Abwässer und Goldgruben in Bergedorf

Bergedorfer Zeitung, 12. September 1923 (gekürzt)

Vor hundert Jahren war Bergedorfs Klärwerk hochmodern – aber das Sielstatut war es nicht, und damit ist die Einschätzung Oliver Barghorn-Schmidts, dass Bergedorf in Sachen Hygiene zur Weltspitze gehörte (S. 36), leider falsch.

Das ergibt sich aus dem vom Magistrat vorgelegten Entwurf für eine Neufassung des „Sielstatuts“, also der Abwasser- und Sielordnung, die eigentlich 1909 hätte erfolgen müssen: damals übernahm der Staat Hamburg den größeren Teil der Baukosten für das Klärwerk – im Gegenzug verpflichtete sich Bergedorf, dafür zu sorgen, dass binnen zehn Jahren nach Betriebsaufnahme (1912) alle Häuser an das Siel angeschlossen würden, doch das alte Sielstatut kannte keinen Anschlusszwang: „Es fehlte bisher in Bergedorf eine Bestimmung, nach der die Durchführung dieser Forderung möglich wurde.“

Bergedorfer Zeitung, 7. April 1923

Offenkundig nutzte eine unbekannte Zahl von Grundeigentümern diese Regelungslücke und bevorzugte die städtische „Kübelabfuhr“ gegenüber dem Siel – und mancher fand noch einen anderen Weg, der völlig gebührenfrei, wenn auch nicht geruchlos war: die Verwendung der Fäkalien aus der eigenen „Goldgrube“ als Dünger im eigenen Garten.

Dem Anliegen des Magistrats wollte sich die Bürgervertretung nicht verschließen, aber die Vorlage noch einmal in einem Ausschuss beraten (BZ vom 15. September). Der Ausschuss empfahl, den Anschlusszwang um weitere zwei Jahre bis zum 1. Oktober 1926 hinauszuschieben, und so wurde dann auch beschlossen (BZ vom 29. September).

 

Dieser Beitrag wurde unter Bergedorf 1923 veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert