Die Erweiterung des Postgebäudes

Bergedorfer Zeitung, 22. Juli 1915

Bergedorfer Zeitung, 22. Juli 1915

Während des Krieges kam abgesehen von Notstandsarbeiten die öffentliche Bautätigkeit weitgehend zum Erliegen – aber Bergedorfs Kaiserliches Postamt (siehe die Nr. 2 auf der Karte von 1904) war zu klein geworden, um den stark gewachsenen Verkehr bewältigen zu können. Zahlen für das Bergedorfer Postaufkommen gibt es leider nicht, aber am 3. Januar 1916 meldete die Bergedorfer Zeitung, dass im Deutschen Reich im November 1915 allein 18,7 Millionen Feldpostbriefe neben 10,1 Millionen anderer Briefe abzufertigen waren – zwei Jahre vorher waren es insgesamt nur 17 Millionen Sendungen gewesen. Die Entgegennahme und der Versand von Feldpostpäckchen erforderten ebenfalls erheblichen Aufwand und zusätzlichen Platz.
Von den 74 Postbeamten in Bergedorf war zu diesem Zeitpunkt genau die Hälfte im Krieg. Aufgrund dieser Personalknappheit waren 20 Beamtinnen eingestellt worden, und ab 1916 gab es sogar weibliche Hilfsbriefträger (siehe BZ vom 19. Januar 1916) – ein kleiner Schritt auf dem langen Weg zur Gleichstellung der Frau.

Kaiserliches Postamt in Bergedorf (kolorierte Ansichtskarte von 1909 oder früher)

Kaiserliches Postamt in Bergedorf (kolorierte Ansichtskarte von 1909 oder früher)

Das hier gezeigte Postamt wurde  laut www.bergedorf-chronik.de 1976 abgerissen; an seiner Stelle entstand das Ärztezentrum „Alte Post“. Der damals errichtete Postneubau an der Bergedorfer Straße sieht heute dem Abriss entgegen.

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Bergedorf trockengelegt

Bergedorfer Zeitung, 17. Juli 1915

Bergedorfer Zeitung, 17. Juli 1915

Nein, nicht das Überschwemmungsgebiet der Bille wurde trockengelegt, auch die extreme Trockenheit der Wochen zuvor war nicht gemeint, sondern die Bevölkerung Bergedorfs und die Ausflügler aus Hamburg an „zunächst“ zwei Juli-Wochenenden. Der stellvertretende kommandierende General v. Roehl erließ ein Handels- und Ausschankverbot für Spirituosen aller Art, ohne dies zu begründen, aber beim kaiserlichen Militär war halt die Anordnung, der Befehl, ausreichend. Doch man wüsste schon gern, was hinter diesem Ukas steckte: hatte es an den Wochenenden vorher alkoholinduzierte Unruhen, Unannehmlichkeiten, Ausschreitungen oder ähnliches gegeben? Befürchtete man Demonstrationen nach fast einem Jahr Krieg? In der BZ jedenfalls waren bis dato keine Meldungen zu finden, die diese Maßnahme (die auch in der Stadt Hamburg galt, siehe BZ vom 16. Juli 1915) hätten erklären können, was natürlich an der Zensur gelegen haben kann.

Eine prinzipielle Ablehnung des Alkohols jedenfalls lag nicht vor, wie sich an den beiden Ausnahmen erkennen lässt: zu medizinischen Zwecken durfte offenbar auch Trinkalkohol verwendet werden, und der Versand von Alkohol an die Front war weiterhin zulässig. Wein und Bier blieben erlaubt, aber ob sie in ausreichenden Mengen als Alternative zur Verfügung standen, ist fraglich, denn aus den Ländern der Kriegsgegner (vor allem Frankreich und Italien) dürften Importe weitgehend ausgefallen sein, und den Bierbrauern standen zu dieser Zeit nur 60% der Braugerste zur Verfügung, die sie vor dem Krieg gehabt hatten.

