den Vereinigten Sozialdemokraten, Waren nur „in geringen Mengen“ zur Abgabe gelangen zu lassen.

An die Kundschaft erging der Appell, keine Angst- oder Hamsterkäufe zu tätigen – dann sei genug der „notwendigsten Waren für den Augenblick“ vorhanden. Man muss allerdings bezweifeln, dass die Bezieher monatlicher Einkünfte ihr Einkaufsverhalten entsprechend änderten, denn wenn sie nicht sofort Waren für ihr Gehalt kauften, konnten sie angesichts der Kaufkraftverluste in der zweiten Monatshälfte kaum noch etwas erwerben: im Monat Juli hatte die Inflation 392,2 Prozent betragen.

Es kam hinzu, dass Löhne und Gehälter zumindest teilweise erst verspätet gezahlt wurden (BZ vom 28. Juli und 1. August), weil schlicht das Bargeld fehlte – die Reichsbank musste sogar 200 Milliarden Mark per Flugzeug nach Hamburg liefern (BZ vom 3. August), und wenn dann endlich der restliche Lohn ausgezahlt werden konnte, musste noch eine Einigung über die „Zahlung einer Ausgleichssumme für die durch verspätete Lohnzahlung entstandene Geldentwertung“ erzielt werden (BZ vom 6. August).

Ansonsten empfahl die BZ Sparsamkeit: Kohlrabi-Blätter würden „ein schmackhaftes, nahrhaftes, vitaminreiches Gemüse geben“, aus Erbsenhülsen könne man „eine kostbare süße Suppe“ bereiten, und auch der aus der Kriegszeit bekannte Kurzkohl tauchte hier wieder auf (BZ vom 4. August).

 

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Die hochspringenden Eisenplatten in der Sander Großen Straße

Bergedorfer Zeitung, 26. Juli 1923

Die Große Straße in Bergedorfs Nachbarort Sande hatte kein Abwasserrohr, sondern nur Abwasserrinnen, die aber immerhin mit eisernen Platten abgedeckt waren. Ein befriedigender Zustand war das nicht, wenn man dem Leserbriefschreiber „F.“ folgt, der in seiner Zuschrift einen durch diese Eisenplatten verursachten Unfall schilderte und die berechtigte Frage stellte, wer überhaupt für die Unfallfolgen haften müsse. Auch Vorschläge zur Erhöhung der Verkehrssicherheit machte er: man könne statt der Rinnen Abflussrohre verlegen oder durch bauliche Maßnahmen ein Hochspringen der Eisenplatten verhindern.

Es klingt alles plausibel – doch weitere Berichte zum Thema waren nicht zu finden, auch nicht in den Artikeln über die Sitzungen der Gemeindevertretung: vielleicht sah man dort die Lage trotz ungeklärter Haftung weniger dramatisch, aber vielleicht hatte die Zeitung das Thema nicht weiterverfolgt, weil es keine weiteren Unfälle gab.

 

 

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Die Pferdeschweifdiebe

BZ, 20. Juli 1923

Bergedorfs Polizei fasste zwei Pferdeschweifdiebe, also Männer, die Pferden die Schwänze (bis zur Rübe) abschnitten, um das Pferdehaar zu verkaufen. Vermutlich wurden die beiden wegen Diebstahls angeklagt, weil ihnen die Pferde ja nicht gehörten. Aus heutiger Sicht hätten sie ebenso wegen Tierquälerei vor den Richter treten müssen, denn sie hatten die „Tiere ihres natürlichen Schutzes gegen die Fliegenplage beraubt“, wie die BZ am 2. Juni 1923 geschrieben hatte.

BZ, 24. Juli 1923

BZ, 25. Juli 1923

Diese Art von Diebstahl konnte durchaus einträglich sein: im Januar 1923 bot eine Altonaer Firma bis 9.600 Mark für ein Kilogramm Pferdehaare, im Juli waren es 160.000 Mark und im August 950.000 Mark (Anzeigen in der BZ vom 24. Januar, 25. Juli und 10. August 1923) – übrigens durchgängig mehr als für ausgekämmtes Frauenhaar. Die Preise dürften sich auf Schweifhaare bezogen haben, da für Krollhaare, d.h. kurze Pferdehaare von der Mähne oder vom Fell, sehr viel weniger geboten wurde. Verwendungsmöglichkeiten gab und gibt es viele – sie reichen von Violinbögen bis zu Matratzen und Polstermaterial, wie einem Schweizer Materialarchiv ansatzweise zu entnehmen ist.

So wundert es nicht, dass mehrfach über Pferdeschweifdiebe berichtet wurde, die in der Umgebung Bergedorfs aktiv waren. Wie viele Pferde ihr Opfer wurden, war der BZ nicht eindeutig zu entnehmen, aber allein in Curslack und Neuengamme waren elf Pferde betroffen (BZ vom 19. Mai und 11. Juni 1923) – die betroffenen Landwirte setzten eine Prämie für die Ermittlung der Täter in Höhe von bis zu 300.000 Mark aus (BZ vom 2. Juni 1923). Über den Erfolg fanden sich keine Meldungen.

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Einzigartiges (?) Bergedorf

Bergedorfer Zeitung, 21. Juli 1923

Die Leserinnen und Leser der Bergedorfer Zeitung werden sich nach Lektüre dieses Zeitungsartikels in Lokalstolz gesuhlt haben – laut Meyers Orts- und Verkehrslexikon des Deutschen Reiches hatte man nicht einen Allerweltsnamen wie „Neumühle“, das es in 347facher Ausfertigung gab, und da Bergedorf in diesem Bericht nicht als mehrfach vorhandener Ortsname genannt wurde, wird man sich als einzigartig angesehen haben.

 

 

Briefumschlag mit Ortsstempel „Bergedorf über Delmenhorst“

Damit allerdings lag man neben der rauen Wirklichkeit: es gab zwei weitere Orte mit dem Namen „Bergedorf“, beide im heutigen Niedersachsen: sogar einen eigenen Poststempel hatte eines von ihnen, das Bergedorf in der Gemeinde Ganderkesee (Landkreis Oldenburg). Dieses Bergedorf war allerdings nie eigenständig, sondern eine der Bauerschaften (heute: ein Ortsteil) der Gemeinde Ganderkesee, in der es nicht nur eine Bergedorfer Straße gibt, sondern auch die Feuerwehr Bergedorf als eine der Ortswehren der Gemeinde.

Etwas dichter an (Hamburg-)Bergedorf liegt der Worpsweder Ortsteil Bergedorf, um 1750 entstanden und bis 1936 eine eigenständige Gemeinde im Landkreis Osterholz. „Bergedorf“ taucht dort mehrfach als Bezeichnung auf, u.a. als „Bergedorfer Schiffgraben“, als „Bergedorfer Straße“, als „Bergedorfer Kirchdamm“ und als „Neu-Bergedorf“.

Dass der Redakteur der Bergedorfer Zeitung diese „konkurrierenden“ Bergedorfs nicht kannte (sie waren und sind nun einmal viel kleiner), muss man ihm nicht verübeln – aber es zeigt, dass er den Text zu den Ortsnamen von irgendwoher übernommen hatte, ohne jemals das Orts- und Verkehrslexikon in der Hand gehabt zu haben. Hätte er ein wenig darin geblättert, so hätte er eine hübsche Geschichte nicht nur über Bergedorf, sondern z.B. auch über Wentorf, Fahrendorf und Lauenburg schreiben können.

Das Arbeitsprinzip der unreflektierten Übernahme praktiziert die BZ auch heute noch: am 20. Mai 2023 gab es einen aus dem Hamburger Abendblatt kopierten großen Bericht über ein Springpferd „aus Bergedorf, einem Dorf am Rande Ganderkesees westlich von Bremen“ …

Für hilfreiche und schnelle Auskünfte bedanke ich mich herzlich bei Frau Maike Saalfeld von der Gemeindeverwaltung Ganderkesee.

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Überwiegend ehrliches Bergedorf

Bergedorfer Zeitung. 17. Juli 1923

Der Beamte von Schalter 1 wird nicht gut geschlafen haben, denn er hatte einem Postkunden viel zu viel herausgegeben: 500.000 Mark statt 10.000 M.

 

Bergedorfer Zeitung, 18. Juli 1923

Seine Erleichterung wird aber am folgenden Tag riesengroß gewesen sein, denn der Empfänger des großen Scheins brachte diesen wieder zurück – Ähnliches hatte sich bereits im Februar ereignet: beim Umtausch von Silbergeld hatte sich der Beamte an Schalter 2 vertan, und auch er konnte sich freuen, dass der Empfänger der zu viel ausgezahlten 29.000 Mark das Geld am nächsten Tag zurückbrachte (BZ vom 15. und 17. Februar).

BZ, 20. Juli 1923

Allerdings: wohl nicht in jedem Fall siegte die Ehrlichkeit, denn eine Erfolgsmeldung zur Anzeige Geverts (laut Hamburger Adressbuch für 1923 Carl Gevert, Händler) gab es nicht. Und zu „kleineren“ Wechselfehlern hat es weder Anzeigen noch Zeitungsberichte gegeben – die Aussage der Titelzeile steht also auf sehr wackligen Beinen.

