Wer Saatkartoffeln bekommen wollte, hatte seinen Bedarf schon am Anfang des Jahres 1917 anmelden müssen, und nach den Erfahrungen des vom Kartoffelmangel gekennzeichneten Steckrübenwinters hatten sicher noch mehr Bergedorfer als in den Vorjahren Interesse am Selbstanbau bekundet (siehe z.B. den Beitrag Mehr Mangel, weniger welsche Worte). Um so größer wird die Enttäuschung gewesen sein, als Bergedorfs Magistrat bekanntgab, dass „vorläufig“ nur ein Viertel der bestellten Menge zur Auslieferung kommen sollte. Da gleichzeitig den Landwirten die Zuteilung von Saatkartoffeln um 20 Prozent gekürzt wurde (siehe BZ vom 4. Mai 1917), ließ das für die Versorgung nichts Gutes erwarten.
Im benachbarten Sande sah es deutlich besser aus als in der Stadt Bergedorf: dort sollte die zur Ausgabe gelangende Menge 60 Prozent betragen, und Anfang Juni kamen weitere zwei Waggonladungen hinzu (siehe BZ vom 4. Mai und 7. Juni 1917) – ob dies genügte, muss offenbleiben. Entsprechende Meldungen bzw. Bekanntmachungen gab es für Bergedorf nicht, aber aus einer Bekanntmachung vom 26. Mai kann man erschließen, dass hier ebenfalls weiteres Setzgut geliefert wurde.
Dennoch blieb es fraglich, ob es eine zufriedenstellende Ernte würde geben können, denn zum einen wurde explizit vor der Verwendung kranker Saatkartoffeln gewarnt, die nur geringen Ertrag brächten, zum anderen führten Beißattacken der „sehr scheuen und flüchtigen kleinen grünen Wanze“ zur „Verkrüppelung des Kartoffelkrautes“ und somit zur Wachstumsschädigung (siehe BZ vom 25. April und 6. Juni 1917).
Den professionellen Kartoffelbauern drohte angeblich sogar die Gefahr der Sabotage, sofern sie Gefangene einsetzten: Frankreich habe Kriegsgefangene aufgefordert, dem Saatgut mit speziellen „Exstirpateurs“ die Augen auszustechen – in einem Kuchen seien zwölf solcher Geräte gefunden worden (siehe BZ vom 18. und 20. April 1917), in Oberlädla (bei Merseburg) wurde ein französischer Kriegsgefangener des Ausstechens von Kartoffelkeimen überführt (siehe BZ vom 4. Mai 1917). Ob es sich hierbei um Fakten oder um alternative Fakten (Kellyanne Conway) handelte, ist mit den Mitteln dieses Blogs nicht zu klären.