Freuen konnten sich jedenfalls die Wirte der Ausflugslokale in Ochsenwerder, Kirchwerder und Neuengamme, denn diese Ortschaften waren von dem Verbot nicht erfasst, und da auch die Lauenburger Dampfer „trocken“ waren, dürfte der Durst auf Alkoholika in den Wirtschaften dort entsprechend höher gewesen sein. Wat den een‘ sien Uhl …

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Heimatkunst: „Knust un Nudel“

Bergedorfer Zeitung, 10. Juli 1915

Bergedorfer Zeitung, 10. Juli 1915

Schon 1915 kannte die Bergedorfer Zeitung die Saure-Gurken-Zeit: der „Tagesbericht“ vermeldete an erster Stelle, dass Mädchen in Bergedorf sich mit einem Ballspiel vergnügten, das vielerorts einfach als „Probe“ bekannt war und in vielen Varianten existierte, wie man u.a. bei Peter Unbehauen, Hella Langosch-Fabri und Sybil Gräfin Schönfeldt nachlesen kann.

Wirklich bemerkenswert an diesem Artikel ist die Verwendung der plattdeutschen Sprache, die ansonsten in der BZ gemieden wurde. Das Platt allerdings weist einige Abweichungen zu dem im Bergedorfer Raum und den Vierlanden gesprochenen Platt auf – es könnte sein, dass der Autor „H.M.“ der Lehrer Hans Matthiessen, der aus Arnis/Schlei stammte (siehe Bergedorfer Personenlexikon, S. 140), war.
Ob „H.M.“ wirklich eine Veranschaulichung dieses Kinderspiels gelang, mag jeder für sich selbst beurteilen, aber deutlich wird in jedem Falle, dass die Bewegungsabläufe nicht einfach waren.

Und für alle, die des Plattdeutschen nicht mächtig sind und deshalb den „tiefen Sinn“ des Spiels, das ja ein „Stück Heimatkunst“ war, nicht erkennen, folgt hier die Übersetzung ins Hochdeutsche:
>>Sieh mal die drei kleinen Mädchen am Bretterzaun! „Ich bin schon bei Knust!“ – „Ich schon bei Nudel!“ – „Ich schon bei Nudelklatsch!“ Wir wollen sie einmal beobachten. Die eine fängt gerade wieder an. Gott bewahre uns, welch ein Tempo; auf einmal begreifst Du das gar nicht. Du solltest lieber, wenn Du selbst ein kleine Tochter hast, sie einmal heranholen. Sie wird Dir das erklären. Sie vergisst nichts. Und dann geht Dir so langsam ein Licht auf, welch tiefer Sinn in solch einem Kinderspiel liegt und welchen Spaß Du so einer kleinen Elster mit einem Ball zu zwei Groschen machen kannst, und dass in solch einem Spiel ein Stück Heimatkunst steckt.

Hast Du’s schon heraus? Neun Proben (=Aufgaben) kann sie. Du darfst aber nicht glauben, dass es einerlei ist, von welcher Seite Du anfängst, und ob Du von Neun bis Eins oder von Eins bis Neun zählst. Nein, bei Neun fängt es an. Mit der flachen Hand schlägt sie den Ball gegen die Wand, fängt ihn mit gekreuzten Händen und wirft ihn wieder. Nun wirft die rechte Hand den Ball über die linke Schulter (nicht umgekehrt!), beide Hände fangen ihn wieder, und dann ist sie schon bei Knust. Das merkst Du schon so, dass Du da die rechte Hand zur Faust ballen musst. Nun greifst Du den rechten Arm auf dem Rücken mit der linken Hand und wirfst den Ball über den Kopf, faltest die Hände und stößt den Ball gegen die Wand. Aber schnell, sonst kriegst Du den Kopfstoß nicht fertig. Nun breite die Hände aus, vergiss nicht, die Daumen dabei zu kreuzen und stoße den Ball das achte Mal gegen die Wand. Wenn Du das hast, lass ihn auf die Erde springen und Du hast die neun Proben gut bestanden. Aber glaube nicht, dass Du damit am Ende angelangt bist. Die Bergedorfer Proben sind fein ausgetüftelt. Nun fängt es wieder von vorn an, Aufgabe neun bis eins und zwischendurch musst Du immer einmal klatschen. Nach dieser Klatschprobe kommt sogar ein Doppelklatsch, dann ein Nachklatsch, nun Vor- und Nachklatsch; und wenn Du dann Vor-Nach-Vorklatsch gemacht hast, kannst Du einmal Nudel (=Drehen) versuchen, und wenn Du mit allem fertig bist, kommt noch ein Nudelklatsch und ein Nudeldoppelklatsch. Du wirst schon berechnet haben, dass Du einundachtzig Proben gelernt hast.

