Der „achte Jahresbericht des Bergedorfer Frauenvereins“ fasste noch einmal einige der Aktivitäten dieses Vereins zusammen, über die schon in früheren Beiträgen (z. B. Die Kriegshilfe der Bergedorfer Frauen, Flaschenpfand und Einkochstelle, „Nach einem Jahr“, Heiratsmarkt und Arbeitsmarkt) berichtet wurde, aber der Artikel enthält auch einige zusätzliche Informationen, so z.B. dass die von der Töpfertwiete in das ehemalige Hotel Stadt Lübeck verlegte und erweiterte Kriegsschreibstube der örtlichen Stelle der „Hilfe für deutsche Kriegsgefangene“ des Roten Kreuzes ebenfalls Raum bot.
Näh- und Strickarbeiten waren schon 1914, kurz nach Kriegsausbruch, durch den Frauenverein vergeben worden, zumeist für sogenannte Liebesgaben an Soldaten. Nun aber hatte man offizielle Aufträge des Kriegsbekleidungsamts zur Herstellung von Textilien für Soldaten und beschäftigte damit 250 Näherinnen und Strickerinnen – die Textilindustrie konnte den Bedarf offenbar nicht decken. Die durch die Kriegshilfe Bergedorf und eine ungenannte Gönnerin finanzierte Anfertigung von Wäsche und Kleidern für Kinder lässt erkennen, dass manche Familien offenbar nicht imstande waren, diese selbst zu erwerben.
Die Kriegshilfe unterstützte auch den vom Frauenverein betriebenen Mädchenhort finanziell. Ein Platz in dieser schon vor Kriegsbeginn mit über 60 Plätzen geschaffenen, 1915 erweiterten Einrichtung (siehe BZ vom 6. September 1914 und 12. Oktober 1915) war nun offenbar so begehrt, dass die Aufnahmekriterien verschärft werden mussten. Jedoch fehlte es an freiwilligen Helferinnen, und vermutlich deshalb wurde der im Herbst 1915 eingerichtete Knabenhort am Kuhberg 1 von der Kriegsfürsorge betrieben (siehe BZ vom 12. und 16. Oktober sowie 13. November 1915). Auch die Kräfte des Frauenvereins waren eben begrenzt.
Über die erhöhte Platzzahl im Mädchenhort in der Töpfertwiete waren in der Zeitung keine Angaben zu finden – der Knabenhort wurde schon bald nach der Eröffnung von „über 50“ Jungen besucht. Eine weitere Betreuungseinrichtung war die von der evangelischen Kirchengemeinde unterhaltene „Warteschule“ für noch nicht schulpflichtige Kinder; sie wurde 1915 von durchschnittlich 61 Kindern pro Tag besucht, 1916 von 65 bei einem Maximum 1916 von 97 Kindern (siehe BZ vom 30. November 1915 und 30. November 1916), auch gab es im Reinbeker Weg 35 einen privat betriebenen Kindergarten für Drei- bis Sechsjährige (siehe BZ vom 20. März 1915). Es mögen also – großzügig geschätzt – insgesamt 400 Plätze zur Verfügung gestanden haben. Die Gesamtzahl der Kinder war um ein Vielfaches höher: 1905 gab es laut Statistik des Hamburgischen Staates 4.343 Kinder in der Stadt Bergedorf (Band XXIV, 1909), 1910 waren es 4.793 (Band XXVIII, 1919), und man darf einen weiteren Anstieg in den folgenden Jahren vermuten, der sich allerdings nicht belegen lässt, da die Zahlen nicht publiziert wurden.
Vom Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz war Bergedorf 1916 also noch weit entfernt, und auch bis zur Gebührenfreiheit mit kostenlosem Mittagessen sollte es noch fast ein Jahrhundert dauern.