Wenn der Kohlrabi nicht zum Kunden kommt, muss der Kunde sich eben zum Kohlrabi (Höchstpreis im Kleinhandel: 42 Pfg/Pfd, ohne Kraut, siehe BZ vom 14. Juli 1918) aufmachen, und so hielten es 1918 „täglich einige tausend Hamburger jeden Geschlechts und Alters“: sie hamsterten in den Anbaugebieten in den Vierlanden und den Marschlanden, was angesichts der miserablen Versorgungslage gut zu verstehen ist.
Nach Ansicht des Verfassers hingegen war das Hamstern volkswirtschaftlich nicht sinnvoll, war eine „unerhörte Verschwendung von Mühe, Zeit und Geld“, führte zu unnötigem Verkehr und zu „planlosen“ Einkäufen bei den Gärtnern und Bauern. Allerdings hatte nach seinem Eindruck die Hamstersaison bereits ihr Ende erreicht, nicht nur wegen „behördlicher Maßnahmen“ (siehe dazu den Beitrag Das Landgebiet militärisch abgeriegelt), sondern auch, weil die Hamburger Bevölkerung „gute Einsicht“ zeigte und „vernünftiger Überlegung“ zugänglich war.
Die Einschätzung des Autors kann nicht geteilt werden, denn wer Hunger und Lebenserfahrung hat, lässt sich mit einer volkswirtschaftlichen Argumentation kaum dazu verleiten, der „guten und zweckmäßigen Kriegsversorgung“ zu vertrauen: nach dem Motto „Jeder ist sich selbst der Nächste“ wird man (im doppelten Wortsinn) gehandelt haben.
Ein Indiz dafür, dass die Hamstertouren bis in den Herbst hinein andauerten, sind die Fahrpläne der Lauenburger Dampfer, die noch häufiger verkehrten als im Vorjahr: bis zu neun Fahrten täglich gab es zwischen Hamburg (Stadtdeich) und Ochsenwärder – Zollenspieker – Hoopte, hinzu kamen die vier bis fünf täglichen Fahrten der „Fortuna I“ und „Fortuna II“ der Oberelbischen Dampfschiffahrt-Gesellschaft (BZ vom 12. Juni, 19. September, 4. Oktober und 5. November 1918). Erst im Spätherbst wird es wieder „still und ruhig auf den Deichen und Landstraßen“ geworden sein und nicht schon Ende Juli.