Der Bergedorfer Frühjahrsmarkt wies 1920 eine besondere Attraktion auf: der Salon de Paris (nicht zu verwechseln mit der Kunstausstellung Salon de Paris) präsentierte „Sitten-Schauspiele“ für Erwachsene und lud Kunstliebhaber zum Studium eines „wunderbaren Frauenkörpers“ ein – das war etwas anderes als zu Kaisers Zeiten! Die Angebote der Deutschen Schänke und des Portici entsprachen da eher dem gewohnten Programm früherer Märkte.
In Bergedorf war zu dieser Zeit die Unterhaltung mit Karussells, Schaukeln, Schießbuden, Verkaufsständen und Kulinarischem nur ein Teil des Markts: offiziell hieß er „Kram-, Vieh- und Pferdemarkt“ (BZ vom 17. April), der Tierhandel fand auf dem Brink statt (in Geerd Dahms‘ Buch Bergedorf. Altes neu entdeckt gibt es auf S. 157 ein Foto des Viehmarkts). Der Handel mit Schweinen (180 Tiere) war im Frühjahr 1920 lebhaft, der mit den wenigen angebotenen Pferden wegen hoher Preise eher mau (BZ vom 26. April). Einen Viehmarkt hat Bergedorf heute nicht mehr; der Jahrmarkt (und u.a. ein Automarkt) findet auf dem Frascati-Platz statt, nicht mehr wie vor hundert Jahren auf dem Portici-Platz, in der Neuen Straße, der Sillemstraße und dem früheren Platz der Gasanstalt (siehe die Karte von 1904).
Auch in Sande wurde Besonderes geboten: ob das lebende „Löwenweib Lionella“ auch nur Erwachsenen zugänglich war, verriet die Anzeige nicht. Die „jungen feschen Damen“ der Hamburger Flora-Truppe werden vermutlich bei ihrem Auftritt im „Schwarzen Walfisch“ mehr Bein gezeigt haben als im Sander Straßenbild üblicherweise zu sehen war.
Eine Berichterstattung zu diesen erotischen Angeboten sucht man in der BZ vergeblich. So weiß man nicht, wie viele Ärzte der besonderen Einladung zum Studium dieses „hochinteressanten Falls von Körperbildung“ in Sande nachkamen.