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Kaperer, Piraten und Strandräuber auf und an der Elbe

Bergedorfer Zeitung, 3. Januar 1923

Schleppzug auf der Elbe bei Geesthacht mit Raddampfer und (Oberländer) Schleppkähnen (undatierte Ansichtskarte)

Nach längerem Observieren griff die Polizei zu – sie verhaftete mehrere Einwohner Kirchwärders wegen „umfangreicher Kapereien“ auf der Elbe: sie hatten u.a. Getreide und Kunstdünger von den „Schleppzügen“ geholt. Da diese Kombinationen aus einem Raddampfer und mehreren per Trosse angehängten „Oberländer Kähnen“ nur sehr langsam fahren konnten und schlecht manövrierfähig waren, kann es gut sein, dass entschlossene „Elbpiraten“ solche Transporte überfielen.

Bergedorfer Zeitung, 13. Juli 1923

Aber wie sich dann ein halbes Jahr später im Gerichtsprozess herausstellte, ging es hier nicht um Kaperei und Überfälle, sondern um gesetzwidrige Kooperation zwischen den Schiffsbesatzungen, die Teile der ihnen nicht gehörenden Ladung verkauften, und eben einigen Vierländern, die auf ein gutes Geschäft gehofft hatten – die Hintermänner im Raum Bergedorf und auch die Schiffsbesatzungen gingen straflos aus dem Gerichtssaal, aber vier der zehn Angeklagten mussten ins Gefängnis.

Vergleichbare Vorkommnisse meldete die BZ aus Lauenburg, aus Geesthacht und Lüneburg (BZ vom 4. Januar, 19. Juli und 24. August 1923) – der einzige von der BZ 1922/1923 berichtete Fall echter Piraterie mit Schusswaffengebrauch und Kaperung des Schiffes ereignete sich auf der Unterelbe (BZ vom 26. Oktober 1922 und 17. März 1923). Die BZ sprach aber auch von Piraten, wenn die Räuber von Booten aus nachts an Land gingen, z.B. bei Geesthacht Schweine und in Altengamme Maiblumenkeime stahlen und mit ihrer Beute auf dem Wasserweg wieder das Weite suchten (BZ vom 18. Oktober und 13. November 1923).

Bergedorfer Zeitung, 13. November 1923

Ob die Strandräuberei vor Altengamme (straf-)rechtliche Konsequenzen hatte, ist unbekannt.

 

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Immer mehr Kleingärtner

Bergedorfer Zeitung, 10. Juli 1923

Der Bergedorf-Sander Schrebergartenverein von 1920 verzeichnete weiter großen Zulauf: zu Jahresbeginn 1923 gab es 1.254 Mitglieder, zur Jahresmitte rund 1.600; die Gesamtfläche der Pachtungen betrug Anfang 1923 neunzehn Hektar (BZ vom 18. Januar 1923). Wenn man von einer Parzellengröße von 500 bis 700 Quadratmetern ausgeht, wie sie die Stadt Bergedorf einem Verpachtungsangebot zugrundelegte (siehe den Beitrag Die starke Stellung der Schreber), kann nur eine Minderheit der Mitglieder einen Kleingarten gehabt haben – die Mehrheit fand sich wohl auf einer Warteliste wieder.

Der starke Mitgliederzuwachs und die Vielzahl der Kolonien erforderten eine Strukturreform: durch die Einrichtung von Untervorständen für die einzelnen Kolonien sollte der Vereinsvorstand entlastet werden, der sich dann nicht mehr um die Details der Arbeit in den einzelnen Anlagen zu kümmern brauchte und sich auf die Anpachtung neuer Flächen etc. konzentrieren konnte.

Bergedorfer Zeitung, 16. Juli 1923

Für die Vereinsmitglieder organisierte der Vorstand in jenem Sommer einen fachlichen Besuch der staatlichen Versuchsfelder in Fünfhausen. „Alle Schrebergärtner werden in ihrem eigenen Interesse gebeten, an der Fahrt teilzunehmen“, hieß es im Zeitungsartikel, und wenn alle 1.600 Mitglieder dem Appell gefolgt wären, hätte der Zug längst nicht alle Interessenten aufnehmen können – der Bericht sprach nur von „zahlreichen Teilnehmern“ (BZ vom 16. Juli 1923), die auf den neuesten Stand der gartenbaulichen Erkenntnis gebracht wurden.

Man kann also vermuten, dass die Kapazität der Bahn ausreichte.

 

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