„Die Stellung der Frauen zur Aufklärung über das Geschlechtsleben durch die Schule“, so der genaue Titel des Vortrags, schien die Bergedorferinnen nicht sehr zu interessieren, denn die Zahl der Zuhörerinnen war gering. (Am Rande bemerkt: nicht der Hausfrauenverein, sondern der Bergedorfer Frauenverein hatte zu diesem Abend eingeladen, wie aus der am 13. November in der BZ gedruckten Anzeige hervorgeht.)
Die Rednerin des Abends, Dr. Hedwig Leschke, war vermutlich die im Hamburger Adressbuch 1929 genannte Studienrätin – also jemand mit Erfahrungen aus der schulischen Erziehungspraxis. Sie befürwortete ein mehrstufiges Wechselspiel bei der Aufklärung von Kindern: die Mutter sollte das „schöne Vorrecht“ haben, damit zu beginnen, die Schule sollte dies aufnehmen und Eltern sowie Lehrer sollten altersgemäß fortsetzen, Zeugung und Begattung eingeschlossen. „Neuland war es, in das wir geführt wurden“, schrieb die Berichterstatterin „-a“: mit Sexualität zusammenhängende Fragen waren zumindest gegenüber Kindern als Tabu behandelt, also eben nicht behandelt worden.
Wenn es um Geschlechtsthemen ging, dann standen Geschlechtskrankheiten im Vordergrund; so auch bei dem Vortrag der Ärztin Dr. Marie Unna, die einige Wochen vorher beim Hausfrauen-Verein Bergedorf vor „zahlreichem Publikum“ referiert hatte; was genau sie mit „Aufklärung und Erziehung zu einfacheren Lebensformen“ meinte, ist unklar, ihre Warnung vor der „Volksgefahr“ der Geschlechtskrankheiten um so deutlicher.
Es dürfte ein Zufall gewesen sein, dass in jenen Wochen auch das Drama „Die Schiffbrüchigen“ von Brieux in Bergedorf auf die Bühne des Colosseums gebracht wurde, das als Film schon 1918 im Hansa-Kino gezeigt worden war; siehe hierzu den Beitrag Die unbenannte Seuche.