So ein recht aufgewecktes Mädchen kann aber noch mehr. Sie kennt nicht nur die Bergedorfer Proben, sie hat sich auch die Sander und Gezachter (Geesthachter heißen sie nicht) abgekuckt. Und ihre Freundin kann auch die Hamburger und deren Freundin hat mir erzählt, dass sie eine Freundin hat, die auch die Lübecker kann. Was sagst Du nun? H. M. <<

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Barfuß zur Schule

Bergedorfer Zeitung, 5. Juli 1915

Bergedorfer Zeitung, 5. Juli 1915

Auch wenn es nur ein Einzelfall gewesen sein sollte, der die für Sande zuständige Schulaufsichtsbehörde veranlasste, den Schulbesuch ohne Schuhe zu genehmigen: das bis dahin für den Schulbesuch „notwendige Schuhwerk“ dürfte angesichts der dramatisch gestiegenen Preise für Leder für viele Eltern kaum noch bezahlbar gewesen sein, zumal wenn der „Ernährer“ der Familie im Krieg war und die Familie auf Unterstützungsleistungen der Gemeinde angewiesen war. Dass die Regelung bei allen potentiellen Barfuß-Schülern Jubel auslöste, darf bezweifelt werden – die Chance, sich regelkonform dem Unterricht als Helfer bei der Obsternte zu entziehen (und dabei sicher auch einen Teil der Ernte zu verspeisen), dürfte eher erfreut genutzt worden sein.

Apropos Schuhe: das Bergedorfer Kaufhaus Joh. Biebler schaltete einige Monate später, als Barfußlaufen sicher kein Vergnügen mehr war, eine große Anzeige, in der als Alternative zu Lederschuhen und -stiefeln solche aus Kamelhaar (und Kamelhaar-Imitat) angepriesen wurden, offenbar nicht nur als Haus-, sondern auch als Straßenschuhwerk:

Bergedorfer Zeitung, 18. November 1915

Bergedorfer Zeitung, 18. November 1915

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Bergedorfs Eisernes Wappen

Bergedorfer Zeitung, 24. Juni 1915

Bergedorfer Zeitung, 24. Juni 1915

Man brauchte Geld für Verwundete und Kriegsinvalide, und so riefen Bergedorfs Bürgermeister und Vereine (siehe auch die Anzeige am Ende dieses Beitrags) zu dieser besonderen Geldsammelaktion auf: es sollte nicht einfach eine Haus- und Straßensammlung durchgeführt werden, sondern die Spender erhielten zusätzliche Anreize: wer Geld gab (zwischen 50 Pfennig und 100 Mark), durfte einen Nagel in ein Wappen der Stadt Bergedorf einschlagen, erhielt ein Erinnerungsblatt und wurde mit seinem Namen in ein eisenbeschlagenes Buch eingetragen.

Eine originelle Idee? Nun, nicht wirklich, denn die erste Nagelungsaktion fand in Wien statt, dort war es ein „Wehrmann in Eisen“ (siehe BZ vom 30. Juni 1915); zahlreiche andere Städte folgten rasch, wobei die Bergedorfer immerhin schneller waren als Hamburg und Altona mit dem „Eisernen St. Michael“ bzw. dem „Isern Hinnerk“ (siehe BZ vom 15. Juli und 26. August 1915). Auch die Idee, durch eine Wappen-Nagelung an National- und Lokal-Patriotismus zugleich zu appellieren und die Eitelkeit der Geber zu bedenken, war keine Bergedorfensie, wie aus einer breitgefächerten Darstellung bei Wikipedia hervorgeht.

Gestaltet wurde dieses Bergedorfer Wappen von Georg Hulbe, über den im Beitrag über Das Villenviertel weitere Informationen zu finden sind, und da das gut einen Meter hohe Wappen bei der Aktion in einer Holzhütte aufgestellt war und anschließend ins Bergedorfer Schloss verbracht wurde, wo es sich heute im Bestand des Museums befindet, ist es in einem hervorragenden Zustand, wie das 2015 aufgenommene Foto zeigt:

"Eisernes Wappen" der Stadt Bergedorf, rückseitig beschriftet "Bergedorf 1915 - Aus eiserner Zeit"

„Eisernes Wappen“ der Stadt Bergedorf, rückseitig beschriftet „Bergedorf 1915 – Aus eiserner Zeit“

Auch das genannte Buch befindet sich im Museum; es ist aber zur Zeit wegen der umfangreichen Renovierungsarbeiten im Schloss nicht zugänglich.

