Der Richtungsstreit in der USP

Bergedorfer Zeitung, 30. April 1920

In den Wochen nach dem Kapp-Putsch muss es in der USP Bergedorf ähnlich hoch her gegangen sein wie in der Hamburger USP: es hagelte Misstrauensvoten und Mandatsniederlegungen als Folge eines heftigen Richtungsstreits. Hätte es die Begriffe damals schon gegeben, hätte man von „Realos“ und „Fundis“ sprechen können.

Der Bürgervertreter Karl Wilhelm Hauschild war erst im September 1919 in die Bergedorfer Stadtvertretung nachgerückt, als Carl Seß sein Mandat wegen innerparteilicher Differenzen niederlegte (siehe den Beitrag zur USPD Bergedorf). Hauschilds Rücktritt nach wenig mehr als einem halben Jahr geschah aber nicht ganz freiwillig: eine Mitgliederversammlung seiner Partei hatte ihm das Misstrauen ausgesprochen (BZ vom 13. April). Laut „Hamburger Echo“, der Parteizeitung der SPD, die augenscheinlich mehr wusste als die BZ, war der Richtungsstreit in der USP die Ursache dafür, dass die Nachfolge sich hinzog (Hamburger Echo, 12. April, Abend-Ausgabe): die nächsten drei Kandidaten bestanden die Prüfung auf „Linientreue“ wohl nicht. Schließlich übernahm der Maschinenbauer Emil Dröse, Nummer 9 (und vorletzter) der Kandidatenliste, das Mandat (BZ vom 11. Mai).

Ähnliches geschah in Hamburg: dort gab es in einer Mitgliederversammlung der „Unabhängigen“ ein Misstrauensvotum gegen elf der dreizehn Bürgerschaftsabgeordneten, nur die Abgeordneten Reich und Thälmann (der spätere KPD-Führer) galten als „sattelfest“ und durften im Parlament verbleiben (Hamburger Echo vom 10., 19. und 22. April sowie BZ vom 20. April). Einer der Nachrücker war der Bergedorfer Carl Seß (BZ vom 14. Mai).

Zwei BZ-Berichte veranschaulichen den Streit und den Richtungswechsel der USP in Bergedorf: gab es in der ersten USP-Versammlung „wenig Anklang“ für die Forderung nach der Diktatur des Proletariats und „reichen Beifall“ für die Ablehnung der Übertragung des Bolschewismus auf Deutschland, so hatte sich eine Woche später das Blatt offenbar zugunsten der „Fundis“ gewendet:

Bergedorfer Zeitung, 24. März 1920

Bergedorfer Zeitung, 31. März 1920

 

 

 

 

 

 

 

Mitte März hatten SPD und USP in Bergedorf noch gemeinsam den Widerstand gegen den Kapp-Putsch und die Beseitigung der Demokratie organisiert. Im April einigten sich die örtlichen Parteileitungen auf eine gemeinsame Demonstration zum 1. Mai (BZ vom 22. April und Hamburger Echo vom 25. April), doch dann stellte sich die USP-Basis in Bergedorf quer: „Die von den Unabhängigen … geknüpfte Bedingung, Eintritt für die Forderung der Diktatur des Proletariats, lehnten die Mehrheitssozialisten ab.“ (BZ vom 27. April, ähnlich Hamburger Echo vom 26. April)

 

 

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