Der Reinertrag nach Abzug aller Unkosten betrug 11.785,85 M (laut BZ vom 26. Juli 1915); allerdings sollten Spenden weiterhin möglich bleiben, und über eine weitere Spende (eines Deutsch-Amerikaners aus den USA) berichtete die Bergedorfer Zeitung auch am 31. August 1915. Die Nagelung des Geesthachter Stadtwappens einige Monate später erbrachte 10.659,98 Mark (siehe BZ vom 14. März 1916) – wenn hierin nicht Großspenden der Dynamitwerke und der Pulverfabrik enthalten waren, ist dies angesichts des Größen- und Finanzkraftgefälles zwischen Bergedorf und Geesthacht ein erstaunlich hoher Wert.

Bergedorfer Zeitung, 26. Juni 1915

Bergedorfer Zeitung, 26. Juni 1915

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Die Bücherhalle: Bergedorf liest

Bergedorfer Zeitung, 29. Juni 1915

Bergedorfer Zeitung, 29. Juni 1915

Seit 1909 verfügte Bergedorf über eine öffentliche Bücherhalle, die bis zur Eingliederung Bergedorfs in die Einheitsgemeinde Hamburg 1937 eigenständig blieb, wie aus der knappen Darstellung auf der Internetseite der heutigen Bücherhalle Bergedorf hervorgeht.
Leider erfährt man aus dem Artikel nicht, wie viele Leserinnen und Leser die Bücherhalle vor einhundert Jahren hatte, aber die rege Nutzung ist an den damaligen Ausleihzahlen erkennbar, und dass der Trägerverein die Lesegebühren für Erwachsene um 150% heraufsetzte, scheint zumindest den Leihzahlen nicht geschadet zu haben, denn 1915 wurden 42.560 Bücher entliehen, also 12% mehr als im Jahr davor. Dass Neuerscheinungen besonders gefragt waren, kann nicht überraschen, aber was mögen die „Werke kriegerischen Inhalts“ gewesen sein?
Nicht nur Bergedorf hatte eine Bücherhalle – in Sande gab es die „Volksbibliothek“ (siehe Bergedorfer Zeitung vom 6. Januar 1916), in Kirchwerder betrieb der Kommunalverein eine derartige Einrichtung (BZ vom 10. März 1915). Über eine Bücherei der Arbeiterbewegung berichtete die BZ nur am 28. Mai 1915: sie meldete, dass in Kirchwärder ein Haus, in dem sich die Bibliothek des sozialdemokratischen Vereins befand, abgebrannt war.

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Die Feldbefestigung in Bergedorf

Bergedorfer Zeitung, 19. Juni 1915

Bergedorfer Zeitung, 19. Juni 1915

Die Übungen der Bergedorfer „Jugendkompagnie 51“, die bereits Thema des Beitrags Die Jugendwehr: Papier und Praxis (1914) waren, erreichten im Juni 1915 offenbar einen Höhepunkt mit dem Bau einer „Feldbefestigung“, die weit mehr war als ein einfacher Schützengraben und auch gegen Schrapnells und Bomben Schutz bieten sollte.
Der Ort dieser Demonstrationsanlage einer Feldbefestigung ist nur grob zu bestimmen: die im Artikel genannte Fritz-Reuter-Straße heißt heute Paalzowweg, in dessen Nähe sich der Fritz-Reuter-Sportplatz befindet.
Der Anleiter dieser Aktion war sicher fachkundig: Vizefeldwebel der Landwehr (Heinrich) Fitschen war im Zivilberuf Lehrer an der Birkenhain-Schule, aus dem Krieg zurückgekehrt „infolge einer Nervenüberanstrengung“ (siehe BZ vom 20. Mai 1915) und Autor der Schrift Der Spatenkrieg, auf deren Titelblatt er als „Instrukteur des Ausbildungspersonals der Ersatzbataillone des 9. Armeekorps“ bezeichnet wurde.

Bergedorfer Zeitung, 24. Juni 1915

Bergedorfer Zeitung, 24. Juni 1915

Da die Besichtigung der Anlage kostenpflichtig war, konnte sich die Jugendwehr bald über eine Einnahme von 300 Mark freuen. Die Besucherzahl war allerdings übersichtlich – entweder war das Interesse der Bergedorfer recht gering oder man konnte von weiter oben am Hang einen kostenfreien Einblick nehmen.

Die Einnahmen sollten zur Hälfte nicht näher spezifizierten wohltätigen Zwecken zugute kommen und zur anderen Hälfte bei der Jugendkompagnie verbleiben.
Man mag hoffen, dass die beim Bau der Feldbefestigung erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten manchen jungen Bergedorfern beim späteren Fronteinsatz das Leben gerettet haben, aber sicher ist das nicht – eher dürften sie erfahren haben, dass derartige Schutzeinrichtungen höchst unvollkommen waren.

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Flaschenpfand und Einkochstelle

Bergedorfer Zeitung, 10. Juni 1915

Bergedorfer Zeitung, 10. Juni 1915

1915 waren Flaschen so knapp, dass fünf Mitglieder des „Vereins der Mineralwasserfabrikanten“, darunter vier aus Bergedorf, nicht einfach baten, leere Flaschen zurückzubringen – sie erließen per Anzeige diese Warnung, derzufolge das Aneignen, ja schon das Zurückbehalten von Mineralwasserflaschen strafbar sei und dass man sie auch nicht „im eigenen Interesse“ benutzen dürfe. Die Unterzeichner führten den Flaschenmangel auf „die Unsitte, unsere Brause- und Seltersflaschen im Haushalt zu allen möglichen Dingen zu benutzen“ sowie Gleichgültigkeit und Böswilligkeit zurück, aber es gab weitere Ursachen, über die die Bergedorfer Zeitung berichtete: am 2. Juli 1915 war zu lesen, dass in Hamburg wegen der zahlreichen Einberufungen nicht genügend Flaschen hergestellt werden könnten (was sicher auch die Bergedorfer Glashütten beeinträchtigte, siehe den Beitrag zum Kamp), und am 12. Juli forderte das 3. Armeekorps (Potsdam) auf, ihm leere Flaschen zuzusenden, da Millionen Mineralwasserflaschen an die Front gegangen seien, aber „nicht eine zurückgekommen“ sei.

Schließlich trugen auch Bergedorfs Hausfrauen zum Flaschenmangel bei, die jetzt nicht mehr nur für den eigenen Bedarf Gemüse und Säfte einkochten, sondern diese schon seit 1914 (siehe z.B. BZ vom 6. September 1914) für die Front und die Lazarette in Hamburg konservierten, wie die oben ebenfalls abgebildete Anzeige des Bergedorfer Frauenvereins zeigt, und sich so einer Straftat schuldig machten.

Flaschen von Sibbers & Heyden und (J.) Heinrich Lange (Privatbesitz) - zur Vergrößerung anklicken

Flaschen von Sibbers & Heyden und (J.) Heinrich Lange (Privatbesitz) – zur Vergrößerung anklicken

Ob die auf dem Foto gezeigten Flaschen (von Sibbers & Heyden sowie Lange) wirklich zeitgenössisch sind, bedürfte aufwändiger Recherche, die hier nicht zu leisten ist. Sie dokumentieren jedenfalls private Aneignung, obwohl die Flaschen unten mit „unverkäuflich“ gekennzeichnet waren.
Übrigens: Unter dem Stichwort Flaschenpfand widmet Wikipedia der Frage, wer eigentlich Eigentümer einer Pfandflasche ist, längere Ausführungen zur heutigen Lage, denn es ist alles gar nicht so einfach.

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Bergedorfs Bille-Bad – und ein Fahnenflüchtiger in Sande

Bergedorfer Zeitung, 4. Juni 1915

Bergedorfer Zeitung, 4. Juni 1915

Bergedorfs Männer waren wohl Frühaufsteher, zumindest die Badefreudigen unter ihnen: ab 5 Uhr morgens konnten sie die städtische Badeanstalt an der Brauerstraße (siehe die Nummer 33 auf der Karte 1904) aufsuchen. Anschließend ging es zum Frühstück nach Hause, und dann konnte endlich (ab 8:30 Uhr) die Ehefrau ihr Bad in der Bille nehmen: es gab strikte Geschlechtertrennung.
Das Bad wurde 1926/27 einige hundert Meter billeabwärts verlegt, blieb aber noch für Jahrzehnte eine Flussbadeanstalt, die mit (gechlortem) Billewasser gespeist wurde. Dort wurde 1965 Bergedorfs erste Schwimmhalle eröffnet, die 2005 durch einen Neubau ersetzt wurde (siehe Bergedorfer Zeitung) – die Außenbecken sind auf einen kümmerlichen Rest zusammengeschrumpft; der allerdings ist mit beheiztem Wasser versehen. Die Öffnungszeiten 2015 sind nach Angaben des Betreibers Bäderland eher auf Langschläfer ausgelegt.

Bergedorfer Zeitung, 8. Juni 1915

Bergedorfer Zeitung, 8. Juni 1915

Die Meldung über die Festnahme eines fahnenflüchtigen Soldaten in Sande war die erste ihrer Art aus Bergedorf und Umgebung. Folgeberichte über das Schicksal des Mannes fehlen – nach §§ 64ff. des Militärstrafgesetzbuchs des Deutschen Reiches von 1872 drohten ihm bis zu fünf Jahre Gefängnis oder Festungshaft.

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Bergedorfs Stadtparlament: vom Geldsegen über ein Überschwemmungsgebiet zur Kriegsteuerungszulage

Bergedorfer Zeitung, 1. Juni 1915

Bergedorfer Zeitung, 1. Juni 1915

Über den neuen Finanzausgleich zwischen dem Staat und der Stadt, sprich Hamburg und Bergedorf wurde bereits im Beitrag Der Kriegshaushalt 1915 berichtet, deshalb sei hier schlicht darauf verwiesen.
Das Thema „Überschwemmungsgebiet“ war dagegen erst kurze Zeit vor diesem Bericht in die Kommunal- und Landespolitik geraten, und zum besseren Verständnis der topographischen Situation ist ein Blick auf die Karte 1875 und die Karte 1904 sicher hilfreich: dort, wo 1875 die Flurbezeichnung „Im Brook“ (niederdeutsch für Bruchwald) lautete und 1904 die zur Erschließung des Villengebiets gebaute Ernst-Mantius-Straße verlief, war eine größere Zahl Wohnhäuser errichtet worden, die Probleme mit dem hohen Grundwasserstand hatten. Abhilfe schaffen sollte, so die Forderung des Liberalen Vereins laut Bergedorfer Zeitung vom 16. April 1915, die Aufhebung bzw. Änderung der Verordnung über die Aufstauhöhe für die Kornwassermühle, und nun wollte Bergedorfs Bürgermeister Dr. Paul Walli in Hamburg „energisch vorstellig“ werden und eine Lösung des Problems erreichen, was dem Bergedorfer SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Wilhelm Wiesner laut BZ vom 13. März 1915 versagt geblieben war. Auf die weitere Entwicklung wird zurückzukommen sein – dass Überschwemmungsgebiete auch 2015 noch die Politik beschäftigen, ist z.B. in Berichten der Bergedorfer Zeitung und des Blogs vierlaender.de nachzulesen.
Und wo man im Stadtparlament gerade beim Thema Bille war, konnten Anmerkungen zum Schweinsgraben (westlich des Serrahn, siehe die obengenannten Karten) und seiner westlichen Fortsetzung, der mittleren Bille, nicht fehlen. Der Schweinsgraben verschwand im Laufe der Zeit; die Wasserqualität der mittleren Bille hingegen scheint sich in den letzten hundert Jahren nicht verbessert zu haben, wie aktuelle Untersuchungen der Gewerbeschule 19 zeigen.
Mit einer gewissen Erleichterung werden die schlechterverdienenden städtischen Arbeiter und Angestellten der Stadt Bergedorf den Beschluss über die Zahlung einer „Kriegsteuerungszulage“ aufgenommen haben – die zusätzliche Zahlung von zwei Mark pro Woche für die haushaltführende Person plus eine Mark pro Woche und Kind war aber zu niedrig, um wirklich Freude auslösen zu können, zumal die vergleichbar Entlohnten im öffentlichen Dienst Hamburgs eine etwas höhere Zulage bekamen (siehe Bergedorfer Zeitung vom 5. Mai 1